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was ich im Collegio beständig sage, das ist, untersucht und nie ent. schieden, wo man über das Zeugniß der Sinne hinausgeht. Ich glaube, ohne dieses grose Principium ist kein wahrer Fortgang in der Physic zu hoffen. Wo das Gegentheil einreißt, und nun was der Lehrer vielleicht noch geprüft haben mag, der Schüler ungeprüft nachbetet, da hat man in 100 Jahren wohl ein System der Naturlehre, aber keine Naturlehre. Doch Ew. Wohl. gebohren wissen so gut als ich, daß, was Aristoteles, Descartes, Newton und Boerhaave offt ernstlich behaupteten, sie völlig erwiesen zu haben geglaubt haben, und doch haben sie sich zuweilen geirrt, sie sind endlich durch die Folge der Zeit und des Fleißes unpartheyischere Menschen, durch die unwidersprechlichsten Versuche widerlegt worden. Daß der fast über. menschliche Newton die achromatischen Fernröhre für unmöglich hielt, die Unmöglichkeit mit Versuchen und Rechnungen bewieß, und sie dennoch möglich waren, ja daß sein hartnäckiger Vertheidiger und Landsmann endlich selbst die wahren Versuche ausfinden muste sich und ihn zu widerlegen, ist eine Wahrheit, die man über jedes physikalisches Laboratorium schreiben solte. Nun zur Erklärung und Rechtfertigung meiner Zweifel und Bedencklichkeiten. Ich will nicht Frandlin widerlegen; ich will nicht 2 Materien festsehen, sondern blos Prüfung empfehlen.

Da seyn und nicht da seyn, sind selbst die metaphysischen KennZeichen des Unterschieds. Wenn ich behaupten will, daß etwas nun da und nun nicht da sey, so müssen mir doch fürwahr meine Sinnen im ersten Fall die Gegenwart, im andern die Abwesenheit darstellen. Behaupte ich es ohne dieses, so hat alle Vernünfftige Physic und alle Vernunfft überhaupt ein Ende. Wenn mir jemand sagt, dieses Glas ist Lufftleer, und in diesem ist die Lufft verdichtet, dieser Körper ist heiß, der ist kalt; hier ist es dunckel und dort ist es hell, so werde ich ihm nicht glauben, wenn es mir nicht meine Sinne zeigen oder er mir nicht erlaubt von meinen Sinnen Gebrauch zu machen. In diesen angeführten Beyspielen ist dieses Zeugniß der Sinne nunmehr so starck, daß man wenigstens Eins ist. Ob sich das alles würcklich so verhalte, ob es nicht anders seyn könte, das geht uns nichts an. Wir haben gethan was wir zu thun schuldig waren und thun konten. Der grose Musschenbroeck hat eine kaltmachende Materie geglaubt. Weit entfernt über den grosen Mann zu lachen, lobe ich ihn vielmehr, wenn es mir erlaubt ist mich und Musschenbroeck in dieses Verhältniß zu setzen. Es muste ausgemacht werden. Wo eine Materie sich entfernt kan da nicht eine andere an die Stelle tretten? Es ist wenigstens, da wir dieses in tausend Fällen bemercken, nicht unvernünfftig, es auch da anzunehmen, wo wir es nicht immer be mercken. Diese Betrachtung entschuldigt wenigstens wenn sie auch nicht rechtfertigt.

Nun aber frage ich Sie ums Himmels willen, wo ist dieses Zeugniß der Sinnen bey den beyden Electricitäten? Wo sind die Zeichen, die im einen Fall Daseyn, im andern Abwesenheit unwidersprechlich darthun, oder nur so, wie in den obigen Fällen? Blos der Sinn des Gesichts zeigt in einigen Fällen (in den meisten auch nicht) einen geringen Unterschied, den der, der 2 Materien annimmt, mit beyden Händen zugeben kan, denn er sezt ja seine beyden Materien nicht völlig gleich. Das wäre Unsinn. Ja ich sage noch zu viel. Die Unterschiede, die sich unserm Gesicht bey der Electricität zeigen, sind so unermäßlich gering, daß der Vertheidiger zweyer Materien nur eine doppelte Affinität annehmen darf. Ich will setzen eine electrische Materie im einen Fall mit Phlogiston, im andern etwa mit Säure gebunden, so ist alles erklärt. So wie etwa nach vielen inflammable Lufft Wasser mit Phlogiston und dephlogistisirte Wasser mit Feuer gebunden ist. Sed hæc obiter. Nun weiter. Sehen Sie eine Maschine, wie eine Elecktrisir Maschine gestaltet, wo beym Umdrehen sich das Kissen und der Konductor beyde starck erhizten, beyde zugleich berührt aber auf einmal wieder die Tem peratur der Lufft und Ihres eignen Körpers annehmen. Wolten Sie dieses auch aus Einer Feuer Materie erklären? Aber der Fall ist erdichtet? Gut. Allein lehren uns denn unsere Sinnen etwas mehrers von der Elecktricität? Nein! Daß es aber zwey Materien geben könne, die Empfindung der Wärme in uns erwecken und doch verschieden wären, ist mir nicht ein Haar wunderbarer als sich 2 verschiedene Materien naß oder hart anfühlen, oder bitter schmecken, die ganz verschieden sind. Frandlin erklärt aber alles so simpel. Auch gut, aber hinc illæ lacrymæ, oder hinc illa gaudia möchte ich sagen. Aber, aber die edle Einfalt der Natur hat nur zu offt ihren Grund in der unedeln Einfalt dessen, der sie zu sehen glaubt. Ich sehe wahrhafftig nicht ein warum unser Nerven-Bau so künstlich ist. Ich solte dencken, Ein Schwamm im Kopf hätte eben das leisten können, er wird vom Licht gewiß afficirt, vom Schall, vom Stoß pp. Das geht nicht. Ferner, die Wärme breitet sich auch aus, die Theile stoßen sich auch ab, warum häuft sich die Wärme nicht auch am entgegen gesezten Ende des Körpers auf und treibt seine Feuertheile zurück. Doch dieses ist nur pro forma. Da wir nun bey der Theorie der Electricität über das Zeugniß der Sinne zuverlässig hinausgehen müssen, (wo würcklich der Frandklinianer zugeben muß, daß es einen Fall gäbe wo wir A nicht von Non A unterscheiden. können), so gebe ich zu bedencken, daß der elecktrische Funcken ein höchst Componirtes Ding ist. Nur er allein zündet und färbt die Lackmuß Tinctur roth. Leztere wird nicht roth gefärbt und wenn man sie Monate lang negativ oder positiv elektrisirte. Der Schlag thut es. Doch wohl nicht die Er schütterung? Das wird kein Mensch behaupten. Hier scheint also noch

etwas nöthig zu seyn. Ja es entsteht auch Licht, das vermuthlich eine dritte Materie ist. Daß wir immer beyde Electricitäten zugleich erhalten, ist kein Einwurf. Wir würden unser Eis nie ohne Feuermaterie sehen, wenn wir das Feuer so auffingen, als wie die entgegengesezte Elecktricität. Das Feuer geht fort, wenn das Wasser zu Eis wird, es wird abgeleitet in die weite Welt; das Kissen ist da nicht isolirt und kan nach unsern jeßigen Kenntnissen nicht isolirt werden. Eine Menge von Dingen übergehe ich, um so eher, da ich mit Ihnen rede, und gar nicht die 2 Materien demonstriren, sondern blos darauf aufmercksam machen will. Auf Verlangen, und wenn Sie mir den Brief zurückschicken wollen, will ich das übrige zuseßen.

ferner ich habe mit Volta sehr hierüber disputirt. Er war mir im französischen überlegen, und doch gestund er am Ende: es liese sich alles auf beyde Art erklären. Allein dagegen ist das Uebergewicht, daß uns die Sinne, die lieben Sinne gar nicht auf eine Materie führen, sondern blos der speculative Simplicitäts-Geist. So lange ich nicht sagen. kan: Welches ist denn die positive? so haben beyde gleiche Rechte. Natürliche Mensch,. der nie Schatten und Licht für zwey Materien hält, verfällt allezeit auf 2 elecktrische. Du fay that es gleich auch. Die Speculation verfällt auf eine, geht aber alsdann über das Zeugniß der Sinne hinaus. Und da ist es wenigstens meine Philosophie, muß man eine Zeit lang anhalten, zumal wo man wegen der offenbaren Composition des Funckens so viel Veranlassung dazu hat. Mit inflammabler Lufft kan ich Gläser zersprengen, wenn ich sie comprimire, kan damit aus der Windbüchse schießen, sie fühlt sich elastisch an pp so gut wie die dephlogistisirte, aber die erstere brennt nicht ohne die andre.

Volta sagte: Oh, Monsieur, il faut ètre Unitaire. Ich sagte Je suis ni Unitaire ni Dualiste, mais je serais ou l'un ou l'autre aussitot que j'aurai vu des experiences decidives. Das war unser Abschied. Volta ist sehr für die Engländer, die doch offenbar alles à la Parlement tracktiren, und sich en pleine Societé Royale des Sciences neulich bey den Lufftkugeln prostituirt haben. - Auch Wilke, gewiß einer der grösten Schrifftsteller, die in dieser Materie die Feder angesezt haben, behauptet, es lasse sich alles auf beyde Arten erklären. Warum soll man da nicht prüfen, zumal da Fräncklin, als er seine Hypothese erfand, noch nichts von unserer Feuer. Theorie wuste ?

Dieses sind kurt meine Gedancken, bey deren Eröffnung Sie mich gewiß, bester Freund, von aller Partheylichkeit frey sprechen werden, ob es gleich anders läßt, wenn man disputirt. Ich muste Eine Meinung in Schutz nehmen, um gegen die andere wenigstens gleiche Achtung zu empfehlen.

Lichtenbergs Briefe. II.

12

Der Condensator kan, so wie jede andere Elecktrische Maschine, groß und klein gemacht werden. Der, den ich gewöhnlich gebrauche, ist gemeiner, harter Kaldstein auf einer Seite polirt, 6 Zoll im Quadrat, und 1 Zoll dick, und die Platte dazu wie zum Electrophor, nur um etwas sehr weniges kleiner. Ich halte sie immer warm. Es ist ein erstaunliches Instrument. Dann habe ich noch eine Platte von Blanckenburgischem Marmor, Quadrat über Fuß. Der ist gefährlich, das Staub abwischen macht ihn schon zum Electrophor. Volta liebte den ersten sehr und hat viel damit hier versucht. Er wurde gang stille dabey, woraus ich sah, daß er besser gehen mochte, als mancher seiner eignen. Man kan ihn mit dem Electrometer verbinden, dieses ist ein nobles Instrument. Das will ich Ihnen hier machen lassen. Langes Leben und die ewige Seeligkeit!

G.C.£.

425. Un Ramberg.

Göttingen den 6ten Jenner 1785.

Wohlgebohrner Herr,

Hochzuehrender Herr Kriegssekretär,

Mit der grösten Freude habe ich Ihren Brief gelesen, weil er mir doch nun endlich einmal eine, wiewohl eine sehr geringe Gelegenheit giebt nach 12 Jähriger Bekanntschafft Ew. Wohlgebohren für Ihre vielen Louisd'or Dienste einmal einen Pfennigsdienst zu erweisen.

Cziegansky verkaufft eigentlich keine Lufft, wenigstens kan er keine ver kauffen, wenn ich ihm nicht dazu behülflich bin, welches ich ihm freylich nie verweigere; indessen läge doch sein Handel, wenn sich einmal der Fall er eignete, daß ich selbst ausser Stand wäre ihm mit dem nöthigen beyzuspringen. Ich lasse mir nemlich gläserne Retorten machen, an denen schon der krumme Hals mit angeblasen ist, welches die Arbeit sehr erleichtert; diese verkaufe ich ihm für den Einkaufpreiß. Ich gebe ihm meinen Ofen, und weil noch allerley Geräthschafft nöthig ist um sich wenigstens die Sache zu erleichtern, so gebe ich ihm auch meinen Saal, und bin, wegen des Feuers, abwechselnd mit dabey und helfe. So ist die Lufft gemacht worden, die Herr Sekretär Wolff von ihm empfangen hat, und so soll auch die gemacht werden, die Sie mit der fahrenden Post erhalten werden.

Die Apothecker machen sie in irrdenen Retorten, nehmen wohl gar nicht einmal crystallisirten Salpeter pp, daher kommt es, daß sie offt schlecht ausfällt, dieses begegnete mir auch am Ende vorigen halben Jahres und

zwar grade als ich eine Gesellschafft hatte, die alles gleich auf den Professor schiebt. Ich werde mir nie wieder welche von der Apothecke kommen lassen. Ich konte nichts damit anfangen.

Ich werde Ihnen eine ziemliche Menge schicken, denn mit 6 Quartier ist nichts auszurichten, auch könten schlechte Bouteillen darunter seyn. Nun einige kleine observanda: Es ist sehr gut die Uhrfeder unten etwas spitz zu feilen und dann den subtilen Eisendrat, der das Stückchen Zunder trägt, erst doppelt dann einfach über diese Spitze hinausgehen zu lassen, etwa so:

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rührt der Zunder die Feder unmittelbar, so wird die allmählich wachsende Hitze zu schnell abgeleitet und fortgeführt und das nöthige aufhäufen verhindert. Ich glaube, wenn man eine Vorhangs Stange allmählich so spitz zulaufen machte, daß sie wie eine feine Nähnadel würde, so würde man sie damit schmelzen können, aber nicht wenn ich den Zunder unmittelbar an die dicke Stange anbrächte. Ist die Lufft sehr gut, so gewinnt der Versuch gar sehr dadurch, daß man mehrere Federn so wie an den englischen Kutschenfedern über einander mit Eisendrat bindet: wie die Figur am Rande. Um dem Prinzen eine rechte Augenweide zu machen mit dem Versuch mit dem Phosphorus, so färben Ew. Wohlgebohren etwas Wasser in einem grosen weisen Zuckerglas mit etwas Fernambouc Decockt roth, so daß es noch seine Durchsichtigkeit völlig behält, und stecken, wenn der Phosphorus brennt, die ebenfalls weise Flasche in dieses Wasser. Ich würde einer solchen Spielerey gegen Ew. Wohlgebohren nicht einmal erwähnen, wenn es nicht bey Gelegenheit dieses Besuchs wäre, und wenn der Anblick nicht alles überträfe, was Sie sich dencken können. Ich gerieth ganz von ohngefehr darauf als der Fürst von Gallizin bey mir war. Es stund zufälliger Weise ein solches Glas mit rothem Wasser zu hydrostatischen Versuchen, (das ich immer färbe, damit man es in der Ferne unterscheiden kan,) auf dem Tisch, und beym dritten male steckte ich die Bouteille in das Wasser. Die erste Farbe war ein glühendes Rubinroth, das immer höher wurde, und sich endlich in einem Rosenroth endigte, das das Auge kaum mehr aushalten konte. Könte man auf diesen Fuß Farben Claviere machen, so subscribirte ich auch noch einmal zu einem Concert. Es versteht sich von selbst, daß dieses blos als eine Abänderung des Versuchs gezeigt werden muß, um nicht 2 mal dasselbe zu zeigen.

Da dem Prinzen der Knall mit den Seifen-Blasen wohl vorzüglich gefallen mögte, so habe ich auch den Apparat dazu beygelegt. Ew. Wohl.

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