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Das Thema der Goethischen Poesie und Torquato Tasso. Für Schule und Haus dargelegt von Dr. Chr. Semler. Leipzig, Wartig, 1879. 94 S.

Der Verfasser ist Lehrer an der Handels-Lehranstalt in Dresden und betont von vorne herein, dass sein Zweck ein pädagogischer sei. Er will an Goethe's Leben und Entwickelung, an seiner Ausnutzung von Natur und Leben dem Jüngling den Weg weisen zur richtigen Verwendung seiner Kräfte und sachgemässer Benutzung dessen, was die Welt ihm bietet. Indem er Goethe's Verhaltniss und Stellung zu Liebe, Freundschaft, dem praktischen Beruf, Religion, Familie und Staat an der Hand seiner Dichtungen aufzeigt und darstellt, will er dem jungen Manne das Verständniss Goethe'scher Poesie eröffnen, dass sie ihm ein Leitstern sein könne auf seinem Lebenspfade. Als Beispiel, wie nach seinem Sinne Goethe's Poesien zu verwerthen sind, dient ihm Tasso, bei dessen Besprechung er das vorhin Entwickelte noch einmal kurz und kräftig zusammenfasst. Des Verfassers Zweck ist somit ein eminent praktischer und von diesem aus müssen wir seine Darstellung und Würdigung der Goethe'schen Poesie würdigen. Manches mag uns deshalb vielleicht zunächst etwas hausbacken vorkommen, Manches ein wenig unter dem Niveau erscheinen, auf dem wir dergleichen zu sehen gewohnt sind, wozu massive Ausdrücke wie „anschnauzen“ und ähnliche nicht wenig beitragen; mag Anderes vielleicht gewagt erscheinen, wie die Behauptung, dass Tasso als Fortsetzung des I. Theils des Faust zu fassen sei, immerhin leuchtet überall ernstes Bemühen und ehrliche Ueberzeugung aus der Arbeit hervor, die in ihrer Eigenart als ein glücklicher Griff erscheint, der zur Nachfolge auffordert.

Goethe's Mährchendichtungen. Von Friedrich Meyer von Waldeck. Heidelberg 1879. 252 S.

Man weiss, dass Goethe es liebte, in seine Dichtungen vielfach hineinzugeheimnissen. Man braucht da noch gar nicht an den II. Theil des Faust zu denken, auch viel kleinere, einfachere Gedichte zeigen seine Neigung zum Symbolisiren, zum Geheimnissvollen, das sich manchmal in einer Weise zeigt, dass man an eine beabsichtigte Neckerei des Dichters dem Leser gegenüber glauben könnte. Zu denjenigen kleineren Gedichten Goethe's, welche von jeher den Scharfsinn der Leser in hohem Grade in Anspruch genommen haben und in denen ich an mehr als einer Stelle ein solch neckisches Spiel des Dichters mit seinem Leser zu bemerken glaube, gehören im eminenten Sinne seine drei Mährchen: Der neue Paris, die neue Melusine und das verwickeltste und schwierigste von allen, das Mährchen in den Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. Meyer hat es sich nun zur Aufgabe gestellt, alles zur Erklärung nur irgend verwendbare Material zusammenzutragen, zu sichten und zu ordnen und nach vorangegangener besonnener Kritik seiner Vorgänger eine durchgreifende Erklärung aufzustellen. Der erste Theil seiner Arbeit bietet in der übersichtlichen Darstellung des vorhandenen Materials ein hübsches Stück Specialforschung, das wir dankend acceptiren dürfen. Was die schliesslich als Resultat von Meyer gebotenen Erläuterungen angeht, so sind sie jedenfalls mit grosser Umsicht und Sorgfalt und Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Einzelheiten aufgestellt, es dürften aber wohl die Urtheile über das Mass von Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit, das vom Verf. erreicht ist, weit aus einander gehen. Es spielt hier doch wohl die Individualität des Lesers - und, wie mich deucht, mit Recht eine gar grosse Rolle. Sind doch diese

Mährchen, ohne den Ernst, die didaktische Absicht ganz leugnen zu wollen, zum grossen Theil ein oft recht übermüthiges Spiel der Phantasie des Dichters mit dem treuberzigen Leser, der einen compacten, reellen Inhalt, eine „Moral“, oder sonst dergleichen, das er getrost nach Hause tragen kann, glaubt finden zu müssen. Zugegeben noch, dass die Erklärungen der beiden ersten Mährchen richtig sind, so ist das bei dem letzten, schwierigsten, man möchte fast sagen tollsten, doch recht unwahrscheinlich, trotzdem der Verfasser mehr Raum auf dasselbe verwendet, als auf alles Uebrige zusammengenommen. Schon dass M. sich veranlasst sehen kann, eine tabellarische Uebersicht von 17 verschiedenen Erklärungen von etwa 20 Hauptsymbolen des Mährchens aufzustellen, muss stutzig machen. Es dürfte sich hier, meine ich, empfehlen, nicht allzu sehr die Einzelheiten zu drängen, die neckischen Irrlichter der Goethe'schen Laune dürften sonst dem ernsten Wanderer, welcher sie zu fassen trachtet, arge Streiche spielen.

Deutsche Dichtung im Liede. Gedichte literaturgeschichtlichen Inhalts. Gesammelt und mit Anmerkungen begleitet von Dr. J. Imelmann. Berlin, Weidmann, 1880. 620 S.

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In keiner Dichterbiographie, in keiner Literaturgeschichte pflegen die Aeusserungen, mit welchen Dichter gegenseitig ihre Leistungen kritisiren, zu fehlen, am wenigsten dann, wenn sie sich in abgerundeter Gedichtform darstellen. Nicht als ob man die Brüder in Apoll" für die absolut competenten Kritiker und vorurtheilsfreiesten Beurtheiler halten müsste. — Parteileidenschaft, Persönlichkeiten, Verschiedenheit der Studien- und Geschmacksrichtungen trüben hier leicht noch mehr, als bei anderen den Blick dern weil die Kritiken der „Collegen", mögen sie auch häufig recht schief sein, im Zusammenhang der Literaturgeschichte doch helle Streiflichter auf die Person des einzelnen Dichters sowohl als auch auf seine Stellung inmitten seiner Zeit und der Mitstrebenden bei richtiger Benutzung zu werfen im Stande sind. Solche Gedichte literarhistorischen Inhalts in möglichster Vollständigkeit zu sammeln und zusammenzustellen hat nun Imelmann unternommen. Die Sammlung, chronologisch geordnet, erstreckt sich etwa über sechs Jahrhunderte, beginnend mit den ersten Versen des Hannoliedes und schliessend mit Dohm's Gedicht zu Gutzkow's Todtenfeier. Dazu giebt er einen kurzen, aber im Ganzen wohl ausreichenden Commentar dessen, was ihm in den gebotenen Gedichten der Erklärung bedürftig erscheint. In dieser Gestalt wird das Buch immer seinen Werth als eigenartiges Complement zu jeder Literaturgeschichte haben, aus ihm allein Literaturgeschichte lernen, unsere Dichter und ihre Werke im richtigen Lichte erkennen zu wollen, wird wohl Niemand unternehmen und wird dergleichen von dem Verf. auch keinesfalls prätendirt.

Bei der Eigenart der Sammlung kann es nicht fehlen, dass Manche recht schlecht fahren und keineswegs gerechte Würdigung erlangen, z. B. der arme Gottsched, über den nur Spottgedichte vorliegen, darunter das sehr bissige Rost'sche. Die Kritiken, welche seinen unleugbaren Verdiensten Gerechtigkeit widerfahren lassen, sind unglücklicher Weise in Prosa geschrieben. Das Princip, nach dem die auf einen Dichter bezüglichen Gedichte unter sich geordnet sind, hat mir offen gestanden nicht recht klar werden wollen. In den meisten Fällen scheint wohl der Zufall gewaltet zu haben. Ob der Verfasser gut daran gethan hat, so weit, wie geschehen, in die neueste Zeit hinabzusteigen, darf fraglich erscheinen. Hier ist doch wohl, zumal es sich mehrfach um noch Lebende handelt, die Erkenntniss noch nicht abgeklärt genug, subjective Vorliebe noch zu vorwiegend, mit einem Wort diese Dichter sind noch zu wenig geschichtsreif, als dass hier eine Auswahl getroffen werden könnte, welche ausnahmelos befriedigte.

Kleine Poetik. Ein Leitfaden zur Einführung in das Studium der deutschen Literatur. Von P. Strzemcha, Prof. in Brünu. Brünn, Knauthe, 1880. 90 S. u. Register.

Der Verfasser, Lehrer an einer Oberrealschule in Brünn, hat sein Buch bestimmt für die Schule und Freunde der Dichtkunst. Für erstere dürfte es sich als kurzgefasstes Repetitionsbuch wohl empfehlen, da es in Kurzem das Nöthigste aus den einschlägigen Gebieten: Sprache der Dichter (Figuren und Tropen), Vers, Reim, Strophe, ferner das Wesentlichste über die Gattungen der Dichtkunst in übersichtlicher Form vorträgt. Die Beispiele sind der Zahl nach genügend, meist recht glücklich gewählt und durchweg der deutschen Literatur entnommen, was leider nicht von allen solchen Zusammenstellungen zwecks Einführung in die deutsche Literatur gesagt werden kann. Ob das Büchlein auch zum Selbststudium ohne Beihülfe eines Lehrers für Ungeübte brauchbar wäre, möchte ich bezweifeln, ebenso, ob es „Freunden der Dichtkunst" die Möglichkeit zu bieten im Stande ist, sich mit Hülfe desselben tiefer in das Verständniss der Literatur einzuarbeiten und aus den Werken der Dichter einen höheren Genuss zu ziehen.

Dr. Lassberg.

Etude sur la Prononciation de l'E Muet à Paris. Par A. Mende. Londres, Trubner et Cie. 151 S.

Ein Werk über das sog. e muet ist in der That zu begrüssen. Es lenkt die Aufmerksamkeit der Französischlehrer auf einen Punkt, den sie gerne dem Zufall überlassen und den die Grammatiker bis jetzt vernachlässigt haben. Gewiss ist Keinem, der im Théâtre-français oder in einer Pariser Kirche auf die Aussprache Acht gegeben, entgangen, dass gar oft ein e verstummt, wo wir es weil im discours soutenu - nicht erwartet hätten, und dass wiederum nicht selten ein deutliches dumpfes e (= ö) hörbar wird, wo die Grammatik sich nicht bemüssigt gefunden, die Aussprache zu fordern, wie z. B. in aime-moi, la petite Berthe, fälschlich: aimmoi, la p'tit' perte, anstatt aim-ö-moi, la p'tit-ö-berte.

Herr Mende untersucht in seiner Arbeit die Gesetze der Aussprache und des Verstummens des sog. e muet, genauer des e sourd; die vielen Tausend Beispiele, die er zu diesem Zwecke anführt, sind theils dem Théâtrefrançais, theils einer Anzahl der hervorragendsten Professoren und Prediger in Paris entnommen.

In einem Briefe, der die vorliegende Arbeit begleitet, drückt sich M. Legouvé folgendermassen über dieselbe aus: Le livre de M. Mende témoigne d'une grande science et d'une grande finesse d'observation. Le problème qu'il aborde est bien difficile à résoudre absolument; mais le travail de M. Mende dit tout ce qu'on peut dire, et je ne saurais trop le recommander aux amateurs de la bonne diction."

Gegenüber einer solchen Empfehlung von so gewichtiger Seite sollte die Kritik schweigen; aber da gerade die Kritik am ehesten zum Eingehen auf einen Gegenstand verlockt, möchten wir hier wenigstens andeuten, dass der erste Theil, unseres Erachtens, richtiger behandelt worden wäre und zu einfacheren, bestimmteren Resultaten geführt hätte, wenn 1) der Unterschied zwischen monosyllabes enclitiques und m. proclitiques weggefallen wäre, wenn 2) der Verfasser den Anlaut der betreffenden dumpfen Silbe in allen Fällen als an die vorangehende Silbe, nicht das vorangehende Wort, angelehnt betrachtet und dann 3) untersucht hätte, bei welcher Beschaffenheit, bei welchem Auslaute, dieselbe die Anlehnung des folgenden Con

sonanten gestattet, bez. verwirft. Denn wir halten das Verstummen des e in peut aussi me donner ([p. 67]: aussim'-donner, nicht: aussi-m'donner) und in près de Francfort ([p. 79]: prèd'-Francfort, nicht: près-d'Francfort) für durchaus gleichartige Erscheinungen, während Herr Mende im letzteren Beispiele dfr als Anlaut zu d'Francfort auffasst.

Auch gegen die scheinbar unbestreitbar proklitischen Fälle c'n'est pas assez, j'lui dis, j'te r'trouverai liesse sich manches einwenden. Wer wil beweisen, dass die betreffenden Consonanten hier absolut ohne die Vermittelung eines ganz kurzen, schwachen ö-Lautes verbunden sind? Aehnliches liesse sich von vielen anderen Beispielen sagen, wo vollständiges Verstummen, wenn ein solches angenommen wird, höchstens in der Umgangssprache vorkommen dürfte.

Dass zur Versinnlichung des ö-Lautes von je und ne (pp. 9 u. 151) das Adjectiv jeune mit dem offenen ö gewählt worden, ist wohl nur ein Versehen. Bg.

Miscellen.

Die Hexen-Scenen aus Shakespeare's Macbeth.

Eine werthvolle Entdeckung auf dem Gebiete der Shakespeare-Literatur haben wir Karl Blind zu verdanken. Derselbe hat in der Zeitschrift, Gegenwart" nachgewiesen, dass in den an das altgermanische Alterthum streifenden, meist in Kurzzeilen (Reimpaaren) abgefassten Hexenscenen mit Vorliebe der alte Stabreim angewandt ist. Allerdings geht Blind in der Aufsuchung der Stabreime zu weit, insofern er a) auch unbetonte Silben dafür bezeichnet, b) den Stabreim aus einer in die andere Zeile hinüberzieht. Daraufhin liess H. P. Frh. v. Wolzogen eine Entgegnung' ** ergehen, in welcher er die Hauptsache zu erwähnen a) verwirft, während er b) beibehält. Wenn wir uns nun die fraglichen Scenen unter Beachtung der alten Kurzzeile genau ansehen, so müssen wir allerdings neben dem unvollkommenen Endreime einen unvollkommen durchgeführten Stabreim zugeben; letzterer aber findet eine lange nicht so ausgedehnte Anwendung als Blind und von Wolzogen behauptet, freilich noch immer genug, um die Entdeckung werthvoll zu machen. So finden sich z. B. in dem 1. Auftritte von Macbeth folgende Verse mit Stabreim:

[blocks in formation]

Die Schreibung Mac-Beth ist hier von mir angewandt worden, um das Verständniss für die Aussprache des Namens zu erleichtern: Beth ist der eigentliche Name und daher betont; Mac ist das häufige Vorsetzel, wie auch in Mac-Duff.

Unwillkürlich wird der Wunsch rege, eine Uebertragung des Macbeth zu besitzen, welche der Blind'schen Entdeckung Rechnung trägt; eine solche könnte selbstredend wegen der Schwierigkeit, den Stab- und Endreim gleichzeitig zur Anwendung zu bringen, nur eine freie sein. Es sei mir für den 1. und 3. Auftritt des 1. Aufzuges die Vorlage eines Versuches gestattet:

* Jahrgang 1879. Nr. 16.

** Desgl. Nr. 23.

Archiv f. n. Sprachen. LXIV.

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