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Die wichtige Frage, in welchem Verhältnisse Vater und Mutter zu der in der ersten Embryonalzelle vereinigten Menge von chromatischer Kernsubstanz beitragen, und in welche Beziehung die Chromatinteile beider Eltern hier zu einander treten, ist bekanntlich durch E. VAN BENEDEN (3) für das Ei von Ascaris megalocephala gelöst worden. VAN BENEDEN konnte nachweisen, daß bei diesem parasitischen Wurm die beiden Geschlechtskerne nicht miteinander verschmelzen, sondern daß die chromatische Substanz eines jeden Kerns sich in zwei, sowohl untereinander als mit denen des anderen Kerns gleiche Schleifen kontrahiert, die nun, ohne weiter in Beziehung zu einander zu treten, in die erste Furchungsspindel eingelagert und hier so halbiert werden, daß jede der beiden primären Furchungskugeln von jedem männlichen und von jedem weiblichen Chromatinkörper die eine Hälfte erhält. Damit war für diesen speziellen Fall das Problem, noch ehe es überhaupt aufgeworfen worden war, in der denkbar einfachsten Weise gelöst.

Auf die erste Frage: Wie verhalten sich väterliche und mütterliche Kernsubstanz in ihren Mengen und sichtbaren Qualitäten zu einander? lautet die Antwort: Sie sind vollkommen gleich, nicht nur in der absoluten Substanzmenge, soweit sich dies schätzen läßt, sondern auch was vielleicht nicht weniger wichtig ist in der Zahl, Struktur und Form der von jedem Kern gebildeten selbständigen Teilstücke, der Chromosomen 1). Und die zweite Frage: In welche Beziehung treten die beiden Substanzen zu

1) Ich gebrauche fortan diese von WALDEYER (42) vorgeschlagene zweckmäßige Bezeichnung.

Boveri, Zellen-Studien III.

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einander? beantwortet sich damit, daß sie gänzlich voneinander isoliert bleiben, so daß wir noch von den beiden primären Furchungszellen aussagen können: es enthält jede zur einen Hälfte ausschließlich väterliche Chromosomen, zur anderen Hälfte mütterliche.

Es ist erwähnenswert, daß die hierin liegende Erkenntnis zugleich eine definitive ist, was wir von den wenigsten unserer Erfahrungen sagen können. Jedes andere gegenseitige Verhalten der beiden Substanzen, und wäre es das einfachste, z. B. paarweise Verschmelzung je eines väterlichen mit einem mütterlichen Element, hätte die weitere Frage im Gefolge: Wie geht es nun des Feineren hierbei zu? Bei dem für Ascaris megalocephala konstatierten Verhalten bleibt dagegen, für das Ei wenigstens, nichts mehr zu fragen übrig; und wenn auch zunächst die Schwierigkeit nur einfach auf die beiden Tochterzellen verlegt ist, so glaube ich es bereits sehr wahrscheinlich gemacht zu haben, daß auch hier, wo nun wirklich männliche und weibliche Elemente in einem Kerngerüst vereinigt werden, doch ein jedes seine Selbständigkeit bewahrt.

Es liegt also in den bei Ascaris megalocephala festgestellten Verhältnissen etwas so Klares und Einfaches, daß man wohl zu der Vermutung berechtigt ist, es möchten dieselben in gleicher Weise auch bei allen übrigen Organismen verwirklicht sein. Ja, unsere Erfahrungen über die Vorgänge der Kernteilung scheinen mir eine solche durchgreifende Gleichartigkeit sogar unbedingt zu fordern. Denn wenn wir auf Grund vielfacher Beobachtungen annehmen müssen, daß die Zahl der Chromosomen für jede Zellenart konstant ist, und daß diese Konstanz sich durch Erbschaft erklärt, so müssen wir erwarten, daß auch das befruchtete Ei jeder Tierund Pflanzenart eine bestimmte, durch eine konstante Zahl von Chromosomen repräsentierte Menge von Kernsubstanz enthalte, und als Folge davon, daß zur Bildung dieser Menge die beiden das befruchtete Ei zusammensetzenden Geschlechtszellen in bestimmtem Verhältnis beitragen. Und da nun das Getrenntbleiben der beiden Geschlechtskerne im Ascariden-Ei so sichtbarlich den. durch die Karyokinese erreichten Zweck erkennen läßt, daß jede Tochterzelle genau den gleichen Anteil an der väterlichen und mütterlichen Kernsubstanz erhalten soll, so müssen wir wohl auch für alle anderen Fälle ein Gleiches voraussetzen.

Was bis jetzt über die Befruchtungsvorgänge im Tier- und Pflanzenreich ermittelt werden konnte, ist überdies einer solchen

Annahme entschieden günstig. So konnte CARNOY (20) dem Pferdespulwurm vier andere Nematoden (Spiroptera strumosa, Filaroides mustelarum, Ophiostomum mucronatum und Coronilla sp. ?) an die Seite stellen, welche in dem Verhalten der Geschlechtskerne bei der Befruchtung abgesehen von der wechselnden Zahl der Chromosomen vollkommen mit dem erstgenannten übereinstimmen. So hat, lange vor VAN BENEDEN, MARK (35) in seinen vorzüglichen Untersuchungen am Ei von Limax campestris Erscheinungen beschrieben und gezeichnet, welche keinen Zweifel darüber lassen, daß auch hier die Chromosomen der ersten Furchungsspindel als zum einen Teil rein väterliche, zum anderen Teil rein mütterliche aus den nicht verschmelzenden Geschlechtskernen hervorgehen. Und endlich findet sich schon in den grundlegenden Abhandlungen von O. HERTWIG (28-30) und FOL (25) der Befruchtungsvorgang für einige Eier in einer Weise beschrieben, welche nach dem gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse fast mit Sicherheit darauf schließen läßt, daß auch in diesen Fällen die Kerne nicht verschmelzen, sondern daß erst die im Ei- und Spermakern getrennt gebildeten Chromosomen in der Spindel vereinigt werden. Ich werde auf diesen Punkt unten ausführlicher zurückzukommen haben.

Auch jene Fälle, für welche eine Verschmelzung der beiden Kerne zu einem einheitlichen, ruhenden, ersten Furchungskern festgestellt ist, können der Annahme einer prinzipiellen Übereinstimmung mit Ascaris megalocephala nicht hinderlich sein. Was zunächst die relativen Mengen der väterlichen und mütterlichen Chromatinsubstanz betrifft, so ist für jene Eier, in denen Ei- und Spermakern im Bläschenzustand miteinander verschmelzen, vielfach hervorgehoben worden, daß die Kerne weder in ihrer Struktur, noch in ihrer Größe zu unterscheiden seien; und gerade für einen der extremsten Fälle von Ungleichheit der beiden Kerne, wie er im Echinodermen-Ei vorliegt, hat O. HERTWIG (30) gezeigt, daß es sich hier nur um verschiedene Entwickelungszustände der Kerne handelt, und daß auch hier der Spermakern, wenn er schon in das reifende Ei eingeführt worden ist, zu einem dem Eikern völlig identischen Gebilde heranwächst.

Schließlich wäre aber auch eine verschiedene Menge väterlicher und mütterlicher Kernsubstanz, wofür vielleicht die Resultate von PLATNER (36) am Ei von Arion und die von BOEHM (9) am Neunaugen-Ei sprechen könnten, nicht auffallend, wofern nur für jede Spezies ein bestimmtes Verhältnis gewahrt bliebe; ja, es

könnte, wie bereits STRASBURGER (40) hervorgehoben hat, ein verschieden großer Anteil der beiden Eltern an der Kernsubstanz des Kindes sogar zur Erklärung mancher Vererbungsthatsachen geeignet erscheinen.

In Bezug auf das gegenseitige Verhalten des väterlichen und mütterlichen Chromatins bei der Kernverschmelzung ist keine Thatsache bekannt, die der Annahme, daß auch im einheitlichen ersten Furchungskern männliche und weibliche Teile gesondert bleiben, Schwierigkeiten bereiten könnte. Im Gegenteil lassen sogar die Beobachtungen von PLATNER kaum einen Zweifel, daß im ersten Furchungskern von Arion die väterlichen und mütterlichen Chromatinteile ihre Selbständigkeit vollkommen bewahren; und wenn in allen übrigen untersuchten Fällen ein solcher Nachweis nicht zu führen war, so kann dies eine vollkommen genügende Erklärung darin finden, daß wir die männlichen und weiblichen Teile eben nur so lange auseinanderhalten können, als sie räumlich voneinander getrennt oder zeitlich im Entwickelungszustand voneinander verschieden sind, nicht aber an sich, auf Grund in ihnen selbst gelegener unterscheidender Merkmale.

Es schien mir nun, daß auch für diese letzten, einer direkten Beurteilung nicht zugänglichen Fälle ein Weg bestehe, um entweder mit viel größerer Wahrscheinlichkeit als der der Analogie eine Übereinstimmung mit dem durch Ascaris megalocephala repräsentierten Verhalten darzuthun, oder umgekehrt zu beweisen, daß sie sich diesem Schema nicht unterordnen lassen.

Durch die Vergleichung der aus einem ruhenden Kern hervorgehenden Chromosomen nach Zahl und Lagerung mit denjenigen, welche den Kern gebildet haben, Untersuchungen, die zuerst von RABL (39) und dann von mir (15) angestellt worden sind, ist es gewiß sehr wahrscheinlich geworden, daß die einzelnen der Zelle bei ihrer Entstehung zugeteilten Chromosomen in dem scheinbar einheitlichen Kerngerüst doch ihre volle Selbständigkeit bewahren. Ist aber diese Hypothese richtig und ich glaubte für dieselbe noch eine Reihe weiterer Gründe beibringen zu können dann ist auch das Selbständigbleiben der männlichen und weiblichen Bestandteile im einheitlichen ruhenden Furchungskern nicht zu bezweifeln, es müssen, gerade so wie bei Ascaris megalocephala, die Chromosomen der ersten Furchungsspindel zum einen Teil rein männlich, zum anderen rein weiblich sein. Allein mit dieser Art der Beweisführung durfte ich mich nicht begnügen; denn es können auch in jenen Fällen, wo es zur Bildung eines ruhenden

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