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dann endlich durch den Mund des Alcibiades zur Kenntniss des längst darauf gespannten Publicums gelangt. Sie befriedigt schwerlich die lange genährten Erwartungen, so sehr auch Alcibiades selber von ihr erbaut scheint. These well express in thee thy latter spirits, sagt er, und merkt nicht, dass die Grabschrift sehr ungeschickt zusammengefügt ist aus zwei in North's Plutarch mitgetheilten Grabschriften, einer von Timon selbst verfassten, und einer andern des Dichters Callimachos. Die beiden Grabschriften, aus denen der Vorgänger, ohne seine Quelle genauer anzusehen, eine einzige macht, widersprechen sogar einander: die erste verbietet, nach dem Namen des Begrabenen zu forschen (Seek not my name etc.), und die andre nennt diesen Namen von vornherein (Here lie I Timon etc.). - Die letzten Reimverse, mit denen Alcibiades das Drama schliesst, zeigen in ihren geschmacklosen Antithesen und Metaphern noch einmal recht auffallend den Typus des Vorgängers:

Make war breed peace, make peace stint war, make each
Prescribe to other, as eachother's leech.

Demnach soll also der Krieg den Frieden, und umgekehrt der Friede den Krieg in die Kur nehmen!

Es wird kaum nöthig sein, dieser eingehenden und ausführlichen Analyse noch ein besonderes Resumé beizufügen. Sie muss für sich selber beweisen, was sie beweisen soll: dass der Plan zum Timon of Athens weder von Shakespeare entworfen, noch von uch westioned ihm wesentlich modificirt, sondern im Ganzen unangetastet so gelassen ist, wie ein gleichzeitiger Anonymus ihn ersonnen und ausgeführt; ferner: dass Shakespeare dieser fertigen Arbeit seines Vorgängers, ohne Rücksicht auf Zusammenhang oder einheitliche Haltung, mit Ausmerzung der entsprechenden Scenen oder Reden des Anonymus, solche Scenen oder Reden einverleibt hat, welche dem psychologischen Interesse an der Figur des Timon selber entspringen oder dienen mochten.

Bonn, im December 1866.

Hamlet's ,,Mortal Coil".

Von

Karl Elze.

An einem Ausdrucke zu rütteln, der seit fast drei Jahrhunderten in Saft und Blut des Volkes übergegangen und zu einem household word der englischen Welt geworden ist, das ist zumal für einen Nicht-Engländer ein bedenkliches und gewagtes Unternehmen. Dessenungeachtet ist es uns unmöglich, unsere kritischen Bedenken gegen die zwölfte Zeile des bekannten Monologes III, 1:

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When we have shuffled off this mortal coil

zum Stillschweigen zu bringen. Seit Jahren haben wir immer wieder an dem „coil" Anstoss genommen und uns des Gedankens an eine darin enthaltene Verderbniss nicht erwehren können. Wedgwood in seinem etymologischen Wörterbuche leitet dies Wort her vom Gaelischen „coileid, a stir, movement, or noise, perhaps from goil, boiling vapour, fume, battle, rage, fury; goileam, prating, vain tattle". The words signifying noise and disturbance, fügt er hinzu, are commonly taken from the agitation of water." Bei Shakespeare kommt coil" überall nur in der Bedeutung von noise, disturbance, turmoil oder bustle vor, und auch bei den übrigen Dramatikern der Elisabethanischen Zeit haben wir es in keinem andern Sinne aufzufinden vermocht. Beispielsweise verweisen wir auf Marlowe, Faustus V, 1 (ed. Dyce II, 184) und Edward III, IV, 6; auf The Spanish Tragedy Act III (Ausg. von 1618, Folio 32a), Lord Cromwell I, 1

(Malone's Supplement II, 374) und Middleton, The Mayor of Quinborough III, 3. Auch bei Neueren findet sich das Wort in derselben Bedeutung, z. B. Scott, Lady of the Lake C. III, 24, Leigh Hunt, The Story of Rimini init. und Carlyle, History of Friedrich II, Tauchn. Ed. I, 192. Allerdings hat coil noch eine zweite Bedeutung, nämlich die eines Ringes oder einer Windung einer Schlange oder eines Taues; s. Scott, Lady of the Lake C. V, 16; Rokeby C. III, 6. Das Zeitwort to coil = sich ringeln, findet sich bei Beaumont and Fletcher, The Knight of Malta II, 1 und bei Galt, Life of Lord Byron p. 232 (Paris, Baudry). Eine dritte Bedeutung giebt es unseres Wissens nicht, so dass wir in unserer Stelle nur die Wahl haben zwischen einem, sterblichen Lärm" oder einer „sterblichen Schlangenwindung", die wir abschütteln sollen. Es liegt auf der Hand, dass das eine so wenig Sinn giebt als das andere, wiewohl von Warburton u. A. coil hier ausdrücklich durch turmoil, bustle" erklärt wird. Wie kann der Lärm und die Unruhe sterblich genannt werden? Wie können wir Lärm oder Unruhe abschütteln? Die Herausgeber gehen, soweit unsere Kenntniss reicht, sämmtlich über die Schwierigkeit hinweg, und Schlegel hat sich bekanntlich durch ,,den Drang des Ird'schen" aus diesem Gedränge gezogen. Nur in dem Appendix to Shakespeare's Dramatic Works (Leipsic, 1826) heisst es auf S. 106 unless the passage should require a correction like foil or clay, coil might put in mind words like the German Hall, gellen, the Latin clamare". Wir selbst haben früher, jedoch nicht ohne Bedenken, vail vorgeschlagen. Ein englischer Freund, den wir einmal befragt, dachte sich unter „coil" in der vorliegenden Stelle eine abgestreifte Schlangenhaut, (sonst stets slough"). In dieser Bedeutung scheint auch R. Chambers das Wort aufgefasst zu haben, wenn er in seinen Traditions of Edinburgh p. 198 sq. sagt: „Or does the 'mortal coil in which the light of mind is enveloped, become thinner and more transparent by the wearing of deadly sickness?" Allein diese Bedeutung stützt sich auf keinerlei Zeugniss, sie könnte nur auf die zu erklärende Stelle selbst begründet werden und wäre nur eine Bedeutung „for the nonce". Nun findet sich aber in „A dolfull discours of two straungers, a Lady and a Knight" (in „The firste parte of Churchyardes Chippes" etc. etc. Lond. 1575, 4to, fol. 32 v.) folgende, der unsrigen sehr ähnliche Stelle: Yea shaking of this sinfull soile,

me thincke in Cloudes I see

Amonge the perfite chosen Lambs,
a place preparde for mee.

Schon Steevens hat diese Stelle angezogen, ohne jedoch daraus einen Schluss auf mortal coil" zu ziehen, überhaupt ohne ein kritisches Bedenken über das letztere zu äussern. Dass Shakespeare den in seinem elften Lebensjahre erschienenen Dolfull Discours einige Jahre später kennen gelernt habe, ist gewiss eine natürliche und wahrscheinliche Annahme, und dass ihm die angeführten Verse hier vorgeschwebt haben mögen, eine naheliegende Vermuthung. Jedenfalls schwindet alle Schwierigkeit der vorliegenden Stelle, wenn wir soil" statt ,,coil" lesen. Der Ausdruck mortal soil" würde alsdann auf wunderbare Weise mit des Dichters wiederholt ausgesprochener Anschauungsweise harmoniren. Wir erinnern zunächst an Hamlet's Kirchhofs-Betrachtung (V, 1): „Alexander died, Alexander was buried, Alexander returneth to dust; the dust is earth; of earth we make loam, and why of that loam, whereto he was conver– ted, might they not stop a beer-barrel?" Ganz ähnlich sind die

Stellen im Sturm I, 2:

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Thou earth, thou! speak

Caliban,

Noch näher mit der unsrigen verwandt ist die Stelle im 146. Sonnette:

Poor soul, the centre of my sinful earth
My sinful earth these rebel powers array.

und ebenda:

I have us'd thee,

Filth as thou art, with human care.

Ferner bitten wir die Anrede des Antonius an die Leiche Cäsar's zu vergleichen, Jul. Caes. III, 1:

O pardon me, thou bleeding piece of earth.

Desgleichen Dekker Old Fortunatus (Old English Plays, Lond. 1814, III, 112):

I set an idiot's cap on virtue's head,

Turn learning out of doors, clothe wit in rags,
And point ten thousand images of loam

In gaudy silken colours.

Derselben Auffassung des menschlichen Leibes als eines Haufens Erde oder Koth begegnen wir endlich bei einem deutschen ZeitgeSen Shakespeare's, der obenein in London lebte und dichtete,

wir meinen Rudolf Weckherlin. Sein Gedicht Elend des menschlichen Lebens" beginnt mit folgenden Versen:

Du wenig Koth, du wenig Staub,
Hochmüthig durch ein wenig Leben,
Durch welches Leben, wie ein Laub,

Du kannst ein' Weil' allhie umschweben.

Wir citiren diese Stelle nach W. Müller's Bibliothek deutscher Dichter des siebzehnten Jahrhunderts Bd. IV, 81, da uns eine Einsicht der Original-Ausgabe leider nicht vergönnt gewesen ist.

Das sind gewiss schlagende Parallelstellen, und die Aenderung ,,mortal soil" möchte danach kaum etwas zu wünschen übrig lassen. Sollte sich aber ein gestrenger Kritiker von der conservativen Rechten darauf berufen, dass coil (coyle) sowohl in der Quarto von 1604 (in der von 1603 fehlt die Stelle) als auch unseres Wis

sens

gleichmässig in der ersten Folio steht und uns die Frage vorlegen, wie „coil" statt des keinesweges schwer verständlichen oder seltenen „soil" in den Text gekommen sei, so können wir darauf nur antworten, dass bei der allbekannten Sorglosigkeit des Druckes der Shakespeare'schen Stücke sich zahlreiche Fehler eingeschlichen haben, über deren Entstehung sich keine Aufklärung geben lässt, die aber nichtsdestoweniger verbessert werden müssen. An die englischen Drucke der Elisabethanischen Zeit lässt sich nicht derselbe Maassstab anlegen oder dieselbe Methode bei ihnen anwenden, wie bei den von sorgfältigen und gelehrten Mönchen geschriebenen Codices der Alten; wenn ein Verbesserungsvorschlag sich hier als zutreffend und innerlich nothwendig erweist, so dürfen wir auf äusserliche Erklärungsversuche des Fehlers kein allzugrosses Gewicht legen. Soviel ist gewiss, läsen die alten Ausgaben ,,mortal soil", so würde Niemand den geringsten Anstoss angenommen oder an eine Emendirung gedacht haben.

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