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in das Hauß kommen, und der einzige, der seine Collegia englisch liest. Sie kommen nämlich zu mir für die Physic ins Hauß, die mathematischen Stunden aber gebe ich ihnen, wie alle übrigen Professoren die ihrigen, in ihrer Wohnung. Es sind alle drey, zumal der älteste, die schönsten Jungen, die Du Dir dencken kanst, und in ihrem Hosenband Orden sehen sie himmlisch aus. Von Anfang waren sie auserordentlich wild und ausgelassen, wahre junge Engländer, jezt gibt es sich, und sie lieben Göttingen auserordentlich. Ihr erster Hoffmeister ist ein Dragoner Obrist von Malortie, ein auserordentlicher Mann, den Prinz Ferdinand schon vor 28 Jahren, da der Mann kaum 22 Jahre haben konte, für werth achtete, sein General Adjudant und Sekretär zu seyn, ein Mann von Hertz und Genie. Ich habe also diesen Winter in der Physic 3 königliche Prinzen und Ritter des blauen Hosenbandes, einen Printen von Anhalt, einen Grafen Broglie aus Paris, Neveu des grosen Generals, einen Grafen Walmoden, 2 Professoren, einen aus Lausanne und einen aus Edinburg, ausser diesen noch 4 Engländer und einen Pariser jungen Herrn.

Du wirst verhindern, daß von diesen Nachrichten, die blos für Dich und die besten Freunde sind, nichts ins Publikum komt. Du kennst die Professoren.

Nun eine Bitte: Wäre es nicht möglich, in der nächsten kalten Witterung einen wilden Schweinskopf in Gelee zu erhalten? Er müste aber so groß als möglich und so gut als möglich zurecht gemacht seyn. Ich wolte ihn den Printzen schencken. Ich bitte hierbey nichts was mit Gelde möglich gemacht werden kan zu scheuen, selbst ausser den wesentlichen Kosten, reichliche Trincgelder an die Behörde nicht ausgenommen. Ich bezahle alles mit der umgehenden Post und mit Danck. Du wirst hoffentlich nicht auf den Einfall kommen, mir auch nur einen Pfennig zu schencken, denn ich kan es sehr viel besser bezahlen als Du, das mercke ich wohl, und ich würde auch nur eines Pfennigs Nachsicht für eine Beleidigung halten. Thue es, mein lieber Vetter, wenn es möglich ist. Vielleicht wäre einer aus dem Maynzischen zu erhalten. Ich werde kein Wort sagen, wenn alles etwa 3 Louisd'or oder 27 Gulden Eures Geldes nicht übersteigt, aber immer zufrieden seyn, wenn es auch höher käme. Sapienti sat!

Unser braver HofRath Richter liegt, indem ich dieses schreibe, auf dem Tode, und ich weiß nicht, ob er noch leben wird, wenn Du diesen Brief erhältst. Es wäre ein kaum ersezlicher Verlust.

Daß der kleine Junge so gut heran wächst, freut mich über alles. Erzähle mir doch etwas mehr von ihm. . .

467. Un J. G. Müller.

Mein liebster Freund,

Göttingen, den 17. December 1785.

Gegen einen Mann, der, wie Sie, durchaus weiß, was das animal bipes (mit Ausschluß der Vögel) für ein Geschöpf ist, spricht die Natur der Vergehungen mehr, als die Entschuldigung. Ich habe zwey Beine, und trage auf denselben Adams und Evas ganzes Vermächtniß, das mich um so härter drückt, als ich noch keine Gelegenheit habe finden können, dem ersten, viel weniger dem vierten Glied etwas abzugeben. Ich bin also ein Sünder in meinem eignen Rechte. Allein ich tröste mich damit, daß ich nichts dazu kan, und werde dem Himmel als Lehnsherrn das ganze Capital zurücklassen, die Nuzung abgerechnet, die ich mir zuweilen gegen meine Correspondenten erlaube.

Ich habe meine Antwort auf Ihren vorlezten vortrefflichen Brief immer aufgeschoben, aber blos Sünden gehäufft während ich Zeit zu Umständlichkeit suchte. Nun muß ich durchgreifen mit so weniger Sünde und so vieler Umständlichkeit, als mir einige Ihnen jezt gewidmete Stunden und der lange Aufschub meiner Antwort verstatten.

Für Ihren Eifer, mir Subskribenten zu verschaffen, sage ich Ihnen den verbindlichsten Danck. Wenn Sie nur nicht Sündenlast auf sich laden. Meine zwey Beine würden freylich leichter werden, aber wie stünde es da mit den Jhrigen? Doch da Sie sonst so wenig zu tragen haben, so darf ein Freund wohl etwas darauf rechnen.

Das herrliche Sinngedicht, mir ganh aus dem Herken geschrieben, kam damals zu spät, und wer weiß, ob es je zu rechter Zeit hätte kommen können, denn Bürger (unter uns) ist im Herzen Stolbergisch, aber nur gräflich, dichterisch gar nicht, und für einen Mann, der jezt kaum hat, wo er sein Haupt hinlegt, sind die Grafen wichtiger als die Dichter, die Grafschafft liege auch wo sie wolle, in Ente oder Potentia. Jn= dessen hat es Bürgern sehr gefallen, und mit einiger Verstellung (nur muß es keine Entstellung werden) will er es aufnehmen. Sie sollen wenigstens den Castraten zur Inspecktion bekommen, ehe er auf dem Theater auftritt, und das ist das geringste, was ein Vater verlangen kan, der seinen Sohn mit 2 T....s, wie es sich gehört, in die Welt geschickt hat.

Nun gleich auf die Entdeckung unseres lieben Herrn Weiß. Es ist alles recht schön und gut ausgedacht und das Ganze zeugt von des Mannes Einsichten. Auch erinnere ich mich nicht, gelesen zu haben, daß je ein Mann auf diese Art zu Wercke gegangen sey. Doch kan ich meine Belesenheit in diesem Fach nicht rühmen. Ich lese sehr nach Bequemlichkeit, erfahre offt

spät was entdeckt ist, und schüze mich dafür mit Bescheidenheit im urtheilen. Was ich, so weit ich die Sache kenne, zu erinnern finde, ist folgendes:

Herr Weiß muß nothwendig seine Erfindung mit Versuchen unterstüzen. Ohne diese ist alles nichts, denn wir sind, was das zuströhmen der Lufft durch Röhren auf einathmende Geschöpfe betrifft, noch sehr im Dunckeln. Hier vermag die Theorie wenig oder gar nichts. Soviel weiß man, daß das einathmen durch Röhren äusserst schwer wird, wenn sie lang sind. Dieses hat man schon in Franckreich dem bey Boulogne verunglückten Pilatre de Rozier, der mit Röhren vor dem Mund in firer Cufft untertauchte, vorgestellt und ihm begreiflich zu machen gesucht, daß seine Erfindung wenig Nuzen haben würde. Er schlug sie nämlich zum Gebrauch der Leute vor, die die Stollen, Schächte und Gänge der Göttin Cloacina besteigen müssen, und deren jährlich in Paris, weil nicht über die Lufftarten gepredigt wird, eine Menge umkommen. - -Allein so wie ich sehe, läßt Herr Weiß durch verschiedene Röhren ein und aushauchen, dieses ändert die Umstände freylich sehr, und ich glaube, daß die Sache verdient versucht zu werden. Es versteht sich von selbst, daß ich hiermit nicht meine, daß Versuche unter dem Wasser angestellt werden sollen. Denn was das Wasser hierbey widriges hat, läßt sich überwinden, sondern ich meine blos das athmen durch Röhren. Dieses ist mir immer bey langer Dauer eine bedenckliche Sache. Denn wenn wir im Freyen athmen, so ist alle die Lufft, die unsern Mund berührt, sie liege rechts oder lincks, oben oder unten pp, bereit, in unsere Lunge zu dringen, und dieses erleichtert uns die Arbeit, liegt sie aber nur nach Einem Wege hin und wird noch dazu durch Reiben an den Seitenwänden aufgehalten, so möchte dieses, wenn die Röhren nicht sehr weit wären, die Operation am Ende sehr schwer machen. Rathen Sie also dem guten Manne, den ich von mir zu grüßen bitte, diesen Versuch zu machen. Er muß aber dafür sorgen, daß nicht die mindeste Lufft neben den Röhren her zudringe. Hat er dieses etwa Stunden lang gut ausgehalten, so ist die Sache allerdings einer Bekantmachung werth und ich werde dabey so viel thun, als in meinem Vermögen steht.

Den Verfasser der Chronick von Tatojaba kenne ich nicht, habe ihn auch aller Bemühungen ohngeachtet nicht erfahren können. Ein groser Litterator, dem ich sie eben zuschrieb, meldet mir, daß er sich sehr bemüht habe, es zu erfahren, aber vergeblich; indessen sey wohl so viel gewiß, daß es kein Verfasser mehrer Schrifften sey. Woher er dieses weiß, ohne sonst etwas zu wissen, mag er verantworten. Allein den vortrefflichen, leider zu früh verstorbenen, Verfasser von Nettchen Rosenfarb kante ich persönlich, und habe einige Abende mit ihm an Dieterichs Tisch zugebracht. Er hieß Gallisch, war eines Apotheckers Sohn in Leipzig, der, wo ich nicht irre,

Professor daselbst wurde, ein vortrefflicher Kopf, dessen Abhandlung über die dephlogistisirte Salpeter-Säure mir ihn verehrungswürdig gemacht hat. Sein Nettchen habe ich nicht gelesen, denn ich lese keine deutschen Romane, die von einem gewissen Herrn Müller ausgenommen, den ich auch bey Dieterich habe kennen lernen, und von dem ich Ihnen noch etwas vor Ende des Briefs sagen werde. Doch warum nicht gleich? Es ist ein etwas langer Mann, mehr hager als fett, hat um die Lippen und das gesunde Zahnwerck sehr viel Ähnlichkeit mit Göthen, den Sie wenigstens dem Nahmen nach kennen werden. Er besizt ungemein viel Beobachtungsgeist, und die grose Gabe, seine gemachten Erfahrungen in der Welt nach einer unlehrbaren Unalyse des Genies auch auf Lagen auszudehnen, in denen er nie gewesen ist, und zwar so, daß die die da gewesen sind glauben müssen, er habe ihnen Gesellschafft geleistet; seine Schreibart ist musterhafft und gewissenhafft rein; wer nicht so deutsch schreibt wie Er, schreibt es schlecht. Aus allen seinen Wercken leuchtet hervor, daß er in der Ehe glücklich gewesen ist, und man möchte sich jung wünschen, um heurathen zu können wie Er. So viel ich auch seinem Dichtungsvermögen zutraue, so muß ich doch glauben, hier habe er nicht gedichtet, sondern gesehen und erlebt. Was mir nicht an ihm ge. fällt, ist daß er so abscheulich viel Taback raucht, wodurch er sicherlich dereinst seine gesunden Zähne und wohl gar seine gesunde Lunge verderben wird. Ob sich nun gleich die Welt wenig darum bekümmert, ob ein Schrifftsteller seine Brotkrusten kaut, oder erweicht und so hinunter bringt, ich meine um die Zähne eines Autors: so hat man doch Erempel, daß Leute an verdorbenen Lungen gestorben sind, und darum bekümmert sich die Welt sehr. Wenn Sie ihn sehen wollen, so kommen Sie künfftigen Sommer hieher. Dieterich hat jezt zwey Häußer an einander, göttlich schön, einen Garten am Hauße mit einer Kegelbahn und den Kegeln dazu, wo wir tausend Spaß haben wollen. Melden Sie es bey Zeiten, so können Sie bey mir und Er bey Dieterich, oder Er bey mir und Sie bey Dieterich logiren. —— nein, O wahrlich länger kan ich den Schertz nicht aushalten! Kommen, kommen Sie und Er, und Er und Sie in Einer, Einer Person, wohnen Sie bey mir, liebster Freund, und bekümmern sich um die ganze Welt nicht, Ich habe mein Logis etwas erweitert und kan nun einen Freund herbergen. Ich spreche dieses mit dem Ernst eines Freundes, der Sie innigst verehrt. Sehen Sie, zu solchen Versicherungen, wie die hier unterstrichenen Worte, zwingt uns der Misbrauch der Welt, die offt ohne zu versichern versichert.

Von Herrn Heller habe ich von Herrn Professor Reuß, der wenig von ihm wissen zu wollen schien, folgendes erfahren: Er sey hier nicht bey ihm gewesen. Er glaube, Herr Heller sey durch einen schlechten

Vormund um ein Vermögen von 40 000 Gulden gekommen und habe des wegen aus Verdruß sein Vaterland verlassen; wo er hingegangen sey, und von seinem Character wuste er nichts. Ein anderer Würtemberger sagte mir, er kenne viele Heller, einer, der, wo er nicht irre, ein Dichter sey, sey verschwunden. Sehen Sie, so stehen die Sachen. Ich habe aber Hofnung, weil die hiesige Universität jezt halb aus Schwaben besteht, Ihnen bald etwas bestimmteres zu sagen. Sobald ich es erfahre, schreibe ich wieder.

Was Sie Gevatter Dieterich und Familie schencken sollen, weiß ich nicht zu sagen. Das beste, und was ich vorzüglich rathen wolte, wäre ferner solche Romane, als der liebe Emmerich, von dem ich einige Bogen mit Ent zücken gelesen habe. Aber sagen Sie mir, was soll ich meinem lieben Doch das wird sich geben, sobald er Geschencke halten und verstehen kan. Ich werde meinen kleinen Müller nicht vergessen, wenn er die Bedingung eingeht, zu werden wie der Alte.

Pathen thun?

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-

Empfehlen Sie mich ihm und Dero Frau Liebsten gehorsamst, der ich unausgesezt bin

Jhr

gant ergebener

G. C. Lichtenberg.

So eben erhalte ich von der Frau Professorin Gmelin, einer gebohrnen Studtgarderinn, noch folgende Nachricht von Herrn Heller: Er habe nie um Geld gedient, habe seinen Abschied genommen, und sey hingegangen, man wisse nicht wo. Man habe ihn für einen nicht üblen Menschen gehalten, aber geglaubt, er sey nicht gant richtig in seinem Kopf. (Ich schreibe dieses so hin, wie ich es höre. Sie werden selbst wägen; denn die Richtigkeit im Kopf ist sehr relativ.)

468. An Sömmerring.

Göttingen, den 26. December 1785.

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I forgot my shoes

sage ich, als Tralles abreiste.

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sagte Weston, und I forgot my Letter, Werden Sie deßwegen nicht bös auf mich. Wir Menschen sind und bleiben immer Menschen von unten herauf, und da liegt manch harter Posten, ehe es zum Kopf komt, zumal wenn man auf die Güte eines Mannes von Ihrem Herzen zu rechnen hat. Das Conto läuft abscheulich an. Ich trage von Stunde an ab.

Recht herzlichen Dank für Ihre Nachrichten von Blanchards Residence on Earth, ich habe sie mit dem grösten Vergnügen gelesen und ver kündigt. Warum Blanchard an der Erde blieb, interessirte die ganze Welt

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