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Druck von Carl Adelmann in Frankfurt a. M.

Vorrede.

Der vorliegende dritte Band der Geschichte der dramatischen Literatur und Kunst in Spanien sollte nach der anfänglichen Berechnung zu gleicher Zeit mit den beiden ersten ausgegeben werden, und nur zufällige, von meinem Willen unabhängige, Umstände haben dessen Erscheinen um fast ein Jahr verzögert.

Wenn die weitschichtige Arbeit, deren Schluß ich hiermit der Oeffentlichkeit übergebe, dazu beiträge, die seit lange entschlummerte Neigung für die spanische Poesie von Neuem zu erwecken und die nähere Kenntniß derselben zu befördern, so würde mir dies freilich schon allein eine Befriedigung gewähren; aber wie Bouterwek in seiner Vorrede sagte, nur dann würde er glauben, sein Geschichtswerk nicht umsonst geschrieben zu haben, wenn dasselbe durch die schönen Töne von Süden her den deutschen Geist zu neuer Selbstthätigkeit belebte, so will auch ich nicht verschweigen, daß mich noch andere Hoffnungen und Wünsche bei dem Unternehmen beseelt und mir die Lust und Ausdauer bei der Ausführung des=

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selben wach erhalten haben. Diese Hoffnungen waren auf einen, wenn auch nur indirecten, Einfluß gerichtet, den die Kenntniß der dramatischen Literatur der Spanier auf die Regeneration der deutschen Bühne ausüben könnte. Es liegt außerhalb des Kreises literar-historischer Werke, unmittelbar in das Leben und Schaffen der Poesie einzugreifen: aber den dichterischen Kräften die Richtungen zeigen, in welchen sie Erfolge zu suchen haben, ihren Gesichtskreis erweitern, sie mit neuen Anschauungen bereichern das vermögen sie. Welche große Lehre nun aus der Geschichte des spanischen Theaters in seiner Blüthe und in seinem Verfall zu ziehen. sei, wie das Drama ein volksthümliches sein, wie es die gesammten Elemente einer Nation befriedigen und deren höchste und heiligste Interessen in seinen Kreis ziehen müsse, wie das Selbständige, auf einheimische Bedingungen Gegründete in Geist und Form seinen Grund und Boden bilde, darüber hat sich das Werk selbst zur Genüge ausgesprochen. Durch diese Erkenntniß aber ist weder die Schule, die wir in den fremden Literaturen machen können, noch die freie und selbst= thätige Aneignung des Ausländischen verdammt. Der Bekanntschaft mit Shakspeare verdanken wir so ziemlich Alles, was in der dramatischen Production Deutschlands gehaltvoll ist; die nähere Kenntniß der Spanier könnte uns in gleicher Weise die fruchtbringendsten Anregungen geben und eine neue Aera des deutschen Theaters her

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beiführen helfen. Wenn es unserer Schauspielpoeste bet dem unsäglich engen Kreise, in dem sie sich bewegt, besonders wünschenswerth sein muß, neuer Ideen und Stoffe theilhaftig zu werden, welche unerschöpfliche Fundgrube von Motiven und Erfindungen bietet ihr die spanische Bühne dar! In noch viel höherem Maaße aber verdienen Calderon, Lope und die Anderen ihrer Zeit in Bezug auf die Kunst der dramatischen Gestaltung und auf die Verbindung von scenischer Wirksam= keit mit poetischer Kraft in ihren Stücken studirt zu werden. Es ist wahr, schon einmal hat das deutsche Drama aus dem spanischen Nahrung gezogen, und es mag zugegeben werden, daß die Ernte nur kläglich ausgefallen ist: aber es wäre traurig, wenn der erste, durch die Schuld derer, die ihn anstellten, mißglückte Versuch von neuen und wiederholten abschrecken sollte. — Denn wie sind bisher die Spanier nachgeahmt worden! Statt sich an das Wesentliche und Ewige in ihren Werken zu halten, hat man nur die äußere Form derselben in's Auge gefaßt und diese auf die ungeschickteste Art nachgebildet oder vielmehr parodirt. In der That, was haben die deutschen Dramen im sogenannten spanischen Style, ich sage nicht mit Calderon, sondern nur mit schlechten Calderons-Übersetzungen gemein, als die wechselnden Reimarten und Assonanzen, die überall das Mühselige und Qualvolle der Arbeit zur Schau tragen und bei allen Ansprüchen auf Kunstfertigkeit in einer

Weise gehandhabt sind, als wenn das metrische Schema das allein Wichtige wäre, die Rohheit und Ungeschlacht= heit der Sprache aber, die hineingezwängt wird, nicht weiter in Betracht käme? Dem Gehalte nach kann nichts verschiedener sein; statt der Lebendigkeit und sinnlichen Klarheit, mit welcher die Spanier selbst das Geheimnißvollste darzustellen wußten, finden wir bei ihren deutschen Nachahmern einen nebelgrauen Wirrwarr erkünftelter Empfindungen, eine süßliche durchaus anwidernde Frömmelei; statt der hochausgebildeten dramati= schen Kunstform eine so gänzliche Abwesenheit aller Composition, daß man sich zu den ersten Anfängen des Theaters zurückversezt glaubt. Faßt man gar die Dramen der Schicksalspoeten in's Auge, die sich auf Calderon zu stüßen wähnten, so finden sich in ihnen die spanischen Formen auf's Aergste mißhandelt, insofern an die Stelle der in strenger Gesezmäßigkeit und sonorer Anmuth hingleitenden Redondillen und Romanzen jene,,widersinnigen hiatusreichen Halbtrochäen tre= ten, in denen bald ein Reim sich findet, bald auch wieder nicht," an die Stelle der aus dichterischer Anschauung hervorgeblühten Bilderpracht hohle und be= deutungslose Phrasen, die sich zu jener verhalten mögen, wie Leierkastenstücke zu einer Beethoven'schen Symphonie; von Geist und Gehalt kann bei diesen Machwerken ohnedies nicht die Rede sein. Es wäre Beleidigung, wenn man die umfangreichen dramatischen

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