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und da das fehlende grün und die fehlende Gesellschaft hinzugesetzt, ich kan dir nicht beschreiben wie sie sich ausnahmen. Doch Hänger geht zu weit, ich bin überzeugt daß ihm Hannover besser gefällt als sein angebohrenes London, er ist würcklich außer sich und ein ganz anderer Mensch als in Göttingen, allein, Frau Gevatterin, ich weiß nunmehr die Straße und das Haus sogar, das er Hannover nennt, der arme Teufel, ich wolte nicht wenig darum geben, wenn ich ihm Heilung verschaffen könte. Wohl dem, dessen Heilung, Glück und Vergnügen nur so hoch hängt, daß er sie allenfalls, ohne sich auf die Zähen zu stellen, erreichen kan, könte ich diesen Satz mit zwey Worten aus. drücken, so wolte ich ihn, so wahr ich lebe, zu meinem Wahlspruch machen.

Frau von Metmershausen ist sehr höflich und accordirt mir alle Tage etwas mehr. Von Anfang versagte sie mir sogar Lichtscheeren, Gläser und dgl. jetzo bin ich schon an ihr Weißzeug gekommen, da sie sieht, daß ich würcklich ein Mensch bin, der zu leben weiß, der wieder dient wo er kan, und der, wenn ihm auch alle Tugenden fehlen, gewiß nicht geißig und nicht undanckbar ist, so ist sie wieder gefällig, ich wolte sie um einen Finger wickeln, allein das ist meine Sache nicht Weiber um Finger zu wickeln.

So gantz wohl kann ich nicht sagen, daß ich gewesen bin. Mein rechtes Auge ist mir seit gestern förmlich entzündet, ein Umstand den ich nie gehabt habe, ich weiß nicht woher es komt, versündigt habe ich mich mit meinen Augen, seit meines Hierseyns, noch nicht, hingegen habe ich gestern jemanden im Dunkeln die Hand gedrückt, und doch ist meine Hand so gesund, zwar für unerkannte Augensünden stehe ich auch nicht, wenn ich aber einmal weiß, daß Augen eher bestraft werden als Hände, so kan ich ja wohl dem Schicksal die kleine Gefälligkeit erzeigen und allemal das Licht auslöschen.

Was Du Gevatter von belegten F**** sprichst, verstehe ich nicht und bitte ich mir eine Erklärung aus, oder ich befrage meinen Bruder über diese Tironianische Note, die mir nicht viel gutes verspricht. Wenn das z nicht darin wäre, so wolte ich wohl eine Erklärung finden, aber Wörter, die sich mit einem F anfangen und in welchen ein 3 ist, kenne ich, oder besinne ich mich noch zur Zeit nur auf vier: Fraßen, Franzosen, Frauenzimmer und dann eins, das mir die Schamhafftigkeit zu nennen verbieten würde, wenn mir nicht Gelehrsamkeit lieber wäre als Schamhafftigkeit, und das ist fürße, doch am Rhein haben wir eins, das auch beym Bergbau gebraucht wird, Flöte, farben wird hier nicht mitgerechnet. Also welches hast Du gemeint? Jch dende fast, aus dem Zusammenhang mußt Du Frauenzimmer gemeint haben, aber mein Himmel, warum schreibst Du Frauenzimmer mit Sternchen? Du kommst mir vor wie der Bauer, der einmal wider meinen Bruder sagte: Ich habe den Mann gekannt, wie er noch, mit Respect zu sagen, keinen Laib Brodt im Hause hatte. Nein, solche Geschöpfe, und

ihre Nahmen muß man nicht mit Sternchen schreiben, die nur für den T***I und seine Engel gehören, nicht wahr, Frau Gevatterin?

Nun ehe ich es vergesse, wenn ich rothe Dinte hätte, so wolte ich folgende Zeilen damit schreiben Zeige meine Briefe nur sehr wenigen Personen, so bekommst Du immer offenherzigere, sündigst Du aber darwider, (und wenn Du sündigst, so erfahre ich es gleich) so bekommst Du, so wahr ich jeßo Dein Freund bin (die heiligste Versicherung die ich kenne), keine Zeile mehr, oder wenigstens solche Zeilen, die so gut sind als keine. Zu Personen, die meine Briefe sehen können, schlage ich allein Herrn von Tönnies, Herrn von Richter und Herrn Boie vor, willst Du sie auch selbst diesen nicht vorlesen, so steht es Dir frey, aber keinem Menschen weiter darfst Du sie zeigen.

Glaubst Du denn, daß ich so gar sehr zum General verdorben wäre, daß ich mir nur einen Spion hielte, ich dächte, so etwas ließe sich kaum von einem Menschen glauben, der drey Jahr über zwey Engländer Hofmeister gewesen ist. Wisse denn, lieber Mann, daß ich allein zur Beobachtung deines Hauses ihrer drey habe, von deren zweyen ich heute Briefe hatte. Relation von Universitäts Sachen erhalte ich von 4, und sieben habe ich was Göttingen überhaupt angeht, also in allem 14 Spione; wovon mich vier so gar mein baares Geld kosten.

Die Magd im Hause und ich sind etwas weniger fremd gegen einander, sie ist ein gant sonderbares Geschöpf: Sie kommt selten auf meine Stube, ausgenommen wenn sie das Bette macht; wenn sie zur Thüre hinausgeht, so dreht sie sich herum und sagt mit einem Knicks: ich empfehle mich Ihnen, und zuweilen, wenn es die Zeit trifft, wünscht sie mir gesegneten Kaffee, alles in vollem Ernst, jedoch nicht ohne das Gewürze von Freundlich. keit, das Mädchen ihres Standes an alle Complimente werfen, die sie Standes personen vorsetzen. Wenn sie mein Nachtgeschirr hinausträgt, so wird sie gemeiniglich roth und dann sieht sie ganz artig aus. Eine selt same Verbindung von Ideen, dencke ich, muß jeho unter jener Haube gemacht werden, um bey einem Nachttopf zu erröthen. Hier habe ich schon zwey gesehen, die ich in Göttingen gekannt habe, und habe sie alle beyde gegrüßt, doch hiervon mehr ein andermal.

Heißt das nicht geschrieben? vier Seiten in folio und doch habe ich schon einen Brief an Kästner und einen an Herrn Baumann geschrieben und einen bekommt Herr Boie noch. Nun will ich mich aber auch wahrlich empfehlen. Frau Gevatterin, wegen des Rothlaufs küsse ich Ihnen die Hände und Dich, Gevatter, recht fest auf die Lippen und bin mit meiner angestammten Aufrichtigkeit Ihr ganz ergebenster Freund und Diener

G. C. Lichtenberg.

Es herrscht jeto hier eine Kranckheit, woran die Leute gemeiniglich nur zwey Tage krand sind, den dritten gehn sie gewöhnlich wieder aus!

17. An Frau Dieterich.

Liebste Frau Gevatterin

Jhren vortrefflichen Brief habe ich wenigstens so offt gelesen, als der andere, den mir Jhr und mein Dieterich, und mein Boie zusammen geschrieben haben, Abtheilungen hatte, denn so offt ich dort mit einer Periode zu Ende war, so holte ich wieder einmal den Ihrigen herbey. Morgen früh soll er in das noch nicht sehr dicke Paquet, das ich Archiv meines Herzens überschrieben habe, und in welchem ich die besten Briefe meiner Freunde aufbewahre, beygelegt werden. In das Büchschen hätte ich ihn gerne gelegt, aber es gieng nicht wohl an, ohne die andern Raritäten, die so lange vorher da waren, daraus zu verdrängen.

Sie haben Recht, ich erkenne es, daß Sie mir das gute Wetter erbeten (erbittet:) haben, und ich gönne Ihnen so gar das etwas unchristliche Vergnügen, mir diese Wohlthat vorzurücken, allein da Sie so ziemlich boshafft hinzusetzen, daß Sie mir eben so leicht brechende Achsen und BrannteweinMangel hätten vom Himmel erbitten können, so muß ich Ihnen doch im vorbeygehen sagen, daß, was den Brantewein anbetrifft, Sie sich vielleicht vergeblich an den Himmel gewendet haben würden, denn aus gewissen Umständen zu urtheilen, bekomme ich den meinigen anders woher.

Also wird doch noch zuweilen in Jhrer Stube an mich gedacht? Aber warum wünscht man, daß ich ohne meinen Teufel kommen möge? Diese Trennung gehe ich nicht leicht ein, und ich fürchte fast, wenn ich je wieder nach Göttingen komme, so bringe ich, anstatt diesen zu Hauße zu lassen, sieben andere mit, die ärger sind als er. Auf meiner Stube wird auch an Leute gedacht und gewünscht, ich will wahrlich nicht mehr lachen, wenn ich von Leuten lese, die mit Büschen (ich hätte beynah geschrieben Büchschen), Feldern und Wäldern gesprochen haben; ich habe, seitdem ich böse Augen habe, schon offt mit dem Hut gesprochen, den ich in der lezten Woche zu Göttingen trug, und die Schuhe zu Zeugen angerufen, die ich am lezten Abend anhatte, und die noch ungepuzt unter meinem Tische stehen. Du lieber Gott! Frau Ge vatterin, nicht wahr, man ist zuweilen gerne empfindlich, aber ist es nicht ein höchst Stiefmütterlicher Streich der sonst gütigen Natur, daß sie uns diese Empfindlichkeit, so ganz ohne allen Ueberzug, den wir bey Widerwärtigkeiten überwerfen könnten, gegeben hat? Was ist doch der Mensch. Ich, der

sinnige, muthwillige Lacher, der noch immer sich mit natürlichem Gewehr geholfen hat, wo andere Leute schon nach dem Schild des Glaubens griffen, der nemliche kann nicht einmal von Leuten Abschied nehmen, wenn er eine Reise von eilf Meilen machen soll, ja nicht einmal von Leuten, die villeicht Ursache haben soll ichs sagen Ursache haben, hinter ihm herzuflüstern: Nun Gott Lob daß der Tollkopf einmal aus der Stadt ist Hätte mich Dietrich damals geküßt, so wäre meine Standhafftigkeit zusammen gefallen wie ein Kartenhäußchen, in welches der Wind stößt.

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Die Kleckse in Jhrem Brief habe ich erst gesehen, nachdem ich Ihre Entschuldigung wegen derselben gelesen hatte. Ich glaube, während als ich den Brief laß, hätten Sie mir welche in das Gesicht machen, oder mir mit gebranntem Kord einen Zollbreiten Streifen von einem Ohr zum andern ziehen können, ich hätte es wahrlich nicht gemerckt, so sehr war ich in den angenehmen Brief verlohren. Nun etwas!

In 4 Wochen ungefähr, wenn Sie einmal einen schönen Freytag Morgen am Hainberge herauf kommen sehen, so schütteln Sie die Kissen des Kanapees für den Sonnabend zurecht. Denn ich poche gewiß einmal an Ihrer Thüre zu der Zeit, da Sie glauben, ich säße in Hannover und rechnete, oder schwärmte oder spielte um das höchste Loos. Glauben Sie sicherlich, meine Freunde zu sehen und nur 6 Stunden vergnügt zuzubringen, achte ich eine Reise, und wäre sie von 30 Meilen, nicht so viel als eine Stecknadel.

Jetzo will ich noch ein paar Zeilen an Ihren Dieterich schreiben, verzeyhen Sie mir aber, wenn Sie meine Briefe an ihn lesen, daß ich ihm mit so ungleicher Münze diene, schießen Sie die Zeilenpfennige aus, denn ich weiß es wohl, ich führe viel falsches Geld, aber ich könnte fürwahr nicht bezahlen, wenn man mir auferlegen wolte erst sorgfältig zu sortiren.

Ohne mich diesesmal um das Rothlauf zu bekümmern, küsse ich Sie mit unschuldiger Dreiftigkeit und bin Zeitlebens

Hannover am Sonntage den 15 Mertz

1772.

Jhr

ergebenster Diener und aufrichtiger
Freund

G. C. Lichtenberg.

In das Journal, das ich führe, habe ich folgendes geschrieben: Donnerstags den 27ten Februar machte ich einen kleinen Lärm in Herrn Dieterichs Hauß und Madame hätte beynah zu geschlagen, Donnersstags darauf den 5ten Merz machten die Studenten einen großen ditto auf der Straße und die Schnurren schlugen würcklich zu.

18. An Dieterich.

Hannover. Sonntags den 15ten Mertz 1772.

Freund Dieterich.

Deinen Brief, der an guten unverfälschten Gesinnungen reichhaltiger war, als irgend einer, den ich noch von Dir erhalten habe, hat mich bey meinen verdrüßlichen Augenkrankheiten, die ich nie in meinem Leben so ge habt habe, sehr aufgerichtet. Ich dancke Dir für alle die Nachrichten und gebe Dir wieder welche, so viel ich nemlich zu geben habe, aber heute wahr. scheinlicher Weiße etwas kürzer, als gewöhnlich, da, ohnerachtet ich manche Wörter schreibe ohne recht darauf zu sehen, mich dennoch das schreiben sehr angreift, denn durch die kleinen Riße, durch welche ich gucken muß, indem ich schreibe, kan man fast nicht hineinsehen.

Herr Schernhagen empfiehlt sich Dir von Herzen, ich spreche so wohl von Dir als von Herrn Fechtmeister, an den ich meine Empfehlung zu vermelden bitte, sehr offt mit ihm. Es freut mich sehr, daß ich sehe, daß man von dem lezteren so denckt, wie jeder vernünfftige und rechtschaffene Mann dencken muß, ohnerachtet es nicht an elenden gefehlt hat, die ihn anzuschwärtzen gesucht haben, die eingelegte Louisd'or ist für ihn,*) und wirst Du mich entschuldigen, daß ich ihm nicht geschrieben habe, es ist mit meinen Augen kein Schert. Es haben viele Personen hier diesen Umstand so hefftig, daß sie gar die Augen nicht aufthun können.

Der Verfasser oder Sammler Deiner Landbibliotheck wird hier durchgängig für einen grosen Gecken gehalten, Du wirst Dich eher insinuiren als disrecommendiren, wenn Du ihm den Handel nach dem ersten Band aufsagst. Er hat sich aufs neue durch einen Streich lächerlich gemacht, indem er eine Frau geheyrathet hat, die von ihrem Manne aus einer sonderbaren Ursache geschieden worden ist, nemlich aus der nemlichen Ursache, weswegen ich ehstens meinen besten Hut dem Trödler verkaufen werde, ich kan ihn nur zum chapeau bas gehen brauchen, aber auf den Kopf kan ich ihn nicht bringen und über den Stock schlagen will ich ihn nicht lassen. Dieses wuste Meyer, er nahm sie doch, und siehe, er findet den Hut ganz bequem. O laß mich meine Augen- das war ein fataler Stich, ich muß etwas ruhen. Was meine Reise nach Göttingen betrifft, so wirst Du in dem Brief an Dein Christelchen Nachricht finden, es bleibt dabey, Zeit und Stunde aber ist ungewiß.

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NB. Der Louisd'or, von welchem hier die Rede ist, kommt mit der fahrenden Post besonders, weil ich diesen Brief nicht wolte mit der fahrenden laufen lassen, um auch nicht 12 Stunden gegen Dich und Dein Christelchen nachlässig zu scheinen.

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