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Beiträge zur Kenntnis des Baues der Enchytraeiden.

Von

Dr. Richard Hesse,

II. Assistent am Zool. Institut in Tübingen.

(Aus dem Zoologischen Institut zu Tübingen.)

Mit Tafel I.

Bei meinem Aufenthalte in Neapel im März und April 1893 fand ich dort zwei Arten von Strandenchytraeiden, die mir Veranlassung gaben zur eingehenderen Beschäftigung mit der Anatomie und Histologie dieser Wurmfamilie. Zur Vergleichung untersuchte ich einen unserer heimischen Enchytraeiden, Fridericia Ratzelii Eisen, welcher mir werth volle Resultate lieferte. Meine Untersuchungen beziehen sich in der Hauptsache auf die Muskulatur; ferner auf die sog. Septaldrüsen und ihre Ausmündungsweise, auf die Drüsen der auf die Geschlechtssegmente folgenden Segmente und auf die Blutgefäße des Darmes.

Da ich im Folgenden öfters auf die beiden in Neapel gefundenen Enchytraeiden Bezug nehmen muss, beginne ich mit der Beschreibung derselben. Sie sind beide neu, und zwar ist der eine in eine neue Gattung einzureihen, der andere gehört der Gattung Pachydrilus an, wie sie durch MICHAELSEN (8) in seiner Synopsis der Enchytraeiden festgelegt ist.

Parenchytraeus n. gen. Für diese Gattung charakteristisch ist die eigenartige Beschaffenheit des Gefäßsystems (Fig. 1), welches von dem bei allen anderen Enchytraeiden gleichmäßig vorhandenen abweicht. Während bei diesen das Rückengefäß bis in das erste Körpersegment ungetheilt verläuft und seine beiden Äste sich von der hier gelegenen Theilungsstelle gleich zur Bauchseite und alsbald rückwärts wenden, theilt sich dasselbe bei dieser Gattung schon wenig vor dem zweiten Borstenpaare, die beiden Äste verlaufen bis in die Höhe des ersten Borstenpaares nach vorn, biegen da nach der Bauchseite um, verlaufen auf dieser nach hinten, und vereinigen sich wieder zwischen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LVII. Bd.

dem zweiten und dritten Borstenpaare. Das Rückengefäß ist mit dem. Bauchgefäß durch drei Gefäßschlingenpaare verbunden, deren erstes dicht hinter der Theilungsstelle des Rückengefäßes von diesem abgeht. Die Vergleichung der Fig. 1 und 11 lässt am besten die Besonderheiten der Gefäßanordnung bei dieser Gattung hervortreten. Im Übrigen hat die Gattung folgende Merkmale: die Borsten sind gerade, mit schwach hakenförmiger Umbiegung am inneren Ende (Fig. 3); ein Kopfporus ist vorhanden und liegt an der Grenze zwischen Kopflappen und erstem Segmente; Rückenporen fehlen; die Lage der Geschlechtsorgane ist die für die Familie gewöhnliche: Hoden im 11., Eierstöcke im 12. Segmente; die Hoden und Eierstöcke sind einfach, massig; das Blut ist farblos.

Parenchytraeus litteratus n. sp. Die Länge des Thieres beträgt 10-11 mm, seine Dicke 0,25 mm; die Zahl der Segmente ist 40 bis 45. Die Farbe ist weißlich. Die Cuticula zeigt unter dem Mikroskop eine Zeichnung, welche entfernt an arabische Schriftzeichen erinnert (Fig. 2 a); ich habe danach den Namen der Art gewählt; auf dem Gürtel tritt dagegen eine Fleckenzeichnung (Fig. 2b) auf, wie bei den Pachydrilen am ganzen Körper, welche ihren Grund darin hat, dass die Hautdrüsen das Licht anders brechen als die übrige Körperbedeckung. Der Kopflappen trägt zahlreiche Papillen; das erste Körpersegment ist von zwei Ringen solcher Papillen umgeben, welche, von einander wenig entfernt, die Mitte des Segmentes umgürten. Die Körperchen der Leibeshöhle sind nur von einer Art: elliptische Scheiben mit einem stark lichtbrechenden Kern in der Mitte (Fig. 4). Die Speiseröhre geht in den Magendarm allmählich über. Die Septaldrüsen sind in drei Paaren vorhanden, welche im 4., 5. und 6. Segmente liegen. Speicheldrüsen fehlen. Die Samentrichter sind cylindrisch, vorn verschmälert, ohne umgeschlagenen Rand (Fig. 6); das Verhältnis ihrer Länge zur Breite ist 4,9 1. Der Samenleiter ist wenig mehr als dreimal so lang wie der Trichter. Die Spitze des Penis ist mit kleinen Papillen der Cuticula besetzt (Fig. 7). Die Receptacula seminis sind ovale Säcke mit deutlichem, nicht scharf abgesetztem Ausführungsgang (Fig. 8); die Öffnung, durch die sie mit dem Darme in Verbindung stehen, ist sehr weit (Fig. 9). Die Segmentalorgane (Fig. 10) haben ein kleines Anteseptale und ein massiges Postseptale. Das Rückengefäß entspringt Ende des 43. oder Anfang des 14. Segmentes aus dem Darmsinus. Das Gehirn ist hinten stark, vorn ganz seicht ausgeschnitten (Fig. 5); seine Länge verhält sich zur Breite wie 1,41. Die Copulationsdrüsen, EISEN'S >> flügelartige Wucherungen des Bauchstranges «, finden sich in den Segmenten 4, 5 (in diesem nur schwach), 13 und 44.

Ich fand die Thiere in Neapel am Molo des Mergellinahafens, auf

der Unterseite mittelgroßer, im Bereich der Wellen liegender Steine. Sie wurden im April gesammelt und waren zu dieser Zeit alle geschlechtsreif.

Pachydrilus litoreus n. sp. Die Länge des ausgestreckten Thieres beträgt 17 mm; die Zahl der Segmente ist etwa 40. Die Färbung ist vor dem Clitellum hell, durchscheinend; das Rückengefäß ist oft als rother Streifen sichtbar; hinter dem Clitellum ist die Farbe hellrothbraun bis roth. Die Drüsen der Subcuticula sind hell. Die Borsten sind typische Pachydrilusborsten, und zwar stehen sie in den dorsalen Bündeln zu fünf bis sechs, in den ventralen zu sechs bis zehn. Der Kopfporus liegt an der Grenze zwischen Kopflappen und erstem Segment; Rückenporen fehlen. Die Körperchen der Leibeshöhlenflüssigkeit (Fig. 42) sind länglich, wie bei Pachydrilus lineatus O. F. Müll. Die Lage der Geschlechtsorgane ist die gewöhnliche; Hoden und Eierstöcke sind gelappt (multiples « CLAPAREDE). Der Samentrichter (Fig. 14) ist fast cylindrisch, nach hinten etwas verschmälert, vorn mit umgeschlagenem Rande. Das Verhältnis seiner Länge zur Breite ist 21/4:1. Der Samenleiter ist etwa viermal so lang als der Samentrichter. Die Receptacula seminis (Fig. 15) haben keinen deutlich abgesetzten Ausführungsgang, und sind denen von Pachydrilus lineatus ähnlich; sie kommuniciren mit dem Darme; ihre Färbung ist im lebenden Thiere hellrothbraun. Die Segmentalorgane (Fig. 16) haben ein kleines röhrenförmiges Anteseptale und ein massiges Postseptale, an dessen Ende der Ausführungsgang entspringt, der vor den ventralen Borstenbündeln mündet; der vordere Theil des Postseptale ist am lebenden Thiere röthlich gefärbt. Das Blutgefäßsystem (Fig. 11) gleicht dem der anderen Pachydrilen in der Anordnung. Die vier Gefäßschlingen, welche Rücken- und Bauchgefäß mit einander verbinden, sind ziemlich lang. Das Rückengefäß entspringt aus dem Darmsinus im Anfang oder der Mitte des 44. Segmentes mit herzartiger Erweiterung, die sich bis ins 12. Segment erstreckt. Das Gehirn (Fig. 13) ist hinten stark, vorn ganz wenig ausgeschnitten; seine Länge verhält sich zur Breite wie 1,27: 1. Die Copulationsdrüsen (» Bauchstrangwucherungen « EISEN'S) (Fig. 28) überwachsen die Oberseite des Bauchstranges nicht; sie finden sich im 43., 14. und 15. Segment.

Diese Art fand ich am Gestade unterhalb des Posilipp, östlich von dem der Insel Nisida gegenüberliegenden Landungsplatz, am unteren Rande größerer, im Gebiete des Wassers liegender Steine, in großer Menge. Im April waren alle Thiere geschlechtsreif.

Die Muskulatur der Enchytraeiden, der wir uns zunächst zuwenden wollen, wurde zuerst von RATZEL (1) genauer untersucht.

Von ihm stammt die Eintheilung der Muskeln in nematoide Muskeln, Hirudineenmuskeln und einfache Muskelfasern. Bei den Enchytraeiden findet er die beiden ersteren Arten, und zwar die nematoiden Muskeln in der inneren Lage der Längsmuskelschicht, die Hirudineenmuskeln in der äußeren Lage der Längs- und in der Ringmuskelschicht; dass die Längsmuskelschicht aus einer doppelten Lage von Muskeln bestehe, ist auch zuerst von ihm gefunden worden. VEJDOVSKÝ in seiner Monographie der Enchytraeiden erwähnt die RATZEL'schen Angaben; doch lässt er von ihnen nur gelten, dass die Muskeln der Längsschicht sehr an die der polymyaren Nematoden erinnern; die übrigen Angaben bestreitet er. In seinem » System und Morphologie der Oligochaeten « (5) giebt er, entgegen seiner früheren Behauptung, zu, dass die Ringmuskelschicht aus Röhrenmuskeln zusammengesetzt sei; doch hält er daran fest, dass die Längsmuskulatur einschichtig sei; in histologischer Beziehung findet er die Längsmuskelschicht ganz abweichend von den Röhrenmuskeln der Ringmuskellage gebaut. Zwischen Ring- und Längsmuskulatur liegt nach ihm eine Basalmembran. ROHDE (6) hat die Muskulatur von Enchytraeus nicht selbst untersucht und bezieht sich hierin nur auf RATZEL'S Angaben. MICHAELSEN (7) in seiner eingehenden Arbeit über Enchytraeus Möbii bespricht auch die Muskulatur genauer. Nach ihm besteht die Ringmuskelschicht aus röhrenförmigen Muskeln; er beschreibt die keilförmig zugespitzten Kanten, mit denen die Muskeln dieser Schicht in die Hypodermis eindringen, und die Störung der Einschichtigkeit, welche durch die Auflagerung einzelner Muskelfasern auf die eine Schicht öfters bewirkt wird. In der Längsmuskelschicht findet er zwei Arten von Muskeln: die äußere Lage besteht aus schmal bandförmigen bis fadenförmigen, unregelmäßig gelagerten Muskeln, die innere aus breit bandförmigen Muskeln, die sich die Breitseiten zukehren. Bei Enchytraeus hegemon trifft er die äußere Lage aus deutlichen Hirudineenmuskeln bestehend; so bildet er sie auch ab in seiner Synopsis der Enchytraeiden (10). Weiter bespricht er die zwischen Peritoneum und Muskelschicht liegenden Zellen, die er mit KÜKENTHAL als Wanderzellen betrachtet, welche den Muskeln Nahrung zuführen sollen.

Ich beginne mit der Besprechung der Ringmuskelschicht. Sie liegt dicht unter der Hypodermis und besteht aus Zellen, die von allen angeführten Autoren als röhrig beschrieben, also dem Hirudineentypus RATZEL'S zugetheilt werden. Doch kann ich nach meinen Befunden an Längsschnitten durch den Wurm, wobei also die Ringmuskulatur quergeschnitten wird, mich nicht mit dieser Ansicht einverstanden erklären. Ich beziehe mich in den folgenden Ausführungen hauptsächlich auf Fridericia Ratzelii. Am klarsten und größten sind die Ringmuskel

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