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Mein Vater läßt Dir ganz besonders danken für Dein,, wahres Wort über die Hyperchristen im Briefe und in den seelenvollen magnetischen Gesichten.“ Die letteren haben wir schier verschlungen, wenn uns gleich die Einkleidung nicht überall zusagte. Doch dies ist nicht Deine Schuld; uns liegt es ob, uns mit den Anschauungen und Ausdrücken vertraut zu machen, die Dir zur Einfassung so herrlicher Gedankenbilder dienen.

Paulus arbeitet jest an einer historischen Unters suchung über die Offenbarung. Über die sogenannte Neologie des überall verkeßerten Mannes dachte ich nie schlimm. Die Glorie um Christus und die Apostel ist köstlich für den Maler, Dichter, religiösen Menschen; aber der wahrheitliebende, der sich nicht mit dunkelen Gefühlen begnügt, will auch historisch wissen, wer Christus war, ob er, wie alte Mystiker sagen, vergötterter Mensch war, oder vermenschter Gott. Hier hat Paulus viele vortreffliche Ansichten, vielleicht lauter vortreffliche. Nur in Einem Punkte, mein' ich, irrt Paulus. Er findet seine Ansichten in den Worten der Apostel ausgedrückt. Er seßt stillschweigend voraus, die Fakta, wie sie sich in Wahrheit zugetragen, sei'n in den Evangelien enthalten, und dem Interpreten sei bloß aufgegeben, die Fakta

durch Aufstellung einer richtigen und Hinwegräumung einer falschen Auslegung aller verdunkelnden Umkleidung zu enthüllen. Hier wird sein Scharfsinn manchmal einseitig, haarspaltend. Ich bin fest überzeugt, daß schon die Evangelien Jesus in einer Glorie vorstellen, die er im Leben nicht hatte; und daß die Evangelisten viele Wunder erzählen, die nie geschahen, die sie aber kindlich glaubten; mit einem Worte, daß sie uns statt der objektiven Wahrheit häufig nur ihre subjektive Ansicht davon geben. - Die Überz christen gehen so weit, daß sie es für eine Sünde halten, einen Apostel ohne das Attribut heilig zu nennen. Meinetwegen; nur erlaube man mir dann auch den heiligen Lessing, den heiligen Schiller zu sagen, um der Lebenden nicht zu gedenken. Wahrlich, ich fühle es (was mir in diesem Zusammenhange mehr ist, als ich begreife es), wie der Mensch zur Heiligenverehrung kam. Und ist die erst da, so ist der Glaube an Wunderthätigkeit nicht fern. Und was vermag der Glaube nicht zu verwirklichen?

Ja wohl, Du menschlich - religiöser Jean Paul, wäre kein andres Christenthum, als das in den 4 Evangelien wörtlich enthaltene“! Wäre keine Kirchengeschichte in der Welt! Sage, kann etwas

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einfacher sein, als die Abendmahlsgeschichte? Und

wie wenige sehen hier hell, weil die früh vernommenen Streitigkeiten darüber ihnen die Augen blenden. In Holstein nehmen die Landleute die Hostie aus dem Munde, wenn sie hinter dem Altar umgehn, und heben sie für kranke Kühe auf. Auch unter den Ges bildeten sind viele, die ein wirksames Zaubermittel darin finden, und Christus kaum anders verehren als den irdischen Großzauberer.

Baireuth, 10. März 1819.

Mein Heinrich! Unter 20 Briefen beantwort' ich gewöhnlich 10 nicht; dann kommen die andern 10, auf die ich noch die Antwort schuldig bin. Aber beim Henker, an Dich soll geschrieben werden. Zuerst den größten Dank für euern Shakspeare. Euere Ladler, die ihn fließend im Deutschen haben wollen, vergessen, daß er ja selber im Englischen für die Britten ein Strom voll drängendes Treibholz ist; besonders in den Versen, für welche die Kürze Deines Vaters eben recht paßt, wenn gleich zuweilen weniger für den flüchtigen Dialog. Für die niedersächsischen und altdeutschen Kernwörter sollte man euch danken. In Wortspielen gewinnst Du gegen jeden Überseßer das Spiel. Künftig ein Mehres

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und zum Glück

und zum

mündlich und zum Glück im April

Glück in meinem Hause. Eben darum wird mir briefliches Aussprechen langweilig, da ich mündliches so nahe vor mir habe. Dein Wohnen unter Einem Dachstuhl mit mir wird mich bloß zu wenig stören, weil Du in Frau und Kinder Dich zu sehr vertiefen und verlieren wirst. Den April haben wir sämmtlichen Wetterpropheten zu einem schönen blauen Früh ling gereinigt. Hundert Dinge, die auf meinem Brief-Küchenzettel stehen schon seit Monaten, bleis ben für Deine Augen weg und für Deine Ohren zurück. Himmel! wie viel will ich reden! — und wie viel hören! - Alle Deinigen grüßt mein Herz; und die übrigen wird Dir Deines auch nennen. Und Du schreibe bald und komme bald.

Heidelberg, 9. März 1819.

Hab' ich schon länger geschwiegen, als mein Herz es billigt, so soll doch wenigstens an dem Lage wieder ein Brief erscheinen, der meine ganze Seele mit dem Gedanken an Dich füllen wird, an Deinem Geburtstage. Mögest Du noch viele Jahre hindurch diesen Lag erleben, Dir zur Freude und allen Guten, und spät einst, wenn Du Dein Geschäft vollbracht hast, lebensfroh, nicht lebenssatt, hinübers schlummern, und keinen Schmerz mitnehmen, als

den, nicht mehr Gutes auf Erden wirken zu können! Aber Gutes wirken, das wirst Du auch nach Deinem Hinscheiden, Du, der so kräftigen Samen des Trostes, der Freude, der Religion ausstreute, der unvergänglich fortblühen wird. Mein theurer Jean Paul, nie fühle ich mich so aufgefodert an Lod und Ewigkeit zu denken, als an Geburtstagen, sei es der meinige, sei es der Geburtstag von Eltern, Brüdern und Freunden; und dieser Gedanke, von Wonne und Wehmuth begleitet, wird zu einem innigen Gebete zu Gott, dessen Gegenwart ich nie näher fühle. Warum kann ich an Deinem Geburtstage nicht bei Dir seyn, Dir nicht die Hand drücken, Dich nicht von den Deinigen umringt sehn! Aber höre, grade an dem Tage besteige ich den Wagen, um zu meinem Bruder *) zu eilen, der mich mit heißer Sehnsucht erwartet. Später flieg' ich bei Dir vor, und wer weiß, ob Du dann nicht auf wenige Lage mit auf die Bettenburg zu dem ehrwürdigen Truchseß gehst.

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*) Damals_in_Rudolstadt angestellt.

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