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verknüpfen, aber nie die Grundlage des öffentli chen Lebens abgeben. Nachdem, Guizot hierauf den Begriff der Religion festgestellt hat, erörtert er, daß man sich für die christliche Priesterschaft des Ausdrucks Kaste nicht bedienen dürfe, weil mit dieser der Begriff der Erblichkeit, des Priz vilegiums verbunden sey, während die christliche Kirche immer den Grundsatz der gleichen Zulas sung eines jeden zum Priesterstande festgehalten babe. In Kasten lebt der Geist der Unbeweglichkeit, der Stagnation, während in der christlichen Kirche fortschreitende Entwickelung erkennbar ist; eben aus dem Principe der Gleichheit schöpfte sie in jenem Zeitraume unermeßliche Kraft. Nach= dem das römische Reich gefallen, sah sich die Kirche den Fremden gegenüber, mit denen sie nichts verknüpfte. Sie mußte sich ihrer bemächtigen, sie bekehren und zu dem Behufe an ihre Sinnlichkeit, ihre Phantasie, sich wenden. So er: wuchs der Pomp des Gottesdienstes. Dennoch übte der neue Glaube wenig Gewalt über die Bekehrten, und sich zu schüßen, stellte die Kirche die Lehre von der Trennung der geistlichen und weltlichen Gewalt auf; bald wollte sie über den Gedanken nicht nur, die Sitte, die Individualitát gebieten, fie wollte die Weltherrschaft. Aus der Unabhängigkeit der Geistlichen von ihren Gläubigen erwuchsen mancherley Misbräuche. In der Geistlichkeit selbst nehmen wir allerdings un ausgefehte Bewegung, ståte Discussionen wahr, nicht aber zwischen Geistlichkeit und Volk, und indem die Laien nur die Zuschauer der Regierenden abgaben, bildete sich frühzeitig die Ansicht, daß die Lösung aller auf Theologie bezüglichen Fragen lediglich den Geistlichen gebühre. Es ist falsch, heißt es spåter, daß man dem Christenthume die Abschaffung der Sclaverey verdanke;

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Ichtere bestand lange unter den christlichen Volkern, wurde aber durch das Christenthum einge schränkt. Der Einfluß der Kirche auf die euro päische Sittigung ist unermeßlich. Alle Fragen der Philosophie und Politik wurden auf Theologie zurück geführt; auf ibr beruhte fast die ganze intellectuelle Bildung. In Beziehung auf Poliz tik trat die Kirche als Vertheidigerin des theo: cratischen und römischen Kaiser Systems auf, also in beiden für den Despotismus. Weil jede Religion im Namen des göttlichen Gefeßes die menschliche Natur zügeln soll, muß sie das Stre ben nach menschlicher Freyheit bekämpfen, Unter Karl dem Großen trat die Kirche mit dem Kaiz serthume noch ein, Mahl in "enge Verbindung. Aus der nach dem Tode dieses Regenten folgenden politischen Verwirrung ergab sich auch ihre Zerrissenheit, bis sie durch Gregor VII. eine neue theocratisch mônchische Gestaltung gewann. Gres gor war ein Reformator auf dem Wege des Dess potismus; er wollte die Kirche und durch sie den Staat auf Sittlichkeit, Gerechtigkeit, Ordnung zurück führen; freylich alles durch den heiligen Stuhl und zu dessen Vortheil; die Welt follte der Kirche, die Kirche dem Papstthume dienen.

Die siebente Vorlesung, welche sich über die Durchbildung des städtischen Lebens verbreitet, ist in mehr als einer Beziehung überaus schwach zu nennen. Hier fehlt Kenntniß der umfassenden Vorarbeiten von Deutschen, wenn schon Guizot mit den Forschungen v. Savignys vertraut ist.

Es läßt sich die Geschichte der europäischen Cultur in drey große Abschnitte faffen: die Pe. riode der Gründung, wo die Elemente des ges fellschaftlichen Lebens sich aus dem Chaos sondern, bis zum 12. Jahrhundert; die Periode des Rin gens, wo die Elemente sich suchen und finden,

bis zum 16. Jahrhundert; endlich der Zeitraum, wo die Entwickelung der menschlichen Gesellschaft einem klaren Ziele entgegen geht. In der zwey= ten Periode erkennen wir vermittelst der Kreuz züge die erste europäische Begebenheit. Diese Bewegung, welche das chriftliche Europa, und da fie in die Zeit der Jugend der Völker fiel, den Heroismus weckte, ging vom Volke aus und 30g die Fürsten erst fpåter nach sich. Als das Volk zurück, trat, konnte kein Concil, keine Pres digt zu neuen Zügen begeistern, obgleich die Un gläubigen vordrangen und man mehr Mittel zum Kampfe gegen fie besaß als früher. Zwey Grüne de, der eine moralischer Natur, der andere aus socialen Verhältnissen sich ergebend, riefen zu den Kreuzzügen; ein Mahl forderte der Glaube dazu auf und die Kreuzzüge waren nur, mit Verán, derung der Schauplaßes, eine Fortsetzung des früher begonnenen Kampfes gegen Muhamedanismus; fürs Andere war mit dem wandernden Les ben keinesweges die Liebe für Bewegung und Abenteuer erstorben.. Die ersten Chronisten der Kreuzzüge bezeichnen die Muhamedaner nur aus dem Gesichtspuncte der religiösen Feindschaft; bey den späteren geben sich schon Anknüpfungen zwis schen dem Christenthume und › Muhamedanismus kund, und Wilhelm von Tyrus erhebt mitunter die muhamedanische Lebensweise auf Kosten der chriftlichen. Es erging den Kreuzfahrern wie den Reifenden, die mit jedem Schritte der Wande. rung viel des Alten abstreifen. In der griechis schen und muhamedanischen Welt traten ihnen zwey neue Bildungsstufen entgegen, die beide in einzelnen Rücksichten der lateinischen überlegen waren. Nun begegneten sich Occident und Sri

ent.

Der Glaube rief die Kreuzzüge hervor und

leßtere nahmen dem erstern die ausschließliche Herrschaft über den menschlichen Geist.

Bu der Entwickelung des Königthums überz gehend, läßt der Verf. sich in der neunten VorLesung folgendermaßen aus. Zwischen der Natur des Königthums und der Natur der menschlichen Gesellschaft muß eine tiefe Analogie vorherrschen, da Jahrtausende hindurch unter den versaæiedenften Verhältnissen das Königthum sich immer von neuem entwickelte. Hier liegt nicht ausschließlich Gewalt zum Grunde, sondern ein ungleich machtigeres Element geistiger Natur. **_Trok_seiner schlichten, fich gleich bleibenden Form findet man das Königthum in den ungleichartigsten menschlichen Gesellschaften. Das Königthum ist die Per fonification der Souverainetät des Rechts, wel: chem es gebührt, den Willen der Individuen zu leiten, weil es hoch über demselben steht. Das theocratische System stellt die Könige als das Bild Gottes auf Erden dar, Rechtskundige ha: · ben in ihnen das lebendige Gesetz bezeichnet; das Königthum selbst gibt sich für die Personification des Staats, des allgemeinen Interesse, aus. Für feine Gestaltung find die Zeiten günstig, wo die individuelle Kraft anfängt sich zu entwickeln. Im Anfange der Periode zeigt sich uns das germani: sche Königthum unter Chlodwig, das kaiserliche unter Constantin; ersteres hat in der Wahl noch seinen primitiven Character beybehalten, obgleich diese Wahl schon der Erblichkeit nahe steht, da man von einer Familie nicht abzugehen pflegte; im römischen Königthume erblicken wir die Pers fonification des Staats, den Erben der Souz verånetåt und Majestät des römischen Volks und feit Constantin den Stellvertreter Gottes. Stieg früher die Gewalt zum Fürsten von unten nach oben, so kommt sie ihm jezt von oben herab und

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zwischen Gott, und König, zwischen König und Volk rückt das Priesterthum vermittelnd ein. Im Augenblicke, als der erste Karolinger den Thron bestieg, zeigte sich in der Wahl noch das germa nische Königthum; aber zugleich gewann das res ligiöse Princip Einfluß und unter Karl d. Gr. entwickelt sich das römische Königthum; er möchte die Einheit des römischen Staates wieder aufz erstehen lassen; er dient der Geistlichkeit nicht, er bedient fich ihrer. Die neuere Bedeutung des Königthums schreibt sich erst seit dem zwölften Jahrhundert.

Adel, Geistlichkeit, Städte waren gesonderte, aber in ståter Berührung mit einander stehende Genossenschaften; erst aus ihrer Verschmelzung konnte der Staat sich ergeben. Die Versuche einer politischen Organisation vom 12. bis zum 16. Jahrhundert sind zweyerley Art; von der einen Seite wollte man eins der socialen Ele mente (Adel, Geistlichkeit, Städte) vorwalten lassen; -von der andern Seite strebte man dar: nah, diese in Einheit zu bringen, ohne einem derselben seine Freyheit und feinen Einfluß zu verkümmern. Ersteres anbelangend, so suchte die auf ihr moralisches und politisches Uebergewicht sich stügende Kirche die verschiedenen Corporatio nen der geistlichen Gewalt unterthänig zu mas chen. Dem jedoch stand das Christenthum im Wege, welches auf Glauben, nicht auf Gewalt, beruht und nur durch das Wort und nur Seelen gewinnen soll. Ueberdies stand nach dem Sturze des römischen Reichs die Kirche auf Seiten der Besiegten und stieß, nachdem sie die Sieger be kehrt hatte, auf den Stolz und Widerstand des Lehensadels. Sodann war überall, wo Theocra tie begründet wurde, die Geistlichkeit verheirathet und ergänzte sich aus sich selbst; wo sie wegen.

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