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in Quart hervor; denn was hätten die Verleger für eine Veranlassung dazu haben können, wenn sie in der Gunst des Publikums nicht die Bürgschaft für den Absatz gehabt hätten? Es bedarf kaum eines Wortes, dass vor solchen Betrachtungen das weitverbreitete Vorurtheil von der verachteten Stellung der Schauspieler damaliger Zeit gar nicht bestehn kann. Freilich ist es nicht leicht, bei den scharfen Gegensätzen, die in damaliger Zeit einander gegenüberstanden, ein unbefangenes Urtheil über die geselligen Verhältnisse zu gewinnen. Doch ist es, wie ich meine, vor Allem eine Klippe, vor der man sich hüten muss. Es ist natürlich, dass unter allen Umständen die Uebergriffe über das Mass des Gewöhnlichen, ja man darf sagen, der Abfall von der Regel mehr aufzufallen pflegt, als die Regel selbst. Nach diesen Eindrücken zu urtheilen, wird und muss stets zu Missverständnissen führen. Wenn man daher, wie dies so oft geschehen ist, nach den bekannten Ausschweifungen und Regellosigkeiten in R. Greene's, Marlowe's, Peele's und Anderer Leben die unumstössliche Meinung feststellt, Schauspieler und Schauspieldichter seien durchaus ein lüderliches, sittenloses und in den rohesten Ausschweifungen versunkenes Gesindel gewesen, so muss man einestheils von der Wahrheit weit abirren, und anderentheils darüber völlig unklar werden, wie es möglich gewesen sein könne, dass solche Stücke, wie dieses, haben aufgeführt werden, geschweige denn Beifall gewinnen können. Selbst das kann mich noch nicht von der Richtigkeit des gangbaren Urtheils über die sittlich versunkene und die durchweg verachtete Stellung der Schauspieler zu Shakespeare's Zeiten überführen, was man aus einzelnen Sonnetten Shakespeare's citirt. Wenn er in der That darüber klagt, dass ihm ein Flecken seines Standes anhinge, so ist damit noch nicht bewiesen, dass derselbe der unbegränzten Verachtung preisgegeben gewesen sei, in der ihn Viele zu betrachten lieben. Wie würde sich auch damit der unleugbare Umstand vertragen, dass er sich in anderen Sonnetten. dem namenlosen Freunde der unfehlbar weit über seinem Stande war in unvergänglicher Liebe und Freundschaft gleichstellt? Wie man sich auch das Räthsel erklären will, so viel wird immer unleugbar bleiben, dass wir uns den Dichter dieses Stückes nicht anders denken können, als in der innigsten Vertrautheit mit den feinsten geselligen Verhältnissen, und dass die Darsteller dieses heitern und dennoch tiefsinnig ernsten Lustspiels die Formen der gebildeten Welt in hohem Grade besessen haben müssen.

Schliesslich noch ein paar Worte über den Titel. Es liegt,

sei es bewusst oder unbewusst, eine eigenthümliche Ironie darin, dass der Titel: Lore's labour's lost eine Alliteration enthält, während doch diese Form im Laufe des Stückes bei Gelegenheit des Gedichtes das Holophernes auf den erlegten Spiesser gemacht hat,

augenscheinlich verspottet wird. Ob zu Shakespeare's Zeiten noch die Alliteration in ganzen Gedichten durchgeführt worden ist, vermag ich nicht anzugeben. Wohl aber erinnere ich mich, in älteren Stücken einzelne Verse gefunden zu haben, in denen die Alliteration angebracht war. Selbst bei G. Peele kommt dies zuweilen noch vor. Am auffallendsten ist dies der Fall in dem an sich selbst etwas wunderlichen Stücke: Sir Clyomon and Sir Clamydes. Nur kann ich nicht mit Bestimmtheit entscheiden, ob auch dies Stück älter ist, als Love's labour's lost, weil der einzige bekannte Druck erst von 1599 herrührt. Ein sicherer Anhalt für das häufige Vorkommen der Alliteration lange vor Shakespeare's Zeit giebt die von Ch. Knight (pictor. edition 1. p. 78) citirte Stelle aus Thomas Wilson's Arte of Rhetoricke 1553. Wir dürfen daher mit Gewissheit annehmen, dass Shakespeare mit jenem Gedichte auf einen Gebrauch anspielen wollte, der, gleich den vergeblichen Versuchen, die englische Sprache in Hexameter und allerhand Odenmasse einzuzwängen, nicht eben lobenswerth war. Hing er aber dennoch dem Titel seines Stückes gewissermassen dieses Zeichen der Geziertheit an, so lag darin offenbar die Absicht, uns auch damit in die Sphäre einzuführen, in welcher das Stück zu spielen habe. Tieck legte auf diesen alliterirenden Titel so grossen Werth, dass er ihn auch bei der Uebersetzung durch die Alliteration nachgeahmt wissen wollte, und das Stück nannte: „Liebes Leid und Lust". Gervinus, der überhaupt Alles, was von Tieck oder den Romantikern ausgeht, mit allzugrosser Voreingenommenheit betrachtet, tadelt diese Benennung als völlig unsinnig. Sollte sie sich in der That gar nicht vertheidigen lassen? Richtig ist es allerdings, dass alle Bemühungen der, wider ihren Willen, Liebenden, einmal an dem Uebermuth der treuen Geliebten und dann an der einfallenden Trauerbotschaft zu Schanden werden. Ob aber die Liebesmühen völlig verloren sind, möchte man fast bezweifeln, da man bei den Gesinnungen sämmtlicher Damen mit Gewissheit annehmen darf, dass, nach vollendetem Trauer- und Bussejahr, die Erfüllung der Liebeswünsche nicht ausbleiben wird. Darnach hätte also der ursprüngliche Titel nur eine beschränkte, gewissermassen scherzhafte Bedeutung. Hierin aber wird, wie ich meine, der von Tieck erfundene Titel sich mit demselben völlig messen können.

Als der König und seine Begleiter demaskirt sind, ist jedenfalls in der Rede Byron's der stärkste Accent auf die Macht, ja auf die Lust der Liebe gelegt. Diese Stelle am Schlusse des vierten Aktes ist um so merkwürdiger, als sie in unverkennbarer Beziehung und Verbindung mit dem 127. Sonnett steht. In diesem wie in jener wird eine schwarzhaarige und schwarzäugige Schöne fast mit denselben Ausdrücken und jedenfalls mit gleicher Gluth gepriesen. Man möchte fast glauben, dass die Begeisterung, mit welcher hiernächst die Macht der Liebe gepriesen wird, von einem Gegenstand der wirklichen Neigung des Dichters hervorgerufen war, dass er in der, gewissermassen, neu entdeckten Lust dieser Leidenschaft diese Töne aus voller Brust ausströmte. Somit wäre denn also die Bezeichnung des Stückes, als der Lust der Liebe geweiht, nicht absolut verwerflich. Dass ebenso der Schluss des Stückes ein schweres Leid der Liebe enthält, wird kaum des Nachweises bedürfen, und so wäre denn die von Tieck angenommene Ueberschrift mit ebenso vollem Rechte zu vertheidigen, wie der ursprüngliche Titel, zumal da alle Versuche einer wörtlichen Uebertragung, wie: der Liebe verlorne Mühe" oder: Liebesmüh umsonst" immer etwas Gezwungeneres haben als „Liebes Leid und Lust".

Eduard III., angeblich ein Stück von

Shakespeare.

Von

Hermann, Freiherrn von Friesen.

Das historische Drama: Eduard III. wurde zum Druck angekündigt im December 1595 und von Cuthbert Burby im nächstfolgenden 1596sten Jahre gedruckt. Ausserdem sind noch von 1599, 1609, 1617 und 1625 Drucke bekannt. Wiewohl darnach zu vermuthen ist, dass dieses Stück eines nicht geringen Beifalls genoss, wurde dennoch in damaliger Zeit kein Autor für dasselbe bezeichnet. Dass sich selbst bis gegen das Ende des siebzehnten Jahrhunderts keine Stimme erhob, die geneigt gewesen wäre, dasselbe Shakespeare zuzutheilen, lässt sich aus dem Umstande annehmen, dass man bei dem mit sieben neuen Stücken vermehrten Abdruck der Folio von 1664 nicht daran dachte, ihm einen Platz in dieser Ausgabe zu gönnen. Erst Capell lenkte eine grössere Aufmerksamkeit auf dasselbe, indem er es in seinem: Prolusious or select pieces of ancient poetry 1760 unter folgendem Titel abdrucken liess: a play thought to be writ by Shakespeare. Steevens behandelte diese bescheidene Aufstellung Capell's mit äusserster Geringschätzung (Ch. Knight pict. ed. doubtfull plays p. 280) und wahrscheinlich war das der Grund, warum seit dieser Zeit die angeregte Frage nicht wieder aufgenommen wurde, bis im Jahre 1836 in dem Buche: ,,Vier Schauspiele von Shakespeare, übersetzt von Ludwig Tieck, Stuttgart und Tübingen etc." auch von diesem Stück eine Uebersetzung veröffentlicht wurde.

Man muss sich hiernach für berechtigt halten, zu glauben, dass L. Tieck nicht den mindesten Zweifel an der Aechtheit dieses Stückes gehabt habe. Doch ist mir dies deshalb höchst zweifelhaft, weil mir aus einer mündlichen Aeusserung Tieck's bekannt ist, dass er mit der Erscheinung dieses Buches überrascht wurde. Ohne den Zusammenhang genauer zu kennen, vermag ich nur so viel anzugeben, dass bei der Uebergabe des Manuscripts dieser Uebersetzungen, die, gleich mehreren in der Schlegel-Tieck'schen Uebersetzung nicht von ihm selbst, sondern von dem Grafen Wolf von Baudissin herrühren Tieck dem Verleger ein Vorwort zugesagt hatte und dieser, ohne die Erfüllung dieser Zusage abzuwarten, mit der Herausgabe vorschritt.

Unter solchen Umständen ist mindestens Das völlig dunkel, was Tieck vorzugsweise bewogen habe, das gegenwärtige Stück Shakespeare zuzuschreiben. Die spätere Uebersetzung von Ortlepp, 1843, ist in Verbindung mit der im 5. Bande dieser „Nachträge zu Shakespeare's Werken" ausgesprochenen positiven Meinung eine fernere Stimme für Shakespeare's Autorschaft. Am Entschiedensten spricht sich Ulrici in: „Shakespeare's dramatische Kunst - Geschichte und Charakteristik etc. Leipzig 1847" für diese Meinung aus. Charles Knight (pict. ed.) ist der entgegengesetzten Ansicht und vertheidigt diese in einer Abhandlung von gewohnter Klarheit, indem er die Auslassungen von Capell sowohl als von Ulrici mit einigen Auszügen aus dem Stücke selbst zusammenstellt. Der letzte Herausgeber des Stückes, Dr. N. Delius (Pseudo-Shakespeare'sche Dramen. Elberfeld 1854), entscheidet sich ebenfalls für die Ansicht, dass minestens die für Shakespeare sprechenden Zeugnisse nicht genügend seien, um ihn mit Bestimmtheit als Autor zu nennen. Das aber wird yon Knight sowohl als von Delius behauptet, dass der Stil und die Anschauungsweise keinem andern Schriftsteller aus Shakespeare's Zeit zuzuschreiben sei. Delius spricht, auf Capell's Meinung gestützt, wörtlich aus: „In jener Periode des englischen Dramas, bis zum Jahre 1595, findet sich die Masshaltung des Ausdrucks, die Anmuth der Sprache, die Verständlichkeit der Charakteristik, die wir in Eduard III. anzuerkennen haben, ausser bei ihm, eben nur bei Shakespeare und sonst bei keinem Dichter jener Zeit." Nach diesen Vorgängen wird es nicht müssig erscheinen, sich über die Frage: „darf man dieses Stück Shakespeare zuschreiben oder nicht?" genauere Rechenschaft zu geben.

Das Sujet wird unter allen Umständen für anziehend gelten können: Der kriegerische König Eduard III. war im Begriff, seine An

Jahrbuch II.

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