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sinnlich Wahrnehmbaren diese Bestimmung gemeinsam, zunächst nur Anlage zu sein; zur bestimmten Fertigkeit gelangt es erst durch die Berührung mit der Aussenwelt. Es ist nemlich jede Einwirkung von aussen zwiefach: einmal ist eine gewisse Vernichtung damit verbunden *), wie wenn das Wasser warm, das Holz verbrannt wird (φθορά τις ὑπὸ τοῦ ἐναντίου); zweitens ist diese Einwirkung vielmehr noch eine gewisse Erhaltung, insofern dadurch die Thätigkeit hervorgerufen und ausgebildet wird. Hierdurch ist nun die Antinomie zu lösen, wie der Geist denken möge,

*) Der Hamlet'sche Monolog, Act. I., S. 5, nach der Geisteserscheinung Aufnahme des Gedankens, durch den die Thätigkeit hervorgerufen wird — in welchem Monologe ein Vernichtungszustand und ein Verwischen und Abstossen des Fremdartigen, ein Unvermischtsein, zum Ausdruck kommt und die Aufnahme des Gedankens, nach dem Bilde des Aristoteles von der Schreibtafel, durch die Aufnahme des Thatbestandes in der Schreibtafel, symbolisirt wird, findet durch die nachfolgende Erörterung des Aristoteles seine Erklärung. Die Hamlet'sche Geistesentwicklung an dieser Stelle des Dramas (die Ekstase, das Erschauen des Absoluten vermittelst der Einbildungskraft) ist symbolisch für die Ekstase (Gottbegeisterung) des Dichters, wie dieselbe sich in der intellectuellen Anschauung der absoluten Identität, nach der Aristotelischen Theorie, zeigt, und versinnbildlicht die gleich darauf eintretende Hamlet'sche Negation seines mentalen Zustandes, der Scheinwahnsinn, die intellectuelle selbstverleugnende Thätigkeit des Dichters, wie dieselbe durch die Verwirklichung der Idee vermittelst des Begriffs der Negation erscheint. Wie in dem Hamlet'schen Sein ein Leidenszustand zur Erscheinung kommt, so ist ein solcher gerade durch die immanente Thätigkeit in der mit der Negation behafteten Materie auch für den Dichtergeist vorhanden. Für diesen Leidenszustand (Pathos) ist das Fegefeuer des Geistes sinnbildlich. Die Mitleids- und Furchterregung, wie diese die Aufgabe des tragischen Dichters ist, begründet den eigenen mitleids- und furchterregenden, den pathematischen Zustand des Geistes, das Kranksein in sittlicher Beziehung und das Sein im Purgatorium. Cfr. Sonette 118 und 119. Der angezogene Hamlet'sche Monolog nach Verschwinden des Geistes

lautet:

O Herr des Himmels! Erde! Was noch sonst?

Nenn' ich die Hölle mit? O pfui! Halt, halt mein Herz!
Ihr meine Sehnen, altert nicht sogleich,

Tragt fest mich aufrecht! Dein gedenken? Ja,

Du armer Geist, so lang' Gedächtniss haust

In dem zerstörten Ball hier. Dein gedenken?
Ja, von der Tafel der Erinn'rung will ich
Weglöschen alle thörichten Geschichten,
Aus Büchern alle Sprüche, alle Bilder,
Die Spuren des Vergang'nen, welche da
Die Jugend einschrieb und Beobachtung;
Und dein Gebot soll leben ganz allein
Im Buche meines Hirnes, unvermischt
Mit minder würd'gen Dingen.

O höchst verderblich Weib!

Ja, beim Himmel.

O Schurke! lächelnder, verdammter Schurke!
Schreibtafel her! Ich muss mir's niederschreiben,
Dass einer lächeln kann, und immer lächeln,
Und doch ein Schurke sein; zum wenigsten
Weiss ich gewiss, in Dän'mark kann's so sein.
Da steht ihr, Oheim. Jetzt zu meiner Losung!
Sie heisst: »Ade, ade! gedenke mein!<<
Ich hab's geschworen.

wenn das Denken ein Leiden ist. Was dem Denken äusserlich gegenüber steht, ist nicht ein ihm Fremdes, sondern die Dinge sind an sich das Vernünftige, das Denkbare, so dass hierdurch die eigene Thätigkeit der denkenden Vernunft hervorgerufen wird, welche in dem Gegenständlichen sich selbst wiederfindet. Durch die Aufnahme des Denkbaren denkt die Vernunft sich selbst; sie wird zuerst das Denkbare als berührend und denkend; sie gewinnt erst einen Inhalt, indem gedacht wird, und sie ist nichts der Wirklichkeit nach, bevor sie nicht ihrer Anlage gemäss thätig gewesen, sondern gleicht einer Schreibtafel, auf welcher nichts Geschriebenes der Wirklichkeit nach vorhanden ist; sie ist so nur Alles erst an sich. Aber das Ziel ist die Thätigkeit und nur ihretwegen erhält man das Vermögen. Betrachtet man nun die einzelnen Stufen des gesammten Seelenlebens, so giebt sich in denselben eine Beziehung der höhern auf die niedere zu erkennen, und zwar so, dass die niedere der höheren zur Voraussetzung dient, in dieser aber zur vollendeteren Wirksamkeit gelangt*). Die niedrigste Lebensstufe ist die des vegetativen Lebens, worauf das Pflanzenleben beschränkt bleibt**); die mittlere ist das sinnliche Leben, welches auf der empfindenden Thätigkeit der Seele beruht und von den Thieren erreicht wird; die oberste Stufe ist das geistige Leben der Menschen ***). Die mittlere Stufe kann

*) Cfr. Hamlet Act I., S. 3.

Denn die Natur, aufstrebend, nimmt nicht bloss

An Gröss' und Sehnen zu; wie dieser Tempel wächst,

So wird der inn're Dienst von Seel' und Geist

Auch weit mit ihm.

**) Auf diese niedrigste Lebensstufe alludirt der Geist Hamlet gegenüber, wenn er sagt: (Act I., S. 5.)

Auch wärst du träger, als das feiste Kraut,

Das ruhig Wurzel treibt an Lethe's Bord,
Erwachtest du nicht hier.

***) Auf die mittlere und oberste Stufe des Seelenlebens beziehen sich die Worte Hamlet's in dem Monologe des 4. Actes:

Was ist der Mensch,

Wenn seiner Zeit Gewinn, sein höchstes Gut

Nur Schlaf und Essen ist? Ein Vieh, nichts weiter.

Gewiss, der uns mit solcher Denkkraft schuf,

Voraus zu schau'n und rückwärts, gab uns nicht

Die Fähigkeit und göttliche Vernunft,

Um ungebraucht in uns zu schimmeln.

In der Originalsprache heisst es:

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»Sure, he, that made us with such large discourse,
Looking before and after, gave us not

That capability and godlike reason,

To fust in us unus'd.<<

Wie hier in dem letzten Monologe Hamlet's, so kommt auch in dem ersten Monologe Act I., S. 2 die Bezeichnung »discourse of reason<< vor, über welche Dr. Heussi »Shakespeare's Hamlet« S. 142 bemerkt: >>Discourse, das Vermögen, aus Vordersätzen, Prämissen oder Voraussetzungen Schlüsse zu ziehen, das Vermögen zu schliessen. Dis

nicht sein ohne die erste und die oberste nicht ohne die beiden anderen. Die vegetative Seele assimilirt sich das Materielle; in derselben ist der Ernährungsprocess begründet. Die empfindende Seele nimmt die Form auf ohne das Materielle, wie das Wasser nur die Form des goldenen Ringes annimmt ohne das Gold selbst. Es findet in der Passivität des Emfindens nur ein Verhältniss zur Form statt, diese wird in die substanzielle Einheit der Seele aufgenommen. Die denkende Seele nimmt nicht die sinnliche Einzelform auf, sondern, sobald ihre Thätigkeit eintritt, so wehrt sie in ihrem reinen, unvermischten Sein das Fremdartige ab, was sie in ihrer Thätigkeit stören könnte. In diesem Abstossen des Fremdartigen besteht die Unabhängigkeit des Denkens von den Gegensätzen des Materiellen, welche die Empfindung noch nicht beherrscht; denn diese kann durch das allzugewaltige Hervortreten der Gegensätze gestört werden. Der Sinn kann nicht empfinden nach dem stark Empfindbaren; der Geist hingegen, wenn er etwas ausserordentlich Denkbares gedacht hat, denkt nichts desto weniger das Geringere, sondern sogar noch mehr. Das Sinnliche ist nicht ohne Körper, der Geist aber ist an und für sich. Er muss, weil er Alles denkt, unvermischt sein, wie Anaxagoras sagt, um bezwingen, d. h. um erkennen zu können. Es giebt daher auch für ihn kein besonderes körperliches Organ, wie ein solches für jeden einzelnen Sinn vorhanden ist; auf diese Weise ist er nicht afficirbar, sondern nur empfänglich für die Formbestimmung, so dass er keine andere Natur haben kann, als nur diese, nach welcher er das Mögliche ist, oder diejenige Anlage, vermöge welcher er das Vernünftige in den Formbestimmungen des natürlichen Seins aufnimmt und zu Allem werden kann. Doch als solcher ist der Geist noch nicht selbstthätig (di avtov vegyet), sondern nur receptiv (лαIηtixós) und endlich (pagros). Dies endliche Denken als Einheit und Inbegriff der niederen Seelenvermögen kommt erst zu seiner Vollendung durch die eigene schöpferische Thätigkeit der Vernunft (άνευ τούτου [se. ποιητικοῦ νοῦ] οὐδὲν νοεῖ). Was die

course of reason bezeichnet dann die Fähigkeit als eine der Vernunft inhärirende, ihr zukommende. Durch die Verbindung der beiden Begriffe scheint das Vermögen zu schliessen als eine besondere, einzelne Thätigkeit der Vernunft überhaupt ausgeschieden oder hervorgehoben werden zu sollen. In Troil. and Cress. II. 2 auch im Hamlet 170 kommt es wieder vor. Das Ganze beruht auf einer Anschauungsweise des Zeitalters.<<

In Hinsicht auf letztere Auffassung erlauben wir uns ergänzend zu bemerken, dass die mit dem »discourse« Act. IV. S. 4 (170 bei Heussi) in Verbindung gesetzte Bezeichnung »godlike reason« die Vernunftthätigkeit des Geistes in ihrem Anundfürsichsein, als, nach der Aristotelischen Theorie, Gemeinschaft mit dem göttlichen Wesen habend, anzudeuten bestimmt ist.

denkende Vernunft aufnimmt, ist der Gedanke und nach der Aufnahme desselben denkt sie sich selbst, so dass der Gedanke und das Denkbare dasselbe ist. Selbstthätig ist sie erst, wenn sie das Gegenständliche in sich hat, und sich zu dem Gedachten nicht mehr als zu einem äusserlich Gegebenen verhält, sondern, in ihrer Identität mit dem Objectiven dieses selbstthätig aus sich entwickelt. Demnach tritt auch im Geiste, gleichwie in allem Natürlichen, derselbe Unterschied hervor, nach welchem das Eine sich verhält als das Materielle, woraus etwas wird; das Andere als die Ursache und das Thätige, wodurch Alles bewirkt wird. Die Vernunft ist nun ein solches, insofern sie theils Alles werden kann, theils Alles machen, wie eine wirksame, fertige Kraft, die ebenso die Gegenstände des endlichen Denkens in ihrer ideellen Wahrheit zur Anschauung bringt, wie das Licht die Farben erst wahrhaft erscheinen lässt *). Diese fertige wirksame Kraft, in welcher der Geist sich selbst vollendet, ist als solche vielfach vermittelt und setzt die untergeordneten Richtungen des gesammten Seelenlebens nothwendig voraus; sie ist das Werk der eigenen Thätigkeit des Geistes, seine Thätigkeit ist seine Arbeit, und, was er aus sich erzeugt, seine geistige Errungenschaft. Nur die Anlage hierzu ist angeboren, zur Selbstthätigkeit der Vernunft muss er sich selbst emporarbeiten; hat er diese erreicht, so verhält er sich zu dem in dem vous лantizós gegenständlich gewordenen Formbestimmungen nicht wie zu einer ungeistigen Welt, sondern erkennt darin seine eigenen Bestimmungen wieder und erzeugt in dieser Identität mit dem objectiven Gehalt der in der Natur sich offenbarenden Vernunft die wahrhafte Wissenschaft, welche den Dingen gleich ist, indem er dieselben in ihrer ideellen Wahrheit aus sich selbst entwickelt. In dieser seiner höchsten Vernunftthätigkeit ist der

* Auf diesem Gleichnisse des Aristoteles beruht die Zurückführung und Beziehung aller Farben auf das in den Sonetten Shakespeare's besungene Wesen, welches die Vernunft des Sonettisten in ihrem Anundfürsichsein ist. In dem Sonett 20 heisst es bildlich von dem Augenlichte des Geliebten, dass es >>Gilding the object whereupon it gazeth« und er wird als »a man in hue, all hues in his controlling« bezeichnet, wie auch in dem Sonett 98 der Geliebte in Beziehung zu den Farben der Blumen gesetzt und gesagt wird, diese seien: »drawn after you; you pattern of all those.<< Nach der Farbentheorie des Aristoteles ist die weisse Farbe diejenige, welche als Maass das Eigenthümliche enthält, die schwarze Farbe ist die Negation, beide verhalten sich zu einander wie das Licht zur Finsterniss. Das Licht und die weisse Farbe muss daher auf das Wesen der Liebe, den denkenden Geist, bezogen werden; beide Farben weissschwarz, silver-sable- aber auf dessen Thätigkeit in der mit der Negation behafteten Materie, weshalb denn auch als ein besonderes der im Fegefeuer schmachtenden geistigen Persönlichkeit im Drama Hamlet eigenthümliches Zeichen das »sable-silver« im Barte desselben erscheint, und dieselbe verdammt ist die Nacht (Bild der Negation) zu beschreiten, »to walk the night.< Act IS 5.

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Geist die absolute Macht über die idealen Formbestimmungen, durch welche die endliche Welt erst Sein und Wahrheit erhält, und als diese Macht ist er das gegensatzlose Princip, welches alle Formbestimmungen mit ihren Gegensätzen enthält und setzt, und somit als das Princip der Principien stets die übergreifende Einheit ist *), der nichts entgegensteht, die in ihrer Thätigkeit sich auf sich selbst bezieht, sich selbst erfasst und in diesem Anundfürsichsein ewig und unvergänglich ist **). In dieser höchsten Vernunftthätigkeit hat der Mensch Gemeinschaft mit dem göttlichen Wesen; denn das Denken seiner selbst hat zum Gegenstand das an und für sich Beste, und das vorzüglichste Denken das Vorzüglichste. Gott enthält in sich selbst das höchste Gut und ist von Ewigkeit her das, was er ist; er ist keiner Handlung bedürftig, durch welche er etwas erlange; er hat in sich selbst dasjenige, um dessen willen alles Uebrige wirksam und thätig ist. Gott ist daher nicht handelnde, sondern theoretische Vernunft; sein Denken ist That, und seine Thaten sind die lebensvollen Principien, welche von dem Materiellen erstrebt werden und die schaffend und wirksam sich durch alle Sphären des Universums hindurchziehen, sie ordnen, beleben und beseelen. Gott ist die höchste ordnende Einheit, welche sich in allen Kreisen der gesammten Welt offenbart, der jedem einzelnen Naturwesen die Bestimmung verleiht, nach seiner Eigenthümlichkeit wirksam zu sein, und der als die absolute Macht das Ganze zusammenhält; er ist die lebendige Quelle alles Lebens; in ihm wohnt das Leben; denn die Thätigkeit der Vernunft ist Leben, und sie ist die Thätigkeit; die Thätigkeit an und für sich ist ihr herrlichstes und ewiges Leben. Als die absolute Idee ist Gott daher die höchste sich selbst denkende Vernunft, die in ihrer Thätigkeit sich nur auf sich selbst bezieht, und in dem Anschauen ihrer selbst nur gerichtet ist auf die ideellen Formbestimmungen und Zweckbegriffe, welche der materiellen Welt Sein und Wahrheit geben. In diesem theoretischen, rein beschaulichen Vernunftleben ist Gott Schöpfer und Erhalter, Regierer und Ordner der Welt. An seinem Gedanken hängt Himmel und Erde, und in der Anschauung seiner selbst führt er das seligste Leben, wie es uns nur für kurze Zeit zu Theil wird und nicht für immer zu Theil werden kann. Die sich selbst denkende Vernunft ist also der absolute Endzweck, sie ist an und für sich und um ihrer selbst willen. An diesem höchsten

*) Hinsichtlich der Qualität Shakespeares als übergreifenden Einheit cfr. auch Gervinus »Shakespeare<< II. S. 495.

**) Cfr. Sonett 18, 55, 81, 107.

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