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Eurem Fuß über 96 Gulden, und doch heiße ich nur 2 Stuben und das Auditorium etwa 4 Stunden des Nachmittags, auch ist der Winter noch nicht vorbey.

Die Engländer mögen Dir wohl nicht wenig Umstände gemacht haben, es fällt ihnen nach ihrer Erziehung gar nicht ein, daß sie einem zur Last werden können; so wie man ihnen denn freylich auch selten zur Last wird, wenn man sie, zumal auf ihren Landhäußern besucht. Lord W. kenne ich nicht, ich dachte auch nicht, daß Lord Lansdown noch einen Sohn hätte; er hatte einen, als ich in England war und er noch Lord Shelburne hieß, der ist aber nachher gestorben; aber dergleichen Bengel von noble Lords habe ich mehrere gekannt, offt affecktiren sie aber auch nur den Bengel, und darin sind die meisten sehr glücklich.

Würcklich bin ich, während ich an diesem Briefe schreibe, schon wieder etlichemal unterbrochen worden, und da meine Stunden herannahen, so muß ich hier abbrechen, mit der Bitte mich Deiner Frau Liebsten, dem Kleinen, und überhaupt der ganzen Familie gehorsamst zu empfehlen, auch vergiß nicht meinen Bruder zu grüßen und ihm zu sagen, daß ich ihm in der nächsten guten Laune recht viel schreiben will, es könte aber, weil ich jezt dupplire, ja sogar tripppliren werde, leicht so lange währen, daß den Brief etwa erst der Haas legte. Was Dich angeht, so sey versichert, daß troz aller Unregelmäßigkeiten in meiner Correspondentz ich nie aufgehört habe Dich herzlich zu lieben. . . .

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474. An G. H. Amelung.

Mein bester Freund!

Göttingen, den 24sten Märtz 1786.

Diesen Nahmen gebe ich Ihnen aus der ganzen Fülle meines Herzens, denn keiner meiner Freunde, selbst meine Brüder nicht ausgenommen, behandeln meine unverzeyhliche Nachlässigkeit im schreiben mit der himmlischen Nach sicht, mit der Sie derselben begegnen. Sie können nicht glauben, mit wie vieler ganz eigener Rührung ich daher vor etwa 8 Tagen Ihren vortrefflichen Aufsaß im Kirchenboten las; bey jeder Zeile dachte ich: siehe, diesen vortrefflichen Mann hast Du beleidigt. Ich war auch würcklich im Begriff, in einer umständlichen Beichte um Ihre Absolution zu bitten, als Jhr lieber Brief kam, der mich von neuem belebte und mir die Versicherung gab, daß ich ohne dieses verdrießliche Geständniß meiner Sünden wieder grade weg an meinen Amelung schreiben könte. Doch bin ich Ihnen folgendes Geständniß

schuldig: Ich habe sehr viel zu thun, ob ich gleich nur 3 Stunden des Tages lese; allein die Art meiner Vorlesungen erfordert nicht gewöhnliche Präparation wie etwa die Dogmatick, Pandeckten pp, sondern die viele Instrumente, die ein halbes Jahr geruht haben, müssen bey der Menge offt erst gesucht werden, wenn sie gefunden sind, in Ordnung gestellt, öffters gar ausgebessert werden, denn es giebt welche darunter, an denen der Zahn der Zeit sowohl als der Mäuse und Motten sehr bald zu nagen anfängt, der Finger und Ellenbogen des unwissenden Gesindes pp nicht einmal zu ge dencken. So geht der Tag hin. Ferner meine hiesigen Freunde, die meine Geschäffte kennen, kennen auch meine freyen Stunden, welches ich ihnen sehr dancke, und besuchen mich des Sontags oder an den Abenden; bleibe ich allein, so bin ich öffters sehr müde, oder sehe mich genöthigt, um nicht zurück zu bleiben, das neue in meiner Wissenschafft nachzuholen, und selten bin ich überhaupt in der Laune, ohne die man nie an einen Amelung schreiben muß. Sehen Sie, so ohngefähr sieht es bey mir aus und vergeben Sie mir.

Was macht denn mein lieber Kleiner, fällt er schon brav? und zerbricht er brav? Ersteres ist ein sehr gutes Zeichen, nur muß man suchen, daß es allemal auf den Hintern geschieht, der hauptsächlich deßwegen da ist. Ich sehe zwar den psychologischen Grund nicht ein, allein gewiß ist es, daß der Mensch ein Thier ist, bey dem, wenn es seine Bestimmung erreichen soll, bis ins 10te Jahr der Hintere und nachher der Kopf angegriffen werden muß. Ich stelle mir Hintern und Kopf wie die Pole der Magnetnadel vor, die, so sehr sie auch einander entgegengesezt sind, doch eine grose Verwandt. schafft miteinander haben. Was kan ich wohl dem lieben Kleinen schicken? Sagen Sie es mir. Sie kennen unsern Acktiv Handel, Mettwürste und Compendia. Kan ich damit dienen? Nur ein Wort.

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Die in Ihrem lezten Schreiben an mich geäuserten Begriffe über Religion und Theologie haben mich unendlich gefreut. Sie sind so sehr die meinigen, daß ich glaubte, Sie hätten in mein Hausbuch geblickt, in welches ich meine kleine Geisteseinnahme Pfennigsweise täglich einzutragen pflege. Allein freylich ein Mann von Ihrem Geist und thätigen Wohlwollen, das nur allein bey Überzeugung stehen kan, braucht, um so etwas aus. zufinden, nicht in das Hausbuch eines Professors und noch dazu eines Layen zu blicken. Ich sehe indessen ruhig im Hafen allen den Plackereyen gelassen zu und bin überzeugt, daß sie zu dem großen Endzweck unsrer eigentlichen Bestimmung doch am Ende mit führen. Da wir nicht sehr weit über unsern Standpunct hinaus sehen können, so kan der beste Weg nicht anders als durch Versuche gefunden werden, bey welchen denn mancher freylich im Morast untergeht, den aber eben deßwegen sein Nachfolger vermeidet. Es wird am Ende alles klar werden und gut seyn, wenn wir nur einander lieben und

jeder mit geübtem Verstand so viel gutes zu thun sucht, als er vermag. Wenn ich je eine Predigt drucken lassen solte, so wäre es gewiß über das grose Vermögen, das jeder Mensch, er sey wer er wolle, besizt, gutes zu thun, ohne etwas wegzuwerfen. Alle Stände in der Welt verkennen hierin ihre Wichtigkeit. Ein jeder, er sey wer er wolle, ist ein Pring in diesem Stück in seiner Lage. Der Hencker hole unser Daseyn hienieden, wenn nur allein der Kayßer wohlthun könte. Das ist das Gesez und die Propheten. Mich dünckt, in jede Predigt müsse hiervon etwas hinein. Sie sind der Mann, der dieses durch sein Beyspiel zeigt; was für Eindruck müste es nicht machen, wenn Sie es von der Cantel lehrten, und detaiflirt darthäten, wie jeder etwas ähnliches für seine Lage werden könte.

Nun eine Geschichte, die sich in der dritten Nacht vor der vergangenen in unserm Hauße ereignet hat und in der That hier gänzlich unerhört und würcklich fürchterlich ist. Sie hat sich auf meiner Etage zugetragen, aber da ich eines der grösten Häußer der Stadt bewohne, so weit von mir, daß ich von der ganzen Sache, während sie geschah, nichts vernommen habe: Es logirt nämlich auf dieser Etage ein Graf Breuner aus Wien, Sohn des kayßerlichen Gesandten bey der Republick Venedig, mit seinem Hoffmeister dem Hauptmann Burdell, beyde von dem vortrefflichsten Character. Diese wolten auf Ostern von hier weg und erhielten vorige Woche ihre Gelder zur Abreise und Bezahlung ihrer Rechnung, etwa 2000 Reichsthaler, in Louisd'or zu fünf. Dieses wurde unserm Gesindel bekant, dessen Aufklärung überhaupt mit sehr viel stärckern Schritten zunimt, als die von den Häuptern unserer Polizey. Es brachen also in der benanten Nacht 6 bis 7 Kerle maskirt in das Zimmer des Hauptmanns, banden ihn im Bette mit den zerrissenen Gardinen, suchten ganz ruhig die Schlüssel und entwischten mit dem ganzen Gelde, nachdem sie gedrohet, bey geringstem Lärm, den er machte, das Haus in Brand zu stecken; auch gerieth würcklich die Fußtapete in Brand, welches Feuer der Hauptmann, der sich aus dem Bette warf, mit seinem Körper ausgewältzt hat. Ist dieses nicht eine abscheuliche Geschichte, zumal in einem Hauße, in welchem zum wenigsten 50 bis 60 Menschen schlafen, und in einem solchen Nest wie Göttingen ?

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475. An Nicolai.

Wohlgebohrner,

Hochzuehrender Herr,

Werthgeschäzter Freund,

Darf es ein armer Sünder, der selbst einer kräfftigen Fürsprache bey Ihnen bedürfte, wagen für andere bey Ihnen zu sprechen, so will ich Lichtenbergs Briefe. II.

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bitten diesen beyden jungen, Ungrischen, protestantischen Cavalieren Herrn von Bersewizi und von Podmaninsky zu Ihrem Hauße zuweilen einen Zutritt zu erlauben. Es sind beyde, wie Sie gleich beym ersten Anblick finden werden, Leute vom vortrefflichsten Character, die diese Tour in den Ferien, nicht wie manche hiesige Wildfänge hinter ihren Eltern her unternehmen um einmal die Scenen für ihre Thorheiten zu wechseln, sondern auf den ausdrücklichen Rath ihrer Eltern sich diese lehrreiche Zerstreuung machen sollen. Also nur einen Zutritt, der Sie, werthgeschäzter Freund, auf keine Weiße beschwert, zu Ihrem Pantheon, ist was ich für diese guten Leute erbitte. Sie werden mir diese Freyheit um so mehr verzeyhen, wenn Sie gütigst beherzigen wollen, daß diese Herrn ohne irgend eine Empfehlung an Sie nicht nach Berlin ges gangen seyn würden, die sie auch hier gewiß würden gefunden haben, und ich also mit der meinigen blos diese Ehre meinen übrigen Herrn Collegen geraubt habe.

Wegen Herschels Porträt habe ich geschrieben und sehe seiner Ankunfft nun täglich entgegen.

Die Herrn werden Ihnen einen wichtigen Beytrag zur AufklärungsGeschichte unsers hiesigen Jan Hagels geben können, die bey ihm mit viel stärckeren Schritten zuzunehmen scheint, als unter manchen unserer Facultäten und namentlich unter den Häuptern unserer Polizey. Solten die Herren sich der Geschichte unter der Rubric Aufklärung nicht erinnern, so haben Sie die Güte nur zu fragen, was sich in Dietrichs Hause, worin gegen 70 Menschen schlafen, in der Nacht vom 21 auf den 22ten März zugetragen habe.

Ich empfehle mich Ihrem werthesten Hause gehorsamst und habe die Ehre Hochachtungsvoll zu verharren

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besonders Hochzuverehrender Herr Kriegssekretär.

Ew. Wohlgebohren statte ich den verbindlichsten Dank für das schöne Geschend ab, womit Sie mich beehrt haben. Es war mir doppelt angenehm, da es mich zugleich von Ihrem geneigten Andencken an mich so deutlich überzeugt hat. Der Abdruck ist ausnehmend gerathen, und bereits vorgestern und gestern hat er eine artige Tour in Göttingen herum gemacht. Auch scheint mir die Erfindung simpel und artig, nur kömmt es mir vor, als wenn

die Arme an der Figur etwas zu kurz wären, auch ist es ein kleiner Fehler des Medailleurs, daß die lincke Tibia etwas zu gerade gerathen ist, welches vornemlich ins Auge fällt, wenn man das Knie von vornen, nach der Ebne der Medaille ansieht. Im Ganzen aber ist, dünckt mich, alles sehr vortrefflich. Bey dieser Gelegenheit muß ich Ew. Wohlgebohren im Vertrauen sagen, daß ich die Anstalt überhaupt genommen für schädlich halte. Sie können nicht glauben, was für Zeit hier unter der studirenden Jugend über der Fabricirung von Preißschrifften verlohren geht, und wie selbst die Studien versäumt werden, die doch nur allein jemanden dahin führen können eine solche Frage gehörig zu beantworten. Beschäfftigten sich nun Leute damit, die ihren Cursum größtentheils geendigt haben, so ließe ich es gelten, allein das ist nicht, es machen sich wahre Kinder in den Wissenschafften daran, und weil denn das Zeugungsglied noch nicht stehen will, so geht es ohne gewaltsame Reitzungsmittel selten ab. Ich denke, das Geld hätte viel besser angewandt werden können, und hier muß ich Ew. Wohlgebohren einen Gedancken eröffnen, von dem Dieselben vielleicht einmal zu meinem Besten, und vorzüglich zu dem der Universität dort Gebrauch machen können. Ew. Wohlgebohren brauche ich gewiß nicht zu erweißen, von welchem ungemeinen Nußen eine gründliche Experimentalphysic für alle Stände ist, ich meine eine solche, die sich gleich weit von Kindereyen, und von den kostbaren Spielereyen entfernt, da man mit sehr zusammengesezten Instrumenten Dinge darthun will, die sich viel besser an der Tafel durch Linien und leichte Rechnungen darstellen lassen, wenn man sich einmal von der Wahrheit der Fundamental Erscheinung durch Versuche überzeugt hat. Um dem Lehrer, der selten hinlänglich dazu besoldet ist, die Sache zu erleichtern haben auch die meisten Universitäten öffentliche Apparatus, und Greifswald so gar ausserdem noch eine jährliche Summe für fernere Anschaffung und Reparaturen zu verwenden. Bern, welches eigentlich nur eine hohe Schule hat, deren Lehrer Professores heißen, hat neulich einem gewissen Herrn Tralles, meinem Schüler, den ich dahin gebracht, eine Summe von 500 Carolinen zu den neusten Instrumenten verwilligt, denn es ist würcklich schon ein Nolletscher Apparat da gewesen. Hier aber auf der Königin der Universitäten wird wenig oder nichts in diesem Fach gethan. Ich kan mich rühmen, daß ich die Sache würcklich hier wieder etwas in Aufnahme gebracht habe, der Zulauf zu mir ist so groß, als ich ihn nur verlangen kan, da sich sonst bey mir vor Østern kaum 7 oder 8 aufgezeichnet hatten, so habe ich jezt (heute) schon einen numerum von 60, und darunter eine Menge, die gewiß keine Anfänger sind. Vergangenes halbes Jahr hat so gar der HofRath Murray über einige Capitel bey mir gehört und ist förmlich mit seinem Compendio in die öffentliche Stunde gekommen und hat sich unter den Purschen nieder gesezt. Der Professor Chemiä

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