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führt, der nicht Musik hat in ihm selbst", lässt uns in dem Lustspiel Zähmung des Unbandes" die Bekanntschaft mit der Unliebenswürdigkeit eines Fräuleins machen, das nicht Musik hat in ihm selbst", und eben deshalb so unbändig ist.

Baptista, ein reicher Edelmann in der hochgelehrten Universitätsstadt Padua, trägt Sorge, seinen beiden Töchtern Katharina und Bianca eine ihrem Stande angemessene Ausbildung zu Theil werden zu lassen. Als unerlässlich wurde zu der Zeit von jungen Damen von Stande erwartet, dass sie in der Philosophie, insonderheit im Plato, wohl bewandert und in der Musik theoretisch und ausübend gebildet seien. Den Unterricht in den alten Klassikern hat Signor Baptista dem gelehrten Pedanten Lucentio, den in der Musik dem Lautenspieler Hortensio anvertraut. Der erste Versuch des Musiklehrers bei der widerspenstigen Katharina läuft unglücklich ab. (Akt II. Sc. 2.)

Hortensio

(kommt mit blutigem Kopfe aus dem Zimmer Katharina's in das des Vaters

zurück). Baptista.

Was giebt es, guter Freund. Ihr seid so bleich?

Hortensio.

Vor Schrecken bleich, das mag wohl sein.

Baptista.
Sagt mir,

Wird Käthchen wohl ein guter Spielmann werden?
Hortensio.

Ein bessrer Kriegsmann, mein' ich, denn das Eisen
Hält wohl bei ihr, doch nimmermehr die Laute.

Baptista.

Nun? lehrtest Du sie nicht die Laute schlagen?

Hortensio.

Ganz recht, doch schlug die Laute sie auf mir,
Sie machte falsche Griffe; als ich ihr
Zur richt'gen Fingersetzung bog die Hand,
Schrie sie mit teuflisch ungeduld'gem Geist:
Das heisst Ihr Griffe? Ja, ich hab's begriffen!
Mit diesem Worte schlug sie meine Laute
Mir auf dem Kopf entzwei, dass durch und durch
Der Weg sich dieser öffnete; ich stand

Vor ihr, wie am Halseisen, stumm vor Schrecken,
Und während ich herausschau' aus der Laute,

Schalt sie mich Schelmen-Fiedler, Klimperhans
Und was dergleichen schöne Namen mehr.

Den unweiblichen Charakter des kleinen Unbandes sogleich von Anfang der Bekanntschaft an kennen zu lernen, hätte der Dichter. keinen bezeichnenderen Zug wählen können, als dass er sie als eine abgesagte Feindin der Musik erscheinen lässt.

Im folgenden Aufzuge finden wir die beiden Lehrer bei Bianca, sich um den Vorrang streitend, da jeder für sich die erste Stunde in Anspruch nimmt; denn beide wollen den Unterricht dazu benutzen, dem Fräulein ihre Liebesanträge zu machen.

(Bianca's Zimmer.)

Lucentio. Hortensio. Bianca.

Lucentio.

Zurück, Herr Fiedler, hier nicht allzudreist,
Habt Ihr denn schon vergessen den Empfang,
Mit dem die Schwester Käthehen Euch bewillkommt?
Hortensio.

O! über solchen zänkischen Pedanten!
Bianca ist der himmlischen Musik
Beschützerin, so lasst den Vorrang mir,
Wenn wir dann eine Stunde musicirt,
Habt Ihr noch volle Zeit zum Unterricht.
Lucentio.

O Einfaltspinsel, der nicht einmal weiss,

Was die Bestimmung der Musik, sie ist nur da,
Den Geist des Mannes zu erfrischen nach
Dem schweren Studium und gewohnter Plage.
Drum gebt den Vortritt der Philosophie,

Wenn ich pausire, dann treibt Harmonie.

Der Philosoph erficht sich den Vortritt, als er aber eine Stelle aus Ovid zu einer Liebeserklärung zu verwerthen versucht, wird seine Bewerbung sehr entschieden zurückgewiesen. Hierauf ver

sucht der Lautenspieler sein Glück in gleicher Weise.

Hortensio.

Fräulein, eh' Ihr die Saiten noch berührt,
Die Griffe meiner Fingersetzung lernt,
Muss mit den Elementen meiner Kunst
Ich heut beginnen. Denn auf kürz'rem Wege,
Weit angenehmer und handgreiflicher

Lehr' ich Euch das gamut'), als je ein Meister.
Hier les't, ich schrieb es zierlich für Euch auf.
Bianca.

O, das gamut ist mir schon längst bekannt.

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B. mi

C. fa

Der um Dich wirbt mit Leidenschaft.

D. sol re Nur einen Schlüssel und zwei Noten.

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E. la mi Hab' Mitleid oder ich muss sterben.“

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Dies nennt Gamut Ihr? es gefällt mir nicht.

Die alte Weise zieh' ich vor, ich bin so lecker nicht,
So neue Kunst der alten vorzuziehn.

Hortensio muss sich für diesmal verabschieden, ohne dass die, von ihm erfundene Scala für ihn eine Himmelsleiter geworden ist.

Mit dieser musikalischen Unterhaltung wollen wir unsere Unterhaltung über Musik und Shakespeare schliessen mit dem Wunsche, dass unsere Vorarbeit von einem Nachfolger zu einer ausführlicheren Abhandlung benutzt werden möge.

1) Die Scala.

Bemerkungen über symbolische Kunst im Drama mit besonderer Berücksichtigung Shakespeare's.

Von

Dr. Albert Linduer.

Das Genie Gregor's VII. hatte die päpstliche Macht zu einer

Höhe getrieben, von wo sie nicht nur im Gebiete des Glaubens und der Gewissen ein absolutes Wort sprach, sondern selbst alle weltlichen Verhältnisse, Fürstenwillen und Kaisermacht, unter ihr Regiment beugte. Man wolle das im Drama veranschaulichen. Aber das ist vorläufig nur eine historische Idee, und das Drama braucht Menschen und Thatsachen. Nun denn! die Geschichte giebt uns Heinrich IV., der drei Tage lang barfuss im Schnee von Canossa steht, beim Papst um Gehör bettelnd. Dieser Vorgang ist also der symbolische Ausdruck für obige Abstraktion.

Symbolisch verfährt die Geschichte immer da, wo sie eine ihrer Ideen oder Entwickelungsphasen in einem einzigen charakteristischen Vorgange zusammendrängt und in das Gebiet des Realen erhebt; wo die Idee concret wird; wo ihre zerfliessende Lichtmasse sich in bestimmten Personen und Thatsachen zu bestimmten Strahlen verdichtet. Es ist begreiflich, dass gerade solche Süjets es sind, die den Dramatiker am meisten zur Behandlung reizen.

Wenn Hans Kohlhaas vor Luther's öffentlichem Anschlage zusammenbricht, so bricht der letzte kraftvolle Rest einer finstern

gewaltthätigen Zeit vor den siegenden Mächten der Aufklärungsperiode symbolisch zusammen. In gleicher Weise wird der Tragiker den Ruf des Matrosen „Land! Land!" auf dem Schiff des Columbus zu einem symbolischen Akte des ganzen Jahrhunderts erweitern können. Die Dame, die den gerüsteten Ritter Estèphe an einem goldnen Kettchen in die Schranken des Tourniers führt, ist im Grunde nur die Zeit, die ihm Sinn und Seele mit der Kette der Vorurtheile gebunden hält.

Aber wir wären hier schon zu Ende mit unserm Thema, wenn das Symbolische der dramatischen Kunst nur in dem läge, was die Geschichte in Bausch und Bogen am Stoffe gethan. Wir suchen vielmehr auf die Symbolik zu kommen, die der Dichter in der Rolle der Vorsehung für seine Schöpfung aus eignem Verdienste hinzubringt.

„Alles Theatralische ist symbolisch", sagt Göthe in seinen kritischen Schriften („Shakespeare und kein Ende“). „Nichts ist theatralisch, was nicht zugleich für die Augen symbolisch ist; eine wichtige Handlung, die auf eine noch wichtigere deutet." Ferner spricht Schiller im Briefe an Göthe unterm 28. Nov. 1797 von der symbolischen Kunst in Richard III. Da haben wir die ganze Literatur, die über dieses Thema, soweit mir bekannt ist, geschrieben worden ist! Und dennoch dünkt mich die Sache für den Dramatiker hochwichtig genug, um durch diese meine Bemerkungen berufenere Kräfte zur Beachtung dieses Gegenstandes zu veranlassen.

Alle Kunst, kann man sagen, arbeitet symbolisch. Das Verhältniss der Geschichte (des Gegebenen) zur Kunst ist das der Natur zur Vernunft, und das Distichon Schiller's könnte hier lauten: Suchst Du das Höchste, Poet? Die Geschichte kann es Dich lehren. Was sie willenlos ist, sei Du es wollend. Das ist's.

Freilich bildet die Geschichte nicht Alles symbolisch vor. Stoffe von nur individualem Charakter eignen sich nur zum sogenannten bürgerlichen Drama, weil, wenn die Interessen der handelnden Personen ausgesprochen sind, Alles ausgesprochen und ein Hinausdeuten auf grössere Verhältnisse, auf ein Allgemeines nicht vorhanden ist. Der grosse Dichter legt wohl auf eigne Hand in solche Stoffe eine allgemein symbolische Natur, er vollzieht an einer Thatsache, die von Haus aus nur um ihrer selbst willen da ist, ein Exempel seines Jahrhunderts oder eine Aufgabe der allgemeinen Menschheit, (die Räuber, Faust, Hamlet [denn hier ist das historische Gewicht fast Null], Cabale und Liebe u. A.) aber nur dem

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