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zu wenig zu vertrauen und anzumuthen; wahrs lich, Du könntest etwas machen, zumal da Du es schon gethan. Überseße doch einmal Dich selber aus

dem Englischen und Griechischen ins Deutsche, und - schreibe Dich. Von D.... schrieb mir Mar die Einseitigkeit, daß er vom Buchhändler nichts neues Philosophisches und Theologisches sich will zugeschickt wissen. So ist auch Kanne; so war Fichte. So waren Leibniz und Lessing nicht; für sie brach sich in jedem Buche ein Stral der Wahrheit, nur anders farbiger. Jezzo ist jeder eine Sonke, die keine Strahlen braucht und die ihre nur zum Selberspiegeln wieder empfängt.

Heidelberg, 22. April 1821.

Vor einigen Lagen kam ich von Weinheim zurück. Dort wollte ich Dir schreiben, aber ich brachte nichts zu Stande. Man hat manchmal im Überflusse der Zeit die wenigste. Erschreckt hat mich der Gedanke, Nasenbluten könne Vorbote einer schweren Krankheit sein. Doch genug davon; die Ader hat sich längst geschlossen. Immer war ich im Freien, und dieser Müßiggang hat mir wohlgethan.

Erwarte nicht zu viel von den Noten zum Aristophanes. Mich beengte der Raum und die Schön

heit des Drucks, die allem Unförmlichen auszuwetchen gebot. Ohne die Überseßung gedruckt hätten sie gar keinen Werth. Mit der Überseßung zugleich bilden sie einen Kommentar, aber die Übersetzung selbst ist der vornehmste Theil desselben. Ich hoffe, daßmun das Studium des Aristophanes mehr in Gang kommen wird. Und kein Grieche verdient mehr gelesen zu werden. Der Maßstab eines guten Dichters ist dem Aristophanes dessen Wirksamkeit auf das Volk. Daher die Verehrung des hohen Äschylos und des idealen Sophokles, und die Feindseligkeit gegen den entnérvenden Euripides. Die Frösche sollten von jedem Recensenten studirt werden; überhaupt ist der ganze Aristophanes ein kritisches Institut, ein Seminarium für die Sittlichkeit. Die christliche Feindesliebe, die vom Bösen absieht, und den Menschen als fühlendes Wesen nimmt, das zum Guten zurückkehren könne, ist bestimmt in der Eirene ausgesprochen. Und in den Wespen, mit welchen Flammenworten predigt der edle Dichter die Lugend der Barmherzigkeit!

Da fällt mir ein Reiseabentheuer von vorigem Herbste ein. Ich reiste nach Kreuznach zu meinem Bruder mit E. In Dienheim, 4 Stunden von Mainz, hielten wir unsern Mittagsimbiß. Mir schräge ges genüber saß ein stattlicher Funfzigjähriger, ein Aus

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länder, der bald mich, bald E., bald einen Philister, den er für einen uns Zugehörigen zu halten schien, forschend betrachtete, und endlich seinen Blick auf mir ruhen ließ. Ich war nämlich vor dem Essen mit E. im Garten gewesen, und unterdessen hatte jener gentle- und nobleman denn ein Engländer war's — einen Theil meines Shakspeare in meiner Reisekappe gefunden. Sogleich fing er über Shak speare ein Gespräch an, das von mir begierig ergriffen ward, aber eine Zeitlang nur ganz im Allgemeis nen herumschwärmte. Er wußte von Wielands, Eschenburgs und Schlegels Übersetzung zu reden. „Und nun,“ sagte er, „ist noch ein Master Vols hinzugekommen."— Kennen Sie dessen Übersetzung? fragte ich gleichgültig. ,,Ja, es wären eigentlich drei Herr Voß," erwiederte er, und einer hätte viele gelehrte Anmerkungen geschrieben, die nun ins Englische übersezt würden.“ Daran knüpfte er die Frage, ob diese Überseßungen gut wären. » Ganz schlecht," sagte ich, „schienen sie mir nicht.“ AU mein Antworten überseßte er seinem Gefährten, der gar kein Deutsch konnte. Dieser brachte, ich weiß nicht mehr in welchem Zusammenhange, ein sonderbar lautendes Wort, worauf der, mit dem ich sprach, sagte, das Irrlicht hieße so, und das Wort komme

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schon bei Shakspeare vor. Um Verzeihung," fagte ich, aber ganz leichthin, Shakspeare nennt das Irrlicht nur dreimal, einmal im Lear, da und da, und da heißt es der Geist Flibbertiggibet, dann im Sommernachtstraum Akt 2, dann in Heinrich IV zweit. Theil, da nennt er's ignis fatuus. Daß eine vierte Stelle in Heinrich VIII auf ein Luftmeteor zu deuten sei, und nicht auf ein Irrlicht, wissen wir beide. Also nirgends Ihre Benennung. Der Mann fuckte mich verwundert an; und drauf nahm das Gespräch einen äußerst speciellen Charakter an. Endlich bittet er mich freundlich, ihm zu sagen, wer ich sei, und ich antworte, nicht ohne geheime Freude, ich sei einer von den drei Vossen. Weitere Legitimation foderte er nicht; im Gegentheil, er ließ Champagner kommen, zwei Flaschen und fünf Gläser. Der Philister konnte nicht begreifen, wie er zu der Ehre käme, von einem so vornehmen Herrn mit Champagner bewirthet zu werden. Nachher gab E. eine Flasche, und endlich die vierte ich. Beim Aufstehn bat mich der Engländer, ob ich ihn nicht in seinem Wagen nach Mainz begleiten wollte, was ich ambabus an= nahm. Am andern Morgen, da der Engländer weiter reiste, sagte er mir beim Abschiede, ich sei — ja ich weiß selbst nicht mehr was all. Nicht wahr, ein

lustig Abentheuer! So sind aber die Engländer, voll Stolz über den Genius der brittischen Insel, und jeden liebend, der ihn mitverehrt.

Baireuth, 3. September 1821.

Es war wieder nichts. Der Reisepaß lag zwar schon im Mai da; aber als ich schon einen Kronenthaler dem Kutscher darauf gegeben, kam unter Zö gerungen von fremden Seiten jenes vermischte Wetter heran, das erst in der Mitte künftiger Woche zu blauem wird. Ohne dieses hab' ich im Wagen keinen Genuß. Mein Inneres braucht jeho viel Äußeres. Aber der Herbst mit seinen einschrumpfenden Lagen predigt Häuslichkeit, und nur der Frühling ruft das sehnsüchtige verjüngte Herz in die Welt hins aus. Sogar nur der Morgen ist für mich Frühling; der Nachmittag aber Herbst; nun vollends dazu ein Herbstnachmittag auf Reisen, die Quadratzahl jenes

Gefühls.

Wie oft dacht' ich schmerzlich an Mar und Dich, die ihr mich doch am meisten in H. liebt, daß wir uns alle wieder nicht sehen sollen! - Nun zum Schöneren, zum Danke für eueren Aristophanes. Dieser Vogelkanker umspinnt mich eben mit seinen glänzenden Seidenfäden, und läßt mich nicht los, nicht aber um mich auszusaugen, sondern um mich

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