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auch wirst du es nie wieder so vorteilhaft kaufen können. Der Liebende wird dann vorgeben, das nötige Geld nicht zur Hand zu haben auch das nutzt ihm nichts, da sich der Händler zunächst gern mit einem Schuldschein begnügt.

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Oder ein anderes Bild. Die Schöne mit ihrem Galan am Spieltisch.') Wie anschaulich ist ferner, was uns der vorwitzige Dichter von den Geheimnissen des Toilettetischchens zu erzählen weiss 2), wie lebenswahr die Scenen der Eifersucht, die er uns mit stets siegreicher Kunst vorführt 3), wie plastisch versteht er die Bedeutung herauszuarbeiten, welche die Thür und das Fenster in der antiken Erotik hat.) Oft möchte man unwillkürlich ausrufen tout comme chez nous, wenn man liest, wie sich das Mädchen dem zu ihr ungelegenen Stunde kommenden Besucher verleugnen lässt, ungeachtet er sie selbst gesehen hat 5), oder wenn man Zeuge des Streites ist, wie er aus dem harmlosesten Spiel so leicht entsteht.") Man merkt bei jeder Zeile, wie sehr der Dichter seinen Stoff beherrscht und wie er sich nicht genug thun kann, wenn es gilt, die Phantasie und Sinne seiner Leser zu erregen. Wir hören mit eigenen Ohren gar manches zärtlich süsse Liebesgeflüster, jenes Liebesgekose, das der Grieche mit einem sehr bezeichnenden Worte daguotis nennt. Dulcibus est verbis mollis alendus amor) sagt der Dichter ausdrücklich und ist auch freundlich genug, unsere Neugierde nach solchen dulcia verba zu befriedigen. Tu mihi sola places, so begrüsst in übertriebener Galanterie der gelehrige Schüler die Erwählte seines Herzens.) Sie tritt vor ihn hin nur mit der leichten Tunica bekleidet: moves incendia, das ist die Huldigung, die er entzückt ihrer Schönheit darbringt, und sehr pikant ist es, wenn er mit den ängstlichen Worten, sie solle sich aber vor einer Erkältung hüten, sein inneres Wohlgefallen über ihre leichte Bekleidung nur wenig zu verbergen vermag.") Wir belauschen die galanten Gespräche im Circus 10), wir hören aus dem zärtlichen 'mane' den Schmerz des Mädchens über den Abschied heraus 11), und das allerliebste 'improbe' sagt uns, dass die anfangs sich sträubende den Kuss des stürmischen Liebhabers doch nicht gar zu tragisch auffasst.12)

Das führt uns von selbst zu einem weiteren Vorzug des ovidischen Gedichtes. Ich meine die wunderbar feine psychologische Beobachtung. Auch hier müssen freilich wenige Andeutungen genügen. Meisterhaft in dieser Beziehung ist der oft citierte Vers spectatum veniunt; veniunt spectentur ut ipsae.13) Von feiner Beobachtung zeugt auch die lässig hingeworfene Bemerkung, dass jedes Mädchen sich für liebenswert hält, dass keiner, auch der hässlichsten nicht, die eigene Gestalt missfällt.14) Aber sie halten

1) II 203-208. 2) III 209 ff. 3) II 447 ff. 373 ff. Vgl. I 365. III 71. 567. 5) II 521. 6) III 369 ff. 7) II 152. 8) I 42. 10) I 145. 11) I 701. Vgl. II 125. 12 I 665. 13) I 99.

4) II 244 ff. 9) II 301 f. 14) I 613 f.

sich nicht nur für schön, sie freuen sich auch des Lobes ihrer Schönheit, eine Wahrheit, die der Dichter kokett bis zu dem Wohlgefallen der drei Göttinnen an dem Lobe des Paris heraufdatiert und selbst durch Beispiele aus dem Tierleben gar anmutig zu illustrieren weiss.1) Mit der Technik der Thränen und Küsse spielt der Dichter in zwar frivoler, doch psychologisch feiner Virtuosität.) Wenn das Mädchen Thränen im Auge des Liebenden perlen sieht, wird sie ihm kaum widerstehen können; drum empfiehlt es sich, vor ihren Augen solche zu vergiessen, und sollten sie sich nicht in gewünschter Weise einstellen, wische man die Augen mit der feuchten Hand. Auch die Spröde lässt sich gern ein Küsschen rauben, doch darf man dann nicht auf halbem Wege stehen bleiben, denn

oscula qui sumpsit, si non et cetera sumpsit,

haec quoque, quae data sunt, perdere dignus erit.

Fein ist auch die Unterscheidung von zwei Arten der puellae doctae3):

sunt tamen et doctae, rarissima turba, puellae,
altera non doctae turba, sed esse volunt.

Ganz eigenartig mutet es uns an, wenn wir die so modern klingende Warnung lesen, dass man die Mädchen nicht nach ihrem Alter fragen soll.4) Ovids Meisterschaft in psychologischer Schilderung tritt dann noch besonders anschaulich hervor in dem freilich recht abstossenden Mythus von der Pasiphae und ihrer verbrecherischen Liebe.) Die Kunst, mit der Ovid die Schönheit des Stieres beschreibt, soll uns die unnatürliche Leidenschaft wenigstens einigermassen verständlich machen. Wie grauenerregend wahr ist aber diese Leidenschaft ausgemalt. Die unglückliche Königin begnügt sich nicht damit, ihrem Lieblinge das frischeste, zarteste Grün eigenhändig zum Futter zu schneiden, nein sie schmückt sich für ihn mit kostbaren Kleidern und ordnet in dem Gedanken an ihn vor dem Spiegel mit besonderer Sorgfalt das Haar. Die wahnsinnige Liebe treibt sie oft bis zur vollendeten Eifersucht auf eine der mit ihm weidenden Kühe, in der sie eine gefährliche Rivalin erblickt, und die sie daher mit wollüstiger Freude opfert.

Wenn hier die psychologische Wahrheit der Darstellung abstösst, so vereinigt sie sich in einem anderen Bilde mit rührend lieblicher Anmut, ich meine in der Sage von Prokris.") Die höchst anmutige Schilderung der Gegend leitet stimmungsvoll die zarte Liebesgeschichte ein. Durch einen allzu eifrigen Zwischenträger vernimmt Prokris den unglückseligen Namen Aura, unter dem sie eine Nebenbuhlerin erkennen zu müssen glaubt. Wenn der Dichter nun ihren Schmerz schildert, wird jeder innigstes Mitleiden mit der

1) I 623 ff. Vgl. II 296 ff. 2) I 659 ff. 3) II 281. 4) II 663. 5) I 289–326. 6) III 687-746.

Armen empfinden. Nun kommt sie, um sich selbst zu überzeugen, dahin, wo Cephalus zu jagen pflegt. Wie psychologisch fein ist das Schwanken ihrer Stimmung: sie bereut es, gekommen zu sein, denn sie fürchtet sich vor schmerzlicher Entdeckung und doch will sie wieder um jeden Preis Gewissheit haben. Das ist meisterhaft, und auf dieser Höhe bleibt die weitere Darstellung, wie jeder Leser empfinden muss.

Auch kindlich naiv kann das Lied Ovids klingen. Die Gestalt des kleinen Ikarus 1) ist entzückend, man muss den Jungen lieb haben, dessen rührende Kindlichkeit, mit der er dem Vater bei der wunderbaren Arbeit zuschaut, und herzliche Freude über die neue Kunst des Fliegens uns umsomehr entzückt, als wir wissen, wie sehr sein naives Treiben in tragischem Gegensatz steht zu seinem jammervollem Tode.

Hervorheben muss man jedoch auch die Rhetorik der Darstellung, die an vielen Stellen zu erkennen ist, und für die Ovid ja eine besondere Vorliebe hatte. Glänzend bethätigt hat er diese Rhetorik in der Rede des Daedalus.") Ich muss es mir versagen, hier darauf näher einzugehen; vielleicht findet sich an anderer Stelle dazu Gelegenheit.

Mit besonderer Vorliebe verwendet Ovid den rhetorisch zugespitzten Gegensatz. Achilles, vor dem die Feinde zitterten, hat knabenhafte Furcht vor dem hochbetagten Lehrer gehabt. Die Hand, die einem Hektor den Todesstreich versetzte, hat er Chiron willig hingehalten, um eine Züchtigung entgegenzunehmen.) Dieselbe Hand hat aber auch Frauenarbeit verrichtet.4) Noch einmal verwendet der Dichter einen ähnlichen Gegensatz. Dieselben Hände, die vom Blute der Feinde gerötet waren, konnten der Briseis gar zärtliche Liebkosungen erweisen.")

Der Atride, der den Gefahren des Krieges und des Meeres glücklich entronnen, fiel der Tücke des eigenen Weibes zum Opfer.") Rhetorisch zugespitzt ist die Diktion an vielen Stellen, vgl. I 84: quique aliis cavit, non cavet ipse sibi; I 99: spectatum veniunt; veniunt, spectentur ut ipsae. Die köstliche Stelle I 149: utque fit, in gremium pulvis si forte puellae deciderit, digitis excutiendus erit, et si nullus erit pulvis, tamen excute nullum. I 166: et qui spectavit vulnera, vulnus habet. II 24: semibovemque virum, semivirumque bovem.7)

1) II 49 ff. 2) II 25-30. 33-42. 3) I 13 ff. 4) I 694. 5) II 711. 6) I 333. 7) Mit Vorliebe verwendet Ovid die Metapher, zumal Bilder aus der Nautik sind häufig, vgl. z. B. I 373. 772. II 10. 725 ff. (zugleich mit einem Bilde aus der Rennbahn), III 26. 99. 500; ebenso Bilder vom Wagenrennen: I 39. Vgl. I 264. III 467. - Adynata: I 271 ff. 747. Vgl. III 149. Anapher: I3. III 63. Dazu noch einige sachliche Andeutungen, die auszuführen der Mangel an Raum verbot. Komödienhaftes und von sonstiger Bühnendarstellung beeinflusst: Vulkans Erscheinung II 567 ff. Andromache II 645. III 109. Tekmessa III 111. Laodameia III 138. Briseis III 189. Andromeda III 191. Beeinflussung durch plastische Kunstwerke: II 613 (Venus), III 141 (Phoebus und Diana succincta), 219 (Myronis signa), 224 (Venus), 401 (Venus des Apelles). Von pornographischer Litteratur beeinflusst: II 703 ff. III 773 ff. Vgl. auch II 415 ff.

Charakteristisch für Ovid ist endlich die Art, wie er den mythologischen Schmuck verwendet, der freilich an sich ja ein stereotypes Motiv der antiken Erotik ist 1), der aber in der Ars in einer Weise zur Anwendung kommt, die den künftigen Epiker bereits ahnen lässt. Neben den zahlreichen knappen mythologischen Anspielungen und Reminiszenzen finden wir nicht weniger als zehn mehr oder weniger ausgeführte epische Darstellungen, die hier aufgezählt sein mögen.) I 101-134 (Raub der Sabinerinnen). 283-340 (Zehn mythologische Beispiele für die bis zum Verbrechen sich steigernde Liebesraserei der Frauen)"), 525-564 (Bacchus und Ariadne). 681-704 (Achilles und Deidameia). - II 21-96 (Daidalos und Ikaros). 185-192 (Milanion und Atalante). 217-222 (Herakles bei Omphale). -467-480 (Der Urzustand der Menschheit, bis die voluptas ihre Sitten milderte). 561-588 (Mars und Venus). III 687-746 (Cephalus und Prokris). So lohnend und lehrreich auch ein Vergleich der hier behandelten epischen Stoffe mit den in den Metamorphosen wiederkehrenden an sich sein würde, so gebieten doch die Rücksichten auf den Raum davon abzusehen: einiges ist im Kommentar zur Sprache gekommen.

Die Disposition des Gedichtes 4) ist sehr einfach. Buch I und II enthalten Vorschriften für die Jünglinge, und zwar lehrt das erste, wo und wie man ein Mädchen gewinnen kann, das zweite, wie man das gewonnene festhalten muss. Dann nimmt das Gedicht einen neuen Anlauf und dreht im dritten Buche den Spiess um, indem es den Mädchen Belehrungen giebt, wie sie den Jünglingen gefallen können.")

Über den Namen des Gedichtes ist folgendes zu bemerken. Ovid selbst citiert es meist kurzweg als ars.6) Der erste Vers des Gedichtes legte den Namen ars amandi nahe, während die Handschriften ars amatoria haben.")

Die Entstehungszeit der Árs lässt sich mit annähernder Sicherheit bestimmen. Der Dichter hat uns selbst zwei Zeitindicien gegeben. Er spricht von der glänzenden Naumachie, die Augustus zur Einweihung des Marstempels veranstaltete ), und die nach

1) Vgl. Ribbeck, RD. II2 181. 2) Die in den Metamorphosen wiederkehrenden sind gesperrt gedruckt; vgl. den Kommentar zu den einzelnen Stellen. 3) Nämlich: Byblis (283 f.), Myrrha (285-288), Pasiphae (289-326), Aerope (327-330), Skylla (331 f.), Clytaemnestra (333 f.), Medea (335f.), Phthia (337), Phaedra (338), Eidothea (339 f.). 4) Die Einteilung in drei Bücher bezeugt auch trist. II 245: neve, quibus scribam, possis dubitare libellos, quattuor hos versus e tribus unus habet (folgt ars I 31-34). 5) Hier ist nur das Schema des ganzen Gedichtes angedeutet: die Disposition des Einzelnen ist aus dem Kommentar ersichtlich. Dass Ovid ursprünglich nur die beiden ersten Bücher plante, geht aus der partitio des Gedichtes (I 35-40) deutlich hervor. 6) So trist. II 303: scripta solis meretricibus Arte. Vgl. 240. 251. 345. V 12, 68. Pont. II 9, 73. 76. 10, 12. 11, 2. Ib. 6. 7) Zu erwähnen ist auch Ov. amor. II 18, 19: artes teneri profitemur Amoris. Vgl. auch Seneca controv. III 7 (p. 371 Burs.). 8) I 171 ff.

Velleius (II 100) am Ende des Jahres 2 v. Chr. stattfand. Dann erinnert er an den Auszug des jungen C. Caesar gegen die Parther im Jahre 1v. Chr.) Mithin wird die Abfassung des ersten Buches zwischen 2 u. 1 anzusetzen sein: es spricht nichts dagegen, dass die beiden andern Bücher in rascher Folge entstanden sind.")

1) I 179 ff. Peter, Geschichte Roms (1881) III 74. 2) Über die Zeitansetzung der ars vgl. die gründliche, aber etwas schwerfällige Untersuchung von Joh. Masson (P. Ovidii Nasonis Vita ordine chronologico digesta etc. Amstelod. 1708). Bequem zugänglich (zum grösseren Teile) in der Ovidausgabe von P. Burmann (IV voll. Amstel. 1727) in Bd. IV, appendix p. 29-120: zum Jahre 752 (p. 66 ff.). Vgl. auch J. Heuwes, de tempore, quo Ovidii amores, heroides, ars amatoria conscripta et edita sint. Münster 1883.

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