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ein gut Glas Wasser. Es schlägt nie fehl, bei mir wenigstens. Leider komm' ich selten dazu, von dieser köstlichen Entdeckung Gebrauch zu machen; denn ich schlafe gewöhnlich in Einem Zuge fort von halb elf bis fünf. Schöne Träume sind mir ein halbes Die Griechen nannten die Nacht die Muthbeleberin: sollten sie die Träume nicht eingeschlossen haben?

Wachen.

Baireuth, 13. November 1818.

Du geliebter, fortschreibender und fortverzeihender Heinrich! denn leider beantwort' ich heute drei Briefe von Dir auf einmal und zwar gerührt von Deinem Schweigen über meines. Arbeiten und die kurzen Lage fressen mir die Zeit weg, noch dazu da mein Geist jego nur tröpfelt, nicht tropft und regnet. Die Fülle und die Liebe und der Wiz Deiner Briefe laben mich jedesmal; ich kann Dir, die Liebe aus genommen, nichts zurückgeben als ein Blätterskelet.

Meine Lebensbeschreibung kommt spät; sie erfreuet mich wenig, weil ich darin nichts zu dichten habe, und ich von jeher sogar in Romanen bloße Geschichte

ohne die beiden Ufer des Scherzes und der Emfließen ließ, und weil ich nach niemand

pfindung

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weniger frage als nach mir. Ich wollte, ich könnte

Dir mein Leben erzählen, und Du gäbst es stilistert heraus. Aber ich werde schon noch das rechte Fahrzeug für dasselbe finden oder zimmern. Wie bin ich erschrocken, daß mir Deine geliebte Geburtfeier unbewußt vorübergeflogen! Aber ohne Kalenders noten ging es mir von jeher mit jeder Feier so. In meinem Herzen hast Du bisher viele 29te Oktober erlebt, und was Wünsche anlangt, so braucht auch Dein reiches keine mehr, ausgenommen die, welche Deine Mutter für ein - fremdes thut, damit dieses komme, und Deine Brust so selig auswärme, wie ihres Deines Vaters seine. Wenn ich ohne son derlichen Wiß, ja zuweilen ohne sonderliche Sprachreinheit schreibe: so bedenke nur, daß ich nicht bloß eile, sondern auch Dich liebe. Über Hamlet hast Du föstlich und genial errathen; wer sich wahnsinnig stellt, war's und wird's und ist's.

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Baireuth, 4. Jänner 1819.

Länger, mein Heinrich, halt' ich mein quälendes Muthmaßen über die Ursachen Deines längsten Schweigens nicht aus. Lauter traurige Anlässe Deiner geistigen Unsichtbarkeit kann ich mir nur gedenfen zum Erklären, worunter Geschäft - Überhäufungen immer noch die besseren wären. Gott verhüte,

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daß Dich ein Krankenlager fesselt, oder daß die Deinigen auf einem leiden. Ich bitte Dich daher, lasse mir wenigstens durch eine unserer Freundinnen schreiben, damit doch nur Ein Sternchen aus der Dunkel heit herüberschimmere, die für mich über Heidelberg liegt. Bei dieser schwankenden Vergangenheit hab' ich ordentlich keine Kraft, Dir nur von etwas anderem zu schreiben als von Dir. Ich dachte nicht, daß ich ohne Deinen Schreibhanddruck ins neue Jahr übertreten würde. Hätt' ich nicht immer so sehr ges hofft, ich hätte schon im alten geklagt. Unerware tet zogen die Eis tage diesmal vor meiner Lunge und meinem Herzen vorbei, ohne beide feindselig zu berühren. Ende künftiger Woche werden noch einige Schneetage nachkommen; und dann wird diese russische Einquartierung friedlich vorüber sein. Dein Lodesurtheil über die Ahnfrau unterschreib ich nicht nur, ich unterstreich es mit rother Blut- und byzantinischer Kaiserdinte. Bloß mehre Bliße der Sprache ausgenommen, ist mir diese Ahnfrau eine erbärmliche Scheintodte, die nicht einmal in den gemeinen Schauder vor einer Leiche verseßt. Deine Rezension ist ganz gerecht; nur verbirgt die Überfülle des Gefühls sich nicht genug hinter kalte Gründe, und giebt das Ziel statt der Bahn dahin.

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Den 7ten. Endlich hat das Gestern mein Sehnen gestillt, und mir die alten Freuden wiedergegeben, Du Treuester! Wahrlich in meiner Wolke dacht' ich oft Dich oder eins von Deinen Eltern gestorben. Jest will ich Dir antworten mit vieler Vernunft; nur werde jedes Durcheinander erlaubt. Um des Himmels Willen überarbeite Dich nicht, um etwan eine Reise machen zu können, die dann am Ende leicht über die Lebendigen hinausgehen könnte. Sei mäßig, sogar im Vorseßen. Du bist noch in den frischen, kraftreichen, aber heimtückischen Jahren, wo der Körperbau sich ohne Bewegung und Zeichen eine lange Untergrabung gefallen läßt, bis er plößlich mit dem ganzen Boden hinunterbricht, und nichts über ihm übrig bleibt als ein Hügel mit dem Kreuz; indeß ältere, zärtere, empfindlichere Naturen, wie meine, schon vor jedem kleinsten Übermaße erzittern, und jeden Misgriff des Augenblicks auf der Stelle durch Schmerzen angeben, und so die Krankheit durch Kränklichkeit abwenden. — Paulus grüße von mir recht herzlich, und sage ihm, daß mein Studium seis nes Kommentars so wie das wiederholte von Lessing mich immer stärker gegen die neuen Überchristen wie Kanne, Ammon, Harms u. s. w. erbittern, wie es schon mein diesjähriger Neujahrsaufsaß im Morgens

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blatte zeigt. Ach, hätten wir kein anderes Christenthum, als in den vier Evangelien wörtlich steht und also keine drei Christen-Spaltungen, zumal die abscheulichste, die katholische wie viel Blut und Nacht wäre dem armen Europa gespart worden! Machst Du es nicht wie ich, und legst während der Schreibpausen ein Blättchen hin, auf welches Du die brieflichen Materien, die der Zwischenraum zuführt, mit einem Worte aufzeichnest, weil man gerade im Feuer des Briefs selber sich aller am wenigsten entsinnt?

Heidelberg, 20. Januar 1819.

Auch ohne Deinen Brief, der mich auf das lieblichste überraschte, hätte ich Dir in diesen Lagen geschrieben, Du theuerster Jean Paul. Deinen herzlichen, herrlichen Brief - nun das nenn' ich eine Herzensdurchwärmung, das Gefühl, womit ich ihn durchlas; und als ich ihn meinen Eltern vorlas, wollte eine Thräne mir die Stimme ersticken. Du Edelster, hast bange Sorge um mich gehabt, und ich ahnete das nicht! Ich hätte, noch so beschäftigt, doch wohl zu einem Brieflein Zeit gefunden; ich hätte ja nur eine meiner unaufhörlichen Reden über Dich in einen Brief verwandeln dürfen.

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