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Jahres 19 Augustus auf einer Rückkehr aus dem Orient dort eintraf. In seinem Gefolge unternahm der Dichter einen Ausflug nach Megara. Aber bei Besichtigung der Stadt traf ihn ein Hitzschlag, von dessen Folgen er sich nicht wieder erholen sollte. Er trat mit dem Kaiser die Heimkehr nach Italien an, allein selbst die Seeluft brachte nicht die gehoffte Genesung. Wenige Tage nach der Landung in Brundisium verstarb er am 20. September. Die der Überlieferung nach von ihm selbst angesichts des Todes diktierte Grabschrift mit den wichtigsten Daten seines Lebens und Schaffens lautet:

Mantua me genuit, Calabri rapuere, tenet nunc
Parthenope; cecini pascua, rura, duces.

Nahe seiner Lieblingsstadt Neapel an der Straße nach Puteoli fanden seine Gebeine die letzte Ruhestatt.

Seinem Äußern nach wird er geschildert als lange Gestalt mit stark gebräuntem Antlitz. Seine Gesundheit war häufig Anfechtungen ausgesetzt, z. B. wird berichtet, daß er häufig von Bluthusten heimgesucht war. Zum Gegenstand der Neugierde oder öffentlicher Huldigungen zu werden widerstrebte ihm bei seinem schüchternen und zurückhaltenden Wesen so sehr, daß er sich oft den Blicken des angesammelten Volkes durch Flucht in das erste beste zunächst gelegene Haus zu entziehen suchte.

Über die Lauterkeit seines Charakters sind seine Zeitgenossen des Lobes voll. Ehrt ihn schon das innige Verhältnis zu Mäcenas, der bekanntlich in der Wahl seiner Freunde äußerst wählerisch war, sowie die aufrichtige Hochachtung des Augustus, so rühmt ihn noch mehr das Urteil des Horaz, der ihn optimus und anima candida nennt. Bezeichnend für seine Sittenreinheit ist der Beiname Parthenias, der Jungfräuliche, den er in dem zügellosen Neapel erhalten haben soll. Verheiratet war er nie, verrät aber in seinen Dichtungen ein tiefes Verständnis für das Seelenleben des Weibes, für Liebeslust und Liebesweh, für Elternglück und Elternschmerz, sowie für die Innigkeit glücklichen Familienlebens.

Als Dichter schuf er nicht mit der Leichtigkeit des Genies. Nur langsam schritten seine Werke weiter, so daß nach einem ursprünglich in Prosa niedergeschriebenen Entwurfe als Ergebnis des Tagewerks kaum etwa dreißig Verse vor seinen Augen Gnade fanden, denen er, wie er sagt, mühsam Gestalt gegeben hatte, gleich der Bärin, die ihre Jungen durch Lecken aus rohen Fleischklumpen zu formen pflegte. Bezeichnend für seine Gewissenhaftigkeit, zugleich aber auch für die Grenzen, die seiner Begabung gesteckt waren, ist die Tatsache, daß er niemals mit mehreren Entwürfen gleichzeitig beschäftigt war, sondern erst nach Erledigung einer Aufgabe sich einer auderen zuwandte.

Als früheste Erzeugnisse seiner Muse sind eine Anzahl von

Gedichten überliefert, bei denen seine Urheberschaft entweder nicht vor allem Zweifel gesichert oder ganz unmöglich ist. Letzteres gilt von epischen Versuchen, wie Culex, Ciris, Ätna, Dirae. Eher wäre man nicht abgeneigt, das wohlgelungene Genrebildchen Moretum, der Kräuterkloß, den Bericht von der Herstellung dieser ländlichen Speise, oder das Lied der Schenkin (Copa), die den vorüberziehenden Reisenden zum Verweilen einlädt, unserem Dichter zuzuschreiben. Auch von den unter dem Titel Catalecta oder Catalepton gesammelten poetischen Tändeleien mag eine oder die andere den Namen des Verfassers zu Recht tragen, wie der Abschied an die Rhetorenschule oder die Elegie auf die gastliche Villa Sirons.

Sein erstes größeres Werk sind die in den Jahren 41-39 entstandenen Bucolica, in zehn Eclogae, Idyllen, meist in Gesprächsform, im Tone des sizilischen Dichters Theokrit, den er so eingehend studiert und so ausgiebig benutzt hat, daß man seine Arbeit nur als eine Art kunstvoller Mosaik aus Stellen seines Vorbildes hat bezeichnen wollen. Aber nicht ganz zutreffend; denn in der Schilderung des Schauplatzes, der Gefilde seiner Heimat, verfährt er durchaus selbständig; noch mehr gilt dies von dem düsteren Hintergrunde einer Anzahl dieser Einzellieder, den eigenen schmerzlichen Erlebnissen ihres Verfassers und seiner Landsleute, der gewaltsam von Haus und Hof getriebenen mantuanischen Bauern. Über die in den Gedichten genannten Personen sind mancherlei Deutungen versucht worden, aber durchsichtig ist nur das Pseudonym Menalkas für Virgil selbst. Die überlieferte Reihenfolge der Eklogen entspricht nicht durchaus der Zeit ihrer Entstehung; so ist z. B. die erste erweislich nach der zweiten und dritten entstanden. Zu Berühmtheit ist besonders die nicht in Gesprächsform gehaltene vierte gelangt, die, an Asinius Pollio gerichtet, die Geburt eines Knaben, seines im Jahre 41 zur Welt gekommenen Sohnes, prophezeit, im Anschlusse daran den Anbruch eines glücklichen und friedlichen Zeitalters verheißt und in späteren Jahrhunderten sogar als messianische Weissagung gedeutet worden ist.

Entstanden sind die Gedichte in den Jahren 41-39 v. Chr. Nicht weniger als sieben Jahre (37-30) beanspruchten die vier Bücher vom Landbau, Georgica, die nach dem eigenen Zeugnis ihres Verfassers auf Anregung des Mäcenas geschaffen wurden. Der einsichtvolle Staatsmann konnte sich nicht verhehlen, daß an der immer deutlicher zu Tage tretenden Entartung der Bewohner Italiens und an ihrer Unlust zu geregelter Arbeit die Entfremdung von der Landwirtschaft die Hauptschuld trug. Er veranlaßte daher seinen Freund, die einst so hoch, jetzt aber gering geachtete und als veraltet angesehene Tätigkeit durch poetische Darstellung wieder zu Ehren zu bringen und zu verklären. Der Stoff dazu fand sich reichlich in der älteren römischen Literatur; als dichte

risches Vorbild dienten dabei die „,Werke und Tage" des böotischen Dichters Hesiodos aus Askrä*), eine Art Bauernkalender mit Anweisungen für den Betrieb der Landwirtschaft, mit Lebens- und Wetterregeln u. a. Virgil behandelte in vier Büchern den Ackerbau, die Zucht der Viehes, der Bäume und der Bienen und verstand es meisterlich, den etwas spröden und alltäglichen Gegenstand mit allerlei Reizen zu umkleiden. Häufige Ausblicke in die gestaltenreiche Welt der griechischen Mythologie, Schilderungen fremder Länder und Völker, Gleichnisse, z. T. nach Homerischen Vorbildern, Anspielungen auf Ereignisse der Gegenwart, Gemälde von großartigen und furchtbaren Naturereignissen wechseln ab mit anmutiger Kleinmalerei aus dem Leben des Landmannes, wobei der Dichter in der Erinnerung an das eigene Vaterhaus so recht aus dem Vollen schöpfen konnte. Wohl mit Recht hat man daher seine Georgica als das eigenartigste und gelungenste Erzeugnis seiner Muse, ja als eine der wertvollsten Schöpfungen des Römertums überhaupt bezeichnet.

Das Interesse des Kaisers an dem Werke wird durch die Tatsache bezeugt, daß er im Jahre 29, als er sich wegen Krankheit zu einem unfreiwilligen Aufenthalt zu Atella in Kampanien gezwungen sah, sich das ganze Gedicht von dem Verfasser und Mäcenas abwechselnd vorlesen ließ. Noch ehrender war die improvisierte Huldigung der im Theater versammelten Zuschauermenge, die sich beim Vortrage einiger Verse aus den Georgica zu Ehren des anwesenden Dichters erhob und ihm so dieselben Ehren wie dem Monarchen erwies.

Schon während Virgil an den Hirtengedichten arbeitete, trug er sich mit dem Gedanken, die sturmbewegte, ereignisvolle Gegenwart in einem Heldenliede zu besingen, und versprach dem Landverteilungskommisar Alfenus Varus darin eine ehrenvolle Erwähnung. Noch deutlicher äußerte er sich über seinen Plan im dritten der Bücher über den Landbau, wo er verspricht, bald von den heißen Kämpfen des Cäsar zu singen und dessen Namen für alle Zeiten unsterblich zu machen. Aber in der richtigen Erkenntnis, daß die Verarbeitung der jüngsten Vergangenheit zu einem epischen Liede immer eine mißliche Aufgabe sein würde, nach den Angaben des Altertums sogar auf persönlichen Wunsch des Fürsten, verzichtete er auf seinen ursprünglichen Plan und wählte als Helden seiner Dichtung zum Preise des Römervolks und seines Herrschers den sagenhaften Ahnherrn des julischen Hauses, den Troer Äneas, dessen. Erlebnisse bei dem Fall seiner Vaterstadt und auf seinen Wanderungen schon in der nachhomerischen Dichtung besungen worden waren. An Vorgängern in der Behandlung dieses Stoffes fehlte es auch in der römischen Literatur nicht. Schon der geniale Kampanier

*) Ascraeumque cano Romana per oppida carmen, Geo. II, 176.

So

Nävius hatte in seinem „Primum bellum Punicum" den Nationalhaß zwischen Rom und Karthago auf das Zerwürfnis zwischen Äneas und Dido zurückgeführt, und manch neuer Zug jener Sage mag sich in den Annalen des Ennius gefunden haben. Weitere Beiträge lieferte dem Dichter das Studium älterer Werke über Verfassungs- und Religionsgeschichte des Staates, für die Form der begeisterte Lobredner der epikureischen Philosophie, T. Lucretius Carus. In der Anlage und Sprache aber griff er zurück auf das Vorbild alles Heldensanges im Altertum, auf Homer, dessen Odyssee er in den ersten sechs Büchern, dem Berichte von den Abenteuern des frommen Trojaners bis zur Landung in Italien, vor Augen hat, während ihm in der zweiten Hälfte, bei der Schilderung der Kämpfe um Lavinias Hand bis zum Falle seines Nebenbuhlers Turnus, die Ilias als Muster diente. Aber es hieße dem Dichter unrecht tun, wollte man ihn sklavischer Nachahmung bezichtigen. Wohl entsinnt man sich auf Schritt und Tritt und bei der Anlage der einzelnen Bücher unschwer des griechischen Vorbilds, aber gleichzeitig hat man Gelegenheit, sich von der Freiheit zu überzeugen, die sich der Nachahmer gewahrt, und von dem Bestreben, die homerische Reminiszenz auf andere Ereignisse und andere Verhältnisse zu übertragen, kurz, mit römischem Geiste zu erfüllen. fehlt im ersten Buche beim festlichen Mahle nicht der Sänger, der die Gäste mit seinem Liede zu unterhalten weiß, ein Gegenstück zum Sänger Demodokos am Phäakenhofe, aber er berichtet nicht von den Heldentaten der jüngsten Zeit; dem Geschmacke der damaligen Römer zuliebe behandelt er Fragen aus der Astronomie und Geographie; bei der Schilderung der Leichenspiele erkennt man die Wettkämpfe zu Ehren des Patroklos wieder, doch den Glanzpunkt der Veranstaltungen bildet ein Preisrudern an derselben Küste, wo dereinst römische Schiffe den ersten Waffengang zwischen Rom und Karthago endgültig zu gunsten ihres Volkes entscheiden sollten; die Fahrt des Helden ins Schattenreich gemahnt an das gleiche Wagnis des Odysseus; indes schon die Begegnungen mit den Abgeschiedenen lassen die Selbständigkeit des römischen Dichters nicht vermissen, der seinen Gesang in eine schwungvolle Prophezeiung von Roms Heldentaten und Herrscherberuf ausklingen läßt. Eine Ergänzung dazu bildet die Beschreibung des für Äneas gefertigten Schildes, der nicht wie der des Achill Bilder aus Natur und Menschenleben, sondern aus der großen Vergangenheit und Gegenwart der Weltgebieter aufweist, ganz im Sinne eines Volkes, das in allen seinen Schichten den regsten Anteil am Staatsleben bewies. Ebensowenig darf gegen den Dichter der Vorwurf höfischer Schmeichelei gegen den Kaiser und sein Haus erhoben werden, als habe er nur dem julischen Geschlechte und dessen bedeutendsten Vertretern Weihrauch streuen wollen. Sein Ziel war ein höheres. In seinem Helden sollte das schwer entartete Römervolk den InVirgils Aeneide, von Kappes - Fickelscherer. 6. Aufl.

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begriff aller Tugenden erblicken, durch die seine Vorfahren groß und mächtig geworden waren, der pietas, fides, fortitudo und constantia. An einem solchen Vorbilde sollte die Mitwelt sich in sittlicher Wiedergeburt von neuem aufrichten. Wenn dabei gelegentlich der Schöpfer der Monarchie und seine Taten in überschwenglicher Begeisterung gepriesen werden, so wird niemand, der je die Zeiten großer nationaler Erfolge erlebt und die Huldigung und Verehrung für die Helden jener Tage geteilt hat, darin etwas Befremdendes finden. Auch ein Römer aus jener Zeit mochte, sofern er politische Urteilsfähigkeit besaß, in der Aufrichtung der Monarchie durch Augustus die einzige glückliche Lösung nach so vielen Verwicklungen und Drangsalen erblicken, die den Frieden im Innern, die Sittlichkeit und den Wohlstand der Bürgerschaft so schweren Erschütterungen ausgesetzt hatten.

Das Werk war zwar schon im Jahre 26 v. Chr. von dem zeitgenössischen Dichter Properz im Tone der Begeisterung der Nation angezeigt worden*), aber selbst sieben Jahre später war es noch nicht abgeschlossen. Nur einige Gesänge, sicher das sechste, außerdem vermutlich das zweite und vierte Buch hatte der Dichter mit dem unnachahmlichen Wohllaut seiner Sprache am Kaiserhofe vorgelesen. Viele Hexameter waren noch nicht einmal vollständig; noch manche Stelle harrte der Überarbeitung, noch mancher Widerspruch war zu beseitigen. Darum befahl er schon vor seiner Abreise nach Griechenland, noch dringender auf seinem Sterbebette, nach seinem Tode die ganze Dichtung zu verbrennen. Nur den ernstlichsten Vorstellungen seiner Vertrauten gelang es, ihn zur Zurücknahme des harten Verdikts zu bewegen. Er überließ die Äneis den beiden Freunden Plotius Tucca und Lucius Varius zur Veröffentlichung, aber mit der Bestimmung, nichts hinzuzusetzen, sondern nur zu streichen, was bei ihnen Anstoß erregte. Nach der Überlieferung des Altertums sollen sie dies nur an zwei Stellen getan, im übrigen ihres Amtes pietätvoll gewartet haben.

Trotzdem daß die Äneis unvollendet geblieben ist, fand sie doch von ihrem Erscheinen an die allgemeinste Bewunderung. Sie wurde rasch zum Schulbuche und verdrängte alle Werke der Vorgänger; Grammatiker befaßten sich mit der Ausarbeitung umfänglicher Erklärungen, wie solche in dem noch erhaltenen Kommentar des Servius Maurus Honoratus, freilich aus ungleichwertigen Bestandteilen, zusammengefaßt sind. Die Sprache wurde zur vielfach ausgebeuteten Fundgrube nicht bloß für die Nachfolger in der epischen Dichtung, wie Valerius Flaccus, Silius Italicus, Papinius Statius; selbst Schriftsteller in Prosa, so namentlich Livius und der in Stil und Ausdruck so eigenartige Tacitus haben bei Virgil Anleihen gemacht. Die

*) Cedite Romani scriptores, cedite Grai! Nescio quid maius nascitur Iliade.

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