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die, wie sich jetzt schon ermessen läßt, von derjenigen FLEMMING'S verschieden sein wird').

Vor allem sind es die Wirbellosen, denen wir heutzutage unsere Aufmerksamkeit zuwenden müssen. Es sind zwar auf diesem Gebiete, ganz abgesehen von den ersten denkwürdigen Arbeiten BUTSCHLI'S, SCHNEIDER'S, O. HERTWIG'S u. a., beträchtliche Anfänge gemacht; PLATNER und in hervorragender Weise VAN BENEDEN haben unsere Kenntnisse wesentlich bereichert, und die ausgedehnten Untersuchungen CARNOY's erstrecken sich ja ausschließlich auf Zellen der Wirbellosen. Allein so wertvoll die Forschungen des letztgenannten Autors auch infolge des reichen Materials, das sie behandeln, sein mögen, so vermissen wir in denselben doch jene Sorgfalt und minutiöse Genauigkeit, welche bis jetzt fast nur den Zellen des Salamanders zu teil geworden sind und diesem Objekt, trotzdem der Verlauf der Teilung hier offenbar verwickelter ist als in vielen anderen Fällen, noch immer den Anspruch bewahren, den Typus der Karyokinese zu repräsentieren.

In Sonderheit ist es die Bildung, Konstitution und Bewegung der achromatischen Figur, und im Anschluß daran die fast noch völlig in Dunkel gehüllte Mechanik der Teilung, worüber wir bei den Wirbellosen die Aufklärung suchen müssen, welche die im übrigen so günstigen Amphibienzellen, wie es scheint, nur in sehr beschränktem Maße gewähren können. Gerade hier werden am fruchtbarsten die experimentellen Untersuchungen eingreifen, wie sie in neuester Zeit von den Brüdern HERTWIG 2) so erfolgreich begonnen worden sind.

Es ist ein Zufall, daß meine Untersuchungsobjekte zum Teil mit denjenigen CARNOY's identisch sind. Kurz nachdem ich an den Hodenzellen von Astacus meine Studien begonnen hatte, erschien das CARNOY'sche Werk: La cytodiérèse chez les arthropodes 3), und während ich die Ascarideneier untersuchte, folgten seine beiden Arbeiten: La cytodiérèse de l'oeuf 4), von denen sich

1) Meiner Meinung nach sind die FLEMMING'schen Bezeichnungen schon für die von ihm neuerdings beschriebene ,,heterotypische Teilung" nicht mehr zutreffend.

2) O. u. R. HERTWIG, Über den Befruchtungs- und Teilungsvorgang des tierischen Eies unter dem Einflufs äufserer Agentien. Jena 1887.

3) La Cellule, tom. I, fasc. 2.

4) La Cellule, tom. II, fasc. 1, und tom. III, fasc. 1.

die erste mit Ascaris megalocephala, die zweite mit einer Reihe anderer Nematoden beschäftigt.

Dieses Zusammentreffen war sowohl mir selbst von Wert, als es auch für den Fortschritt unserer theoretischen Erkenntnis der Karyokinese nicht ohne Bedeutung sein dürfte. Die genannten Arbeiten CARNOY'S besitzen ja alle drei einen sehr revolutionären Charakter, der in dem Satze: ,,Les phénomènes de la caryocinèse sont variables; aucun d'eux n'est essentiel" kaum scharf genug zum Ausdruck gelangt. CARNOY'S Resultate widersprechen allen als konstant betrachteten Erscheinungen und scheinen die durch eine Reihe der vorzüglichsten Untersuchungen mühsam erworbene Einsicht in das Wesen der karyokinetischen Prozesse mit einem Schlage illusorisch zu machen. Eine Nachprüfung seiner Befunde mußte früher oder später unternommen werden; sie wird zum Teil durch meine Arbeiten geliefert. Indem ich für einige der CARNOY'schen Objekte den Nachweis führen werde, daß seine Angaben irrtümlich sind, daß gerade seine extremsten Fälle sich völlig unter das Schema der Karyokinese einreihen lassen, wird nicht nur ein Teil der Hindernisse, welche seine Untersuchungen einer einheitlichen Auffassung in den Weg legen, beseitigt, sondern wir lernen dabei auch die Gründe, durch die er zu seinen Anschauungen geführt worden ist, so weit kennen, um auch für andere seiner Objekte einen Irrtum als höchst wahrscheinlich nach weisen zu können.

Befestigt sich auf solche Weise auch immer mehr die Überzeugung einer die ganze organische Welt umfassenden Gleichartigkeit der karyokinetischen Erscheinungen, so dürfen wir doch die Möglichkeit selbst fundamentaler Abweichungen von dem, was wir jetzt kennen, nicht aus den Augen verlieren. Zwar nicht Regellosigkeit haben wir nach den bisherigen Erfahrungen zu erwarten, wohl aber könnten wir bei gewissen Zellenarten auf Eigentümlichkeiten stoßen, die für diese ebenso wesentlich und gesetzmäßig wären, wie für andere der uns bekannte Teilungsmodus. Gerade solche spezifische Merkmale bestimmter Zellenarten aber wären imstande, über die Bedeutung der Teilungsphänomene und der Bestandteile von Zelle und Kern überhaupt Licht zu verbreiten. Erst in allerjüngster Zeit hat WEISMANN 1) in seiner ideenreichen Schrift über die Bedeutung der Richtungskörper, von

1) WEISMANN, Über die Zahl der Richtungskörper und über ihre Bedeutung für die Vererbung. Jena 1887.

theoretischen Erwägungen geleitet, ganz kategorisch einen von der gewöhnlichen Mitose abweichenden Teilungsmodus, eine sog. „Reduktionsteilung" postuliert, bei der die Hälfte der ungeteilte n Kernelemente in den einen, die andere Hälfte in den anderen Tochterkern übergehen soll. Auf solche Punkte müssen spezielle Untersuchungen gerichtet werden; in erster Linie dürfen wir von einer Prüfung der Geschlechtszellen Ausbeute erwarten.

Die Anregung, mich auf das Gebiet der Zellenlehre zu begeben, verdanke ich meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor RICHARD HERTWIG, der mir die karyokinetischen Figuren, die er in den Hodenzellen von Astacus beobachtet hatte, als ein interessantes Objekt zur Bearbeitung empfahl, indem ihm dieselben Anknüpfungspunkte an die Teilungserscheinungen bei den Protozöen darzubieten schienen. Für die Unterstützung, die mir Herr Professor HERTWIG bei meinen Arbeiten in jeder Hinsicht zu teil werden ließ, spreche ich ihm hier meinen herzlichsten Dank aus.

I. Teil.

Die Bildung der Richtungskörper bei Ascaris megalocephala und Ascaris lumbricoides.

Zur Untersuchung der Eireifung dieser Nematoden wurde ich bestimmt durch die Lektüre der großen Abhandlung VAN BENEDEN'S: Recherches sur la maturation de l'oeuf, la fécondation et la division cellulaire. Es ward einerseits der Wunsch in mir rege, die fundamentalen Thatsachen der Befruchtung an dem vorzüglichen und leicht zugänglichen Objekt VAN BENEDEN'S mit eigenen Augen zu sehen, andererseits schien mir die Bildung der Richtungskörper, wie sie dieser Forscher geschildert hatte, einer Nachprüfung wert zu sein. Damals noch in der Meinung befangen, die in den karyokinetischen Figuren hervortretenden Liniensysteme entsprächen den ,,Kraftlinien" zweier einander anziehender Punkte, glaubte ich in einzelnen Bildern der VAN BENEDEN'schen ,,Pseudokaryokinese" Kraftlinien, wie sie zwischen zwei einander abstoßenden Punkten auftreten, erkennen zu können.

Ich mußte mich lange gedulden, bis ich Ascaris megalocephala erhalten konnte, und so nahm ich einstweilen mit der viel weniger günstigen Ascaris lumbricoides vorlieb. Die Eier dieser Spezies waren mir jedoch insofern von Wert, als sie mich auf den Gedanken brachten, daß der von VAN BENEDEN geschilderte Prozeß der Eireifung auf schlechte Konservierung oder pathologische Veränderungen der Eier zurückzuführen sei, eine Vermutung, die sich in der Folge als richtig erwiesen hat.

A. Ascaris megalocephala.

Meine im folgenden zu beschreibende Untersuchung der Richtungskörperbildung bei den Eiern von Ascaris megalocephala ist die sechste Arbeit, die über diesen Gegenstand veröffentlicht wird. In den Jahren 1883 und 84 erschienen fast gleichzeitig drei Abhandlungen, in denen die Eireifung des Pferdespulwurms be

handelt wird, nämlich: „Das Ei und seine Befruchtung" von ANTON SCHNEIDER 1), „Über die Veränderungen der Geschlechtsprodukte bis zur Eifurchung" von M. NUSSBAUM 2) und das oben erwähnte Buch VAN BENEDEN'S3). Dann kam NUSSBAUM 4) in seiner ersten Mitteilung über die Teilbarkeit der lebendigen Materie auf den Gegenstand zurück, um gegenüber der Darstellung VAN BENEDEN'S seine früher gegebene neu zu bekräftigen. Endlich widmete CARNOY 5) seine Arbeit: ,,La cytodiérèse de l'oeuf" ausschließlich dem in Rede stehenden Vorgang.

Ein flüchtiges Betrachten schon der Abbildungen, welche diesen fünf Abhandlungen beigegeben sind, lehrt, wie bedeutend die Differenzen zwischen den vier Beobachtern sind, wie kaum eine Figur des einen Autors mit einer der drei anderen identisch ist. Trotzdem können wir die fünf Untersuchungen nach ihren Resultaten in zwei Gruppen sondern, drei, welche den Vorgang als eine karyokinetische Zellteilung darstellen: es sind dies die Arbeiten von SCHNEIDER und NUSSBAUM, die anderen, welche ihm wesentliche Abweichungen vom Schema der indirekten Zellteilung zuerkennen, sei es nun, daß dem Prozeß mit VAN BENEDEN eine völlig andere Bedeutung zugeschrieben wird, sei es, daß er mit CARNOY nur als eine besondere Art der karyokinetischen Teilung betrachtet wird, für welche ja nach diesem Autor kein einziger Punkt konstant ist. Ohne Zweifel müssen wir bei einer Kritik der einzelnen Untersuchungen auf dieses Moment Gewicht legen. Wenn ein neu beschriebener Vorgang in einen bewußten Gegensatz zu bekannten homologen Erscheinungen gestellt wird, so haben wir viel höhere Anforderungen an Ausführlichkeit und Lückenlosigkeit zu stellen als in einem Falle, wo das Resultat an schon Bekanntes angeschlossen, als damit im wesentlichen übereinstimmend erfunden wird.

Keine einzige der genannten Arbeiten giebt eine ganz kontinuierliche Serie von Bildern, aus welcher der behauptete Entwicklungsgang klar zu ersehen wäre, auch die Abhandlungen VAN BENEDEN'S und CARNOY'S nicht, obgleich dieselben mit einem Detail und einem Reichtum an Abbildungen ausgestattet sind, wie wenig andere Werke der Zellen-Litteratur.

Wenn ich nun im voraus in kurzen Worten andeuten soll,

1) Breslau 1883.

2) Archiv für mikroskop. Anatomie. Band 23, 1884.

3) Archives de Biologie, IV.

4) Archiv für mikroskop. Anatomie.
5) La Cellule, t. II, fasc. 1.

Band 26, 1886.

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