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was die Schuld der Unholdinnen, wenn hier von Milderung der Schuld die Rede sein kann.

Lange verweilte ich gestern beim 3ten und 4ten Akte des Macbeth, die mich noch auf dem Spaßiergange begleiteten. Es war mir schon als Knaben schaudervoll, daß Macbeth so sicher sagt: „Morgen will ich zu den Zauberschwestern."-,,Wo willst du fie finden?" fragt man, und die Antwort ist gleich da: „er findet sie gewiß.“ — Von den seligen Hyperboreern sagt Pindar, es führe kein Pfad zu ihnen, weder zu Schiff noch zu Lande. Aber ein Perseus kam hin auf geflügelten Sohlen, so wie dem Unschuldigen und dem Kinde das Paradies zu jeder Stunde geöffnet steht. Daß Macbeth den Weg zur Hölle ohne Wegweiser weiß, traut man ihm zu; er hat ja im Herzen die Hölle. Wie prächtig hält Shakspeare diese Zusammenkunft mit den Heren. Sie stehn allerdings um ihn, leibhaft, gräßlich anzusehn (nicht holde Jungfrauen, wie Schiller will, sondern Weiber mit häut'gen Lippen und Fingerstummeln). Gleichwohl löst sich alles als inneres Gedankenspiel des Macbeth. Alles verschwindet auf einmal, und Macbeth steht, ohne sich von der Stelle bewegt zu haben, mitten auf der Heide, und was er gesehn hat, hat keiner von denen gesehn, die noch um ihn stehn.

Höll' und Himmel ist überall, sie durchdringen sich fogar in jedem Raum, aber ein Organ gehört dazu, dessen gewahr zu werden; und wem beide Organe fehlen, für Himmel und Hölle (mögen diese Organe im Kopfe sizen oder im Herzen), für den ist eben gar nichts da als die sancta simplicitas. - So ist auch Banquo's Geist nichts als Produkt von Macbeths Geisteszerrüttung und Gewissensangst; der Dolch, der ihm vorschwebt, und der Weg weiset zu Duncans Kammer.

Wie weiß doch Shakspeare es anzufangen, in der Zeit so auseinanderliegende Begebenheiten zu verknüpfen, daß sie im schönsten Zusammenhang erscheis nen! Nicht eine Ahnung kommt einem bei dem Genuß, daß dies nicht so sei; vor dieser Gewalt der Kunst wagt der Verstand mit seinen Rechten gar nicht aufzutreten; unsre Uhren verlieren ihre Rechte, und wir hören nur die Räder der großen Weltenuhr und ihre Schläge. In der Königin Margaretha ist wohl die Nemesis und die Erinnys auf das Erhabenste personificirt worden. Wie schreitet dieser furchtbare Geist durch das Stück Richard den Dritten, wie durch die früheren! Wie haarsträubend sind ihre Flüche! Wie schön - das fiel mir vor einigen

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die schön untergehende Sonne wahrnimmt und em pfindet; er scheint schon eine Ahnung zu haben von den heiteren Nachtträumen, die seiner harren. Richard dagegen wird geängstigt durch die Sonne, die gar nicht aufgehn will. Ein herrlicher Beleg zu Göthe's Worten: „O Gott, wie schränkt sich Welt und „Himmel ein, wenn unser Herz in seinen Schranken ,,bangt!"

Gute Nacht, Du Einziger! Wie ist der Himmel, den ich vor dem Einschlafen so gern betrachte, mit Sternen besäet! O ihr Schußengel, die ihr vielleicht auf diesen Welten wohnt, nehmt ihn in Obhut, daß er noch lange der Unsrige bleibe!

Baireuth, 6. März 1818.

Mein geliebter Heinrich! Dein Schweigen beHlemmt mich fast; sei alles, was Du willst, nur nicht krank. Aber ich hoffe, Du leidest an nichts als an der Ostermesse. Hätte man nur bald Deine Vorrede und Notenbordüre zu Shakspeare, von welchen mir Deine Briefe so vielen Genuß ahnen lassen, z. B. Deine Bemerkung über Desdemona. Im Früh ling komm' ich und will mit euern Bergen, ihr Geliebten, blühen, wenn auch nur mit meiner Nachsommerblüte. Ach, ich habe so viele Natur-Aus

sichten und so viele Belehrungen nachzuholen! z. B. von Muncke Antworten auf lange zusammengesparte Fragen, so von Daub, Paulus.

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Hier will ich

abschnappen, weil ich noch drei Posttage vor mir sehe, an denen Du mir gewiß etwas zum Beantworten schicken wirst.

den 10ten.

und nichts geschickt hast; denn gerade morgen, wenn das Buch fort ist, wird etwas von Dir ans langen. Aber die Antwort darauf soll über 8 Tage mit den lezten Schwanzfedern des Siebenkäs abs gehen. Gott gebe nur, daß ihr alle gesund geblieben und bleibt, damit ich mich nicht zu vergeblich auf meinen Frühling gefreuet. Grüße mir herzlich

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die rechte und linke Herzkammer an Deiner Brust, Mutter und Vater, und bleibe mein Heinrich.

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Mein guter Heinrich! So hab' ich also nichts zu beantworten, denn die Hoffnungen meines Briefes vom 10ten dauern und leben noch immer fort, eben weil sie nicht erfüllt worden. An einen so großen Brieflurus hast Du mich gewöhnt! Zum Glücke

kann ich Deinem Schweigen recht viele Ursachen leis hen, die alle keine traurige sind; daher kürz' ich diesen Brief ab. Der April oder der Mai bringt mich ohnehin unter euere Blüten. Ich mag kaum mehr mit Dinte grüßen, da ich den lebendigen Gruß mit Augen und Lippen so nahe vor mir habe, wenn Gott meine Hoffnungen segnet. Lebe wohl, Du Warmer, Klarer, Rechter!

Baireuth, 31. März 1818.

Mein guter theurer Heinrich! Wenn ich nur gleich hundert Dinge auf einmal sagen könnte! Wie soll ich euch köstlichen Menschen für euere Herzen danken? Ihr müßt eben mit meinem einzigen vorlieb nehmen. Ich schicke Dir einen medizinischen Aufsaß, den ich über meinen Körper an einen Berliner Freund und Arzt geschrieben habe, weil ich mir eine größere Kälte geweissagt hatte als eintraf. Sorge aber nicht; meine halbe Arzeneikunde hilft mir mehr als ein ganzer Arzt. Was hilft mir indeß das längste Leben? Mit den Jahren wachsen meine Excerpte und Entwürfe, und ich komme unter die Erde, eh' ich sie nur halb beschrieben und ausgelacht. - Euere Pas thengeschenke, ihr gar zu Guten, kamen gerade an meinem Lauftage (den 22sten) an. Kurz ich hatte

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