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309. An Franz Ferdinand Wolff.

Wohlgebohrner Herr

Hochzuverehrender Herr Consistorial-Sekretär

Daß Ew. Wohlgebohren nicht mit zu denen Personen zu Hannover gehören, in welchen Herr Berschütz zu erst die Neigung zur Physic erweckt hat, ist mir sehr viel länger bekannt, als Dero Bescheidenheit Ihnen vielleicht zu glauben verstatten würde, und ich schätze es mir für eine wahre Ehre, daß meine bisher noch immer geringe Bemühungen, etwas in einem noch sehr verwirrten Theil der Naturlehre zu leisten, mich in eine nähere Bekanntschafft mit Ew. Wohlgebohren gebracht haben. Ich habe die Beschreibung von Dero Versuchen mit grosem Vergnügen gelesen. Was den ersten anbetrifft, so glaube ich, haben Ew. Wohlgebohren die wahre Ursache getroffen, wenn Sie glauben, es rühre von der kräfftigeren Leitung des Stanniols her, und zumal wenn Sie die Versuche in einem Zimmer anstellen, dessen Boden aus sehr trocknen Dielen besteht. Ich habe ebenfalls solche Semielectrische Fußböden, ich pflege daher, wenn ich kräfftige Funcken ziehen will, nicht allein das Reibzeug meiner Maschine mit der grosen Dachrinne zu verbinden, sondern auch den Körper, womit ich den Funcken ziehe; nehme ich den an die Dach rinne befestigten Drat in die Lincke und ziehe den Funcken mit der Rechten, so bekomme ich einen förmlichen Stoß, zu weilen so hefftig, daß Personen, die ich ein gleiches zu thun einlade, selten Neigung bezeigen es zum 2ten male zu versuchen, da der Funcke, wenn er auf die gewöhnliche Weise herausgelockt wird, nur eine Erschütterung durch die Hand und Höchstens bis an den Ellnbogen verursacht. Solche Verbindungen mit grosen Dachrinnen, oder noch besser mit der Gosse, oder dem Brunnen, sind bey unsern semielecktrischen Fusböden sehr nützliche Einrichtungen, nur muß man sie abnehmen können, weil sie bey Donnerwettern dem Blitz einen Weg weisen, und einen Zuspruch verursachen möchten, dessen man gerne überhoben gewesen wäre. Zumal gilt dieses von den Dachrinnen.

Ihre Art Pulver zu zünden gefällt mir sehr, und ich wäre auf eine umständliche Beschreibung der Einrichtung begierig. Schläge durch unter. brochene Leitung sind freylich sehr würcksam, so kan man auch Zunder so gar anzünden, der sich durch den plößlichen Schlag durch eine vollkommene Leitung nicht anzündet, so schmelzt man eine Bleykugel über dem Licht in Papier, da Papier allein anbrennt. Die Flamme, die Ew. Wohlgebohren gesehen haben aus dem Pulver hervor schlagen, könte auch ein brennbarer Dunst gewesen seyn, der entstanden seyn könte, wenn Sie etwa das Pulver über dem Feuer getrocknet hätten. Ich habe wenigstens öffters Pulver in

einem eisernen Löffel über Kohlen gehalten bis eine blaue flamme darüber hinschlug, ohne das Pulver zu schmelzen oder zu zünden, doch hierüber will ich nichts entscheiden.

Auf Ew. Wohlgebohren Versuche über das willkührliche Zerspringen der Flaschen bin ich sehr begierig.

Ich habe seit einiger Zeit die Electricität etwas liegen lassen, und beschäfftige mich dafür mit den herrlichen Erscheinungen, welche die Entdeckungen mit den Lufftarten gewähren. Ich habe in diesen Tagen eine Sackuhr Feder, die über einen Fuß lang war, in dephlogistisirter Lufft angesteckt, daß sie abbrante wie ein Bindfaden und das mit einem Licht, daß man auf 10 Schritte davon einen feinen Druck lesen konte. Dieser Versuch, und der mit dem Phosphorus in dephlogistisirter Lufft find für das Auge die schönsten, die ich in meinem Leben gesehen habe. Man kan so gar in dephlogistisirter Lufft vermittelst einer kleinen Batterie einen Eisendrat anstecken, daß er abbrennt, knüpft man ihn an eine Sackuhrfeder an, so geräth auch diese in Brand, und ich bin jezt damit beschäfftigt eine Federmesser-Klinge durch den Electrischen Funcken anzuzünden. Wenn Ew. Wohlgebohren sich bequem etwas dephlogistisirte Lufft verschaffen könten, so wolte ich mir die Freyheit nehmen Ihnen das Verfahren so gnau zu beschreiben, daß der Versuch nicht fehl schlagen könte.

Ich habe die Ehre Hochachtungsvoll zu verharren
Ew. Wohlgebohren

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Der Mann, der Ihnen gerathen hat, gar keine Gewitter Ableiter auf niedrige Pulverthürme oder Magazine zu legen, hat gewiß mit seinem bon sens mehr gethan als hundert Sancti Electrophori. Es ist gewiß ein sehr kluger Rath, dem ich recht von ganzer Seele beypflichte. Ich halte aufrichtig gesprochen von dem Ganzen Bettel nichts, und würde blos rathen die First des Daches (die Schornsteine bey Wohnhäusern) und die übrigen Ecken mit Bleystreifen zu belegen und mit der Erde zu verbinden, ohne BravourTruß und Schutz Stangen, damit der Bliß, wenn er mein Haus trifft, und auch ohne diese Vorrichtung getroffen haben würde, ihm keinen Schaden thue. Denn das ist ausgemacht. Ein Schlag, der so hefftig ist, daß das

Ach bleib mit Deiner Gnade pp auf 10 Quadratmeilen angestimmt wird, läßt sich wie ein Lamm an einem Glocken Drat leiten, ja durch ver. goldete Leisten unschädlich abführen. Hieraus erhellt alles was man zu thun hat. Nur muß man Ableiter nicht für gefährlich halten. Die Mode macht viel Geschwäz, der Kluge nüzt alles. Ich habe diese Regel immer gülden gefunden.

Wenn Sie jezt bey mir wären, so wolte ich Sie für Ihre viele Gütigkeiten mit einem Paar Versuche belohnen, die Sie in Erstaunen setzen würden. Glauben Sie wohl, daß man in dephlogistisirter Lufft Ahrfedern anstecken kan, daß sie abbrennen wie ein Bindfaden, und das mit einem Licht, das förmlich blendend ist?

Kommen Sie doch einmal nur auf einen oder 2 Tag mit dem Herrn Geheimden Sekretär, damit ich Ihnen auch etwas gegen die CalenderKupfer und Laterna magica thue. Es sind dieser und einige andere Versuche die schönsten, die ich noch in meinem Leben gesehen habe, und wahre Riesen Schritte zur Einsicht in die Natur des Feuers.

Herr Secretaire Wolff hat mir geschrieben, und Ihrer Freundschafft gegen mich Erwähnung gethan. Er scheint ein recht guter Mann zu seyn. Er hat mir etwas von seinen Versuchen gesagt, und meine Meinung verlangt, es ist aber schwer über Versuche zu urtheilen, die man nicht selbst angesehen hat.

Meine gehorsamste Empfehlung an Dero frau Liebste und, wenn Sie es versteht, Mamsell Tochter.

G. C. Lichtenberg.

311. An Georg August Ebell.

Wohlgebohrner Herr,

[Göttingen, Ende Mai 1782.]

Hochzuverehrender Herr Hofrath,

Briefe von Ew. Wohlgebohren machen mir immer ein vorzügliches Vergnügen, und ich bedauere von Herzen, daß mich lezten Posttag ein un vermutheter Besuch um die Zeit gebracht hat, die ich auf die Beantwortung Jhres lezten verwenden wolte.

Martinus Electrophorus Berschüß ist immer ein Beweiß wie sehr vortrefflich Francklins (bey ihm Signor Francolini's) Theorie ist, daß selbst ein solcher Lufft Electricität treiben kan ut apes Geometriam. Er ist in aller Rücksicht ein abscheulich schlechter Mensch. Er hat hier bey mir einige Ver suche mit dephlogistisirter Lufft gesehen. Ich habe sie ihm auch umständlich erklärt, allein harten Kopfs wegen quälte er mich wieder von Hannover aus

um Unterweisung, weil ich aber erfahren hatte daß er hier Leute betrogen, so schwieg ich stille, indessen sagte er, er habe eine sehr simple Art dephlogistisirte Lufft zu verfertigen, in der Hofnung, mein Recept werde ankommen. Es ist aber nie etwas erschienen.

Wenn Ew. Wohlgebohren auf Ihren Reisen etwas neues hören was in Physic und Mathematic einschlägt, es sey auch was es wolle, so bitte ich sehr um Nachricht. Ein Brief, den ich in unser Magazin einrücken könte, wird mir von Ihnen das angenehmste Geschenck seyn. Sie müssen überzeugt seyn, daß das was ein Mann wie Sie im Schlummer hinschreibt schon mehr als hinreichend ist unser wißbegieriges Publicum zu befriedigen.

Unter den Büchern die von dem Schall handeln kan ich Ihnen unter denen, die keine tiefe Rechnungen voraussetzen, Wincklers Untersuchung der Natur und Kunst in aller Rücksicht empfehlen, und für die Mikrometer den de la Lande, welcher alles beysammen hat.

Kämen Sie hier durch, so wolte ich Ihnen wohl einmal einige Versuche

zeigen, die Sie in Erstaunen sehen würden.

Ich habe die Ehre Hochachtungsvoll zu verharren

Ew. Wohlgebohren

gehorsamster Diener

6. C. Lichtenberg.

312. An Schernhagen.

Göttingen, den 30. May 1782.

Nun, wenn man in Ew. Wohlgebohren Hauße kranck wird, so muß die Krandheit sicherlich epidemisch seyn. Ich wünsche indessen, daß es bey Dero werthesten Familie bald vorbey seyn und bey Ew. Wohlgebohren selbst nicht weiter um sich greifen möge. Ich leide etwas an Zahnschmerzen, zumal im Bette vor Mitternacht; alsdann schlafe ich ein und erwache ohne Schmerzen.

Gestern 1 auf 2 Uhr des Nachmittags ist unser guter vortreflicher Herr HofRath Meister in die Ewigkeit gegangen. Mich hat der Tod sehr gerührt, weil ich den braven Mann recht gut gekannt und ihm während seiner Kranckheit mit allerley Zeitvertreib aus der Physic sein Leiden erträglich zu machen gesucht habe. Es ist ein groser Verlust, der aber wegen der Menge Juristen in der Welt leichter zu ersetzen seyn wird, als der eines Mediciners; denn weil Quacksalber eben so gut heilen können als Ärzte, so sterben die Ärzte nachgerade aus. Es wäre zu wünschen, daß die Neuigkeit von Rodney wahr wäre. . .

...

313. An Gottfried Hieronymus Amelung.

Liebster Herzensmann !

Göttingen, den 3ten Juni 1782.

Wundern kan ich mich freylich nicht, wenn Sie mein Stillschweigen übel ausgelegt haben. Ein Apostel, glaube ich, hätte es nicht anders auslegen können. Ich verlange auch nicht meine Vergebung zu erfechten, sondern greife bußfertig nach Ihrem Mantel der Lieb' und Freundschafft, der, wie ich weiß, bey Ihnen immer weit genug war, ein halbes Dußend Vergehungen von Freunden mit einemmale zuzudecken. Sie können nicht glauben, was für eine Freude mir Ihr erster Brief machte. Ich saß förmlich wieder in Selecta. Ich sah den guten Hach mit dem Pferdehaar, wie der alte Recktor auf ihn und die Breßeln unter dem gespannten Mantel losfuhr, wie Jupiters Vogel auf ein zartes Lamm; den kleinen Wenck mit seinen Schuhriemen nach einerley Weltgegend zu gerichtet, oder gar liebreich gegen einander gewandt; den unbeschnittnen Juden W.., der doch ein guter Kerl war; Lindenmayer mit dem Rubinengesicht; den guten Bing, der hier nicht weit von mir den lezten Morgen abwartet, auf seinen Stelzen, und dann Sie mit dem zarten Gesicht und weisem Haar, der so unnachahmlich mit dem Hach sprechen konte, daß alle Menschen lachten, nur Sie nicht. Ich würde auch gewiß einen so erfreulichen Brief sogleich beantwortet und ein Andencken, das meinem Herzen so wohl that, mit Danck erwiedert haben, allein die ersten Posttage, die darauf kamen, hatte ich Abhaltung um die Stunde, die ich der Antwort gewidmet hatte, dann Zahnweh, dann Husten und gegründete Furcht vor Schwindsucht, die mich alles vernachlässigen machte, alles. Fragen Sie meine Brüder, wie lange ich denen nicht geschrieben habe. So viel zur Vertheidigung, aber demohngeachtet rechne ich ganz und gar auf den Mantel der Liebe.

Liebster Freund, (erlauben Sie mir, daß ich Sie so nenne), fahren Sie ja fort mit Ihren Briefen. Sie sollen nicht mehr über mich klagen. Du liebster Himmel, ich habe so viele Briefe mit der Hand zu beantworten, daß es mir ein Fest ist, wenn einmal einer kommt, wo das Herz an der Antwort Antheil nehmen kan; wenn ich nur wohl bin. Ich kränckle jezt sehr, und habe vorigen Winter den einfältigen Einfall, zum ersten und lezten Mal in meinem Leben, gehabt, sieben Stunden des Tages zu lesen. Ich weiß nicht, ob die Leute klug geworden sind, die bey mir gehört haben; allein das weiß ich, ich wäre fast toll geworden.

Kommen Sie ja einmal. Ob ich gleich ein sehr weitläufftiges Logis habe, so bin ich doch nicht dazu eingerichtet, Jemanden zu logiren, allein Essen und Trincken sollen Sie bey mir haben, und Wein so viel als hinlänglich ist, auf die Vorstellungen unserer Jugend das nöthige Licht zu werfen.

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