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grünen Donnerstag habe ich den ersten guten Tag, ich seze mich also sogleich nieder und schreibe Ihnen, werthester Freund, und zugleich noch einige andere Briefe, die Sie mit Vergnügen bestellen werden.

Heil Ihnen, daß Sie in England find! Wahrhafftig mein Hertz blutet mir, wenn ich bedencke, daß England noch steht und ich nicht darin seyn kan. Ich habe, Gott verzeyh mir meine schweren Sünden, schon manchmal im Sinne gehabt, aufzupacken und deutscher Sprachmeister zu werden. Wer weiß was noch geschieht, denn Ihnen kan ich es gestehen, meine Entfernung von England wird mir zuweilen unerträglich. Ich möchte alsdann immer wissen, warum ich kein Geld habe, und thue diese Frage an den Himmel offt so laut, daß es meine Leute in der nächsten Stube hören. Der Mensch wird nirgends so gewürdigt, als in diesem Land, und alles wird da mit Geist und Leib genossen, wovon man unter den Soldaten Regierungen nur träumt. Nun fühle ich mich etwas leichter.

Haben Sie tausendfachen Dank für Ihren herrlichen Brief, auch für die, die Sie an Herrn Fischer geschrieben haben und die er mir offt mitgetheilt hat. Don Ihrer Nachricht von Droz konte ich nicht wohl Gebrauch machen, weil ich schon vor einigen Jahren einmal eine Beschreibung von diesen sublimen Nürnbergereyen in den Taschen Calender eingerückt habe. Das Bild des Königs und der Königinn sind sehr artig gezeichnet. Ich glaube, das ganze ist vielleicht ein sehr sublimer Storchschnabel, der gar leicht durch Tischbeine und Fußboden verlängert werden kan.

Mit einem Saussüreschen Hygrometer bin ich schon einige Jahre ver sehen, als ich vorigen Sommer das meinige neben das vom Fürsten Gallitzin hing, so fand sich ein Unterschied von 10 Graden. Ich glaube aber, der gute Fürst ist hintergangen worden, und es hat es ihm jemand aufgehängt, der ein Haar von seinem eignen Haupt angeknüpfft hat, er hat es nachher dem Herrn von Trebra geschenckt, dem ich deswegen eben nicht gratulire.

Nach diesem Danck für Geistesnahrung komme ich zu dem für Ihre Fürsorge für den Leib; ich meine für den herrlichen Käse. Herr Professor Fischer hat mich mit einem Ausschnitt von wenigstens 80 Graden davon ver sehen, so daß ich jezt, ob ich gleich zuweilen an einem Tage nicht leicht unter 40 Minuten dapon herunter theile, doch noch einen Secktor übrig habe, eine gant beträchtliche Distantz von Mond und Firsternen zu nehmen, wenn er mit einer Alidade versehen wäre.

Nun, liebster Freund, eine inständigste Bitte. Wenn Sie in England etwas neues erfahren, so schreiben Sie es uns doch ja; ich verlange keine besondere Briefe, es ist genug, wenn Sie einmal nach Göttingen schreiben. In Birmingham vergessen Sie ja nicht den vortrefflichen Watt zu besuchen. Er scheint mir mehr Genie zu besizen, als Priestley. Ihre Briefe geben Sie

unter meiner Addresse nur an Herrn Justik Rath von Hinüber, Great Jermyn Street St. James's, fast dem Kirchhoff von St. James's Church gegenüber. Er ist ein Mann von vielen Kentnissen, der Ihnen bey Förderung Ihrer Correspondent gewiß nüzlich seyn kan. — Doch was spreche ich da viel, ich will Ihnen einen Brief an ihn geben.

Von einer seltsamen physicalischen Beobachtung von mir gebe ich Ihnen ehestens Nachricht.

Wenn Sie etwas brauchen, Papier, Siegellack, Zeitungen, Journale, so besuchen Sie meinen braven Mr. Knight, Stationer St. James's, und grüsen Sie ihn 1000 mal, er ist die ehrlichste Seele von der Welt....

479. An Herschel.

Wohlgebohrner,

besonders Hochzuverehrender Herr,

Ew. Wohlgebohren erlauben mir gütigst, daß ich Herrn Dr Girtanner bey Ihnen einzuführen wage, er ist mein Freund und ein Zögling hiesiger Universität. Er würde Ihnen als einem Manne, auf den jezt ganz Europa sieht, doch aufzuwarten gesucht haben, auch wenn er keinen Brief von mir gehabt hätte, um so mehr kan ich ihm den Freundschafts Dienst nicht versagen, Sie zu versichern, daß er ein sehr geschickter und vortrefflicher junger Mann ist, der seines beträchtlichen Vermögens ohngeachtet Artneykunst aus besonderer Neigung studirt, auch in der Chymie verschiedenes geschrieben hat.

Ich habe vor einiger Zeit an Ew. Wohlgebohren wegen eines Teleskops für den Herzog von Gotha geschrieben, ich weiß nicht ob Sie jenen Brief empfangen haben, dürfte ich gehorsamst bitten mir hierüber einige Nachricht geben zu lassen. Darf ich hierauf hoffen, so wünschte ich zugleich zu erfahren ob wir noch das Glück haben werden ein Teleskop von Ihnen für die Universität zu erhalten? Ich kenne schon einige deutsche Astronomen, die gewiß, so bald als dieses geschehen ist, hieher wallfahrten werden. So wie ich, wenn Jhr groses fertig ist, wills Gott noch einmal eine Wallfahrt nach England machen werde.

Neulich stund in einer deutschen Zeitung, daß künfftig Ihr Herr Bruder in Hamburg Teleskope nach Ihrer Art verfertigen werde. Ich glaube, dieses muß ein groser Druckfehler gewesen seyn.

Ich empfehle mich Ew. Wohlgebohren geneigtem Andencken und habe die Ehre Hochachtungsvoll zu verharren

Deroselben

Göttingen den 13 April 1786.

gehorsamster Diener
G. C. Lichtenberg.

480. An Nicolai.

Wohlgebohrner,

Hochzuverehrender Herr

Werthgeschäzter Freund,

Es scheint, der Himmel hat mich förmlich ausersehen Sie die Beschwerden des Ruhms etwas fühlen zu machen, ich gehorche daher als ein unschuldiges Werckzeug, und wandle auf meinem Wege fort.

Die Ueberbringer dieses Briefs sind Herr von Moutach, von Tillier, von Gingins und von Kilchberger, sämtlich aus Bern und aus den besten Familien dort so wie hier aus der besten Classe junger Leute sowohl was Fleiß als Aufführung betrifft. Sie verlangen weiter nichts als Sie zu sehen und zu sprechen.

Die drey neusten Stücke Jhrer Bibliotheck haben mir unbeschreibliches Vergnügen gemacht, vorzüglich die derben und so grade geführten Hiebe auf das Fell des catholisch Geistlichen Hornviehs, da wo es am dünnsten ist, und die Blitze auf das System der allein seeligmachenden Dummheit. Ich habe mit dieser Lectüre meine Østern gefeyert und dadurch meinen Glauben wieder so aufgefrischt daß er wie neu aussieht. Winkopps deutscher Zuschauer ist hier vermittelst eines zu Hannover gedruckten Befehls bey 10 Thaler Strafe verboten worden, ich habe das Stück, das diesen Befehl bewürckt hat, noch nicht gesehen. Es ist mir in gewisser Absicht leid, daß das Buch aufhört. Herr Winkopp ist freylich ein bloser aufgeklärter Bengel, allein er wußte wohl daß bey seinen Patienten nur allein solche Pferdecuren anschlagen. Wenn nur nicht am Ende ein deutscher Fürsten Verein entsteht der eine geschärfte Censur wieder einführt. Mir war es öffters deswegen bey Schlößers Staatsanzeigen bange, und wer wüste was hier geschehen wäre, wenn Schlößers Anrede an die Schweitzer erschienen wäre, die würcklich schon abgedruckt war, die er aber, wiewohl Gottlob diesesmal noch nicht auf obrigkeitlichen Befehl, sondern auf Bitten seiner Freunde nicht bekannt gemacht hat. Ich habe die Ehre Hochachtungsvoll zu verharren Ew. Wohlgebohren gehorsamster Diener

Göttingen den 20 April

1786.

G. C. Lichtenberg.

N. S.

So eben erfahre ich, daß die 4 Herrn nicht zusammen reißen, sondern gant verschiedene Touren nach Berlin nehmen, da aber Herr von Moutach und Tillier vermuthlich eher eintreffen werden als die andern, so gebe ich

diesen gegenwärtigen Brief mit und den übrigen einen andern, worin ich mich blos auf diesen beziehen werde.

481. An Ramberg.

Wohlgebohrner Herr

Hochzuverehrender Herr Kriegssekretär,

Ob ich gleich wenig oder gar nicht in die Kirche komme, weil ich nicht absehe, warum ich immer das Abc noch in Dingen anhören soll, worin ich seit 20 Jahren schon ziemlich lesen kan, so haben doch die Feyertage noch immer eine Würckung auf mich, als wenn ich noch Abc Schüler wäre. Ich darf nur läuten hören und ein paar gepuzte Bürgerleute mit Gesangbüchern gehen sehen, so dencke ich, es wäre Sonntag und per associationem idearum handle ich gant Sonntagsmäßig. Da ich nun des Sonntags nicht nach Hannover schreiben kan und am zweyten Osterfeyertag diese associatio idearum bey mir eintratt, so vergaß ich Ew. Wohlgebohren zu schreiben, wozu denn noch eine besondere, ebenfalls festtägliche Zerstreuung durch Gesellschafft das ihrige beytrug. Indessen, wenn ich auch nicht materialiter geantwortet habe, so ist es doch formaliter geschehen, wenigstens was einen Haupttheil Ihres Schreibens, nemlich die Orrery betrifft, ich habe an Herrn Boden geschrieben und sehe nun der Maschine mit Vergnügen entgegen. Ich dence ebenfalls wie Sie und solte nicht glauben, daß Herr Bode sich ohne Noth prostituiren würde; ich hoffe vielmehr das Beste und habe mir deswegen zugleich eine mit beschrieben.

Für die gethane Äusserung am rechten Ort (ich meine hier den Schuß für Experimental Physic) dancke ich Ew. Wohlgebohren gehorsamst. Es kan vielleicht fruchten. Die Sache geht mir jezt desto näher, da ich nun der einzige bin, ich habe nemlich nunmehr, ohne Vorsaß, dem HofRath Beckmann die Banck förmlich gesprengt. Vorigen Sommer kam schon seine Physic nicht mehr zu Stand, und diesen Sommer hat er aufgehört sie anzuschlagen. Mir wird aber wahrlich bange in einem so wichtigen Fache auf einer solchen Universität der einzige zu seyn. Ich gestehe Ihnen aufrichtig daß mir dieses zuweilen Unruhe macht. Der Ruf ist meinem Apparat bisher nur allzu günstig gewesen, ganz ohne mein Zuthun, denn das weiß der Himmel, daß ich bey jeder Gelegenheit sage, meine Zurichtung sey nicht 1/4 von dem, was sie nach meiner Idee seyn müste; aber nun kommen Leute, die mehr gesehen haben, dieses sezt mich in nicht geringe Verlegenheit. Doch muß ich auch zur Steuer der Wahrheit gestehn, daß mich jederman versichert, auf keiner deutschen Universität werde Physic so gelesen; und ich habe diesen Sommer

das Vergnügen, daß ein Paar nicht mehr gant junge Leute, deren Urtheil ich fürchtete, weil sie viel gesehen haben, zum zweytenmal bey mir be

legt haben.

Ew. Wohlgebohren und Dero ganzen werthesten Familie empfehle ich mich gehorsamst, der ich Hochachtungsvoll verharre

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Wie es hier zugeht, wie man gestört wird, was Arbeiten, zu denen man sich unterzeichnet hat, für Zeitverluste verursachen, können Sie nicht glauben. Zuweilen brüte ich 8 Tage über mir selbst und habe Muße und da thue ich freylich was ich will, und dann, wenn die Zeit komt, daß ich thun möchte was ich wolte, ist des Müssens so viel, daß man sich kaum einfällt.

Empfehlen Sie mich Ihrer Familie, die in aller Rücksicht vortrefflich seyn muß. Ich hoffe Sie noch in loco zu besuchen, ehe ich sterbe, und damit tröste ich mich bey meinem jezigen angebundenen Auster Leben.

Ich soll Sie also hier sehen. Liebster Mann, lassen Sie mich es vorher wissen.

Nur ein Wort, so sind Ihnen Logis und Tisch bey mir bereit. Der Tisch auf alle Weise, auch unvorbereitet, denn für einen Freund findet sich bey mir immer etwas, zumal bey einem, der durch sein Gespräch die Würze dazu hergiebt.

In Holland habe ich wenige oder keine Bekanntschafft. Ich liebe die Leute da nicht; die Städte sind vortrefflich, und Sie werden da Einrichtungen sehen, so wie man sie sich träumt. Es ist keine beträchtliche Stadt in Holland, die ich nicht gesehn habe. Ich habe ihre Schifffahrt und ihre Häußer betrachtet, aber ihre Bewohner waren mir, einige Gelehrte ausgenommen, un. erträglich. Sie verlieren gar zu viel gegen die Engländer. Wer aus England nach Holland komt, glaubt aus einer Gesellschafft wohlgezogener Offiziere unter Tamboure und Profoße versezt zu seyn.

Wenn Sie die See in vollem Lustre sehen wollen, so versäumen Sie ja nicht Scheveningen oder Schevelingen, 1 Stunde vom Haag, am Ende eines angenehmen Waldes, fast des einzigen in Holland, zu besuchen. Der Prospeckt ist da vortrefflich, weil keine Insuln gegenüber liegen, auch keine

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