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490. An Frau Dieterich.

Madam,

Verzeyhen Sie mir gütigst, aus alter Freundschafft, daß ich Ihnen so sehr beschwerlich falle. Ich weiß mir nicht zu helfen, und weiß gar nicht zu berechnen, was eine Gesellschafft von 12 Personen für Aufwand erfodert. Haben Sie die Güte nebst Madam Köhlern, für mich zu überschlagen, was ich gebrauche. Auf Geld kömmt es mir hierbey gar nicht an. Man kan sich bey solchen Gelegenheiten mit Ersparung eines Thalers um 10 prostituiren. Ich wünschte nur, daß alles ordentlich und richtig wäre, daß ich keine Sorge hätte. Madam Köhler hilfft ja wohl ein wenig mit sorgen. Ich werde mich mündlich zu bedancken die Ehre haben. Nur muß ich gehorsamst bitten, daß Sie dabey meinen Beutel nicht schonen. Ich lasse mir, wie ein guter Ehemann, alles gefallen. Ich habe die Ehre mit vollkommenster Hochachtung zu verharren

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In höchster Eile, mit ein paar Worten, will ich mich bey Uebersendung der Erklärung Ew. Wohlgebohren gehorsamst empfehlen. Solten Sie das Concept roh finden, so haben Sie die Güte es auf meine Kosten abschreiben zu lassen, und allenfalls Erläuterungen zuzusetzen, wo ich zu kurt gewesen, auch den Stilum zu schmieren.

Wolffs Abhandlung ist würcklich ganz, gang abscheulig, ich weiß nicht wo in aller Welt der Mann hingedacht hat, ich bin würcklich erschrocken wie ich es erfuhr. Ich hatte vorher schon würcklich einen Jronischen Aufsatz in petto und hätte ihn Ew. Wohlgebohren gewiß zugeschickt. Ich wolte nemlich sehr gelehrt beweisen, daß die Stockschläge oder Schmerz dabey blos elecktrischen Ursprungs sey, und von dem Reiben herrühre, das der Stock in der Lufft leidet ehe er den Conducktor-Buckel oder Buckel-Conducktor erreicht. Ich hatte so gar demonstrirt, daß, wenn man oben Bley in die Prügel gösse, die Erschütterung sehr viel hefftiger werde, wegen des Metalles, das die erriebenen Kräffte sammele, wodurch ein wahrer Sammelprügel (ein Leidenscher Prügel) entstehe, der alle unbelegten Prügel aller Reiche von

Europa weit überträffe. Wären die Schüßenhöfe im Winter, so würden so viele Schlägereyen nicht entstehen. Im Sommer ist es selbst Latus per se wegen der Electricität der Lufft. Doch Schertz bey Seite, so muß ich Ew. Wohlgebohren sub Rosa gestehen, daß ich fast täglich zweifelhaffter über den Einfluß der Electricität, den sie in die große Maschine haben soll, werde. Wenigstens glaube ich, daß die Hälffte von dem, was man darüber geschrieben, entweder nicht wahr ist oder gewiß besserer Untersuchung bedarf. Künfftig einmal mehr hierüber wenn Sie es verlangen. Entschuldigen Sie mich Ja bey Herrn Großvogt. Mein Gott! ich kan ohne Schaam, Schauder und Unwillen nicht an die Sache Gedencken. Meine gehorsamste Empfehlung an die wertheste Frau Liebste und die kleine Frölen, auf leztere hatte ich neulich im Traum ein Auge; wenn es im Wachen geschieht, so können Sie das Haus wahren, denn ich bin dem schönen Geschlecht unwiderstehlich. Ich bin gantz der

Göttingen den 22ten Junii

1786.

Jhrige

G. C. Lichtenberg.

...

492. Un Ramberg.

Wohlgebohrner Herr

Hochzuverehrender Herr Kriegssekretär,

Es hat mich gant ungemein gefreut, daß Sie meine Jronie auf Wolffs Abhandlung approbirt haben. Die Ausführung muß aber nun wohl unterbleiben. Ich bedaure nur mein schönes Capitel von Tritten vor den A. sch. Das Schimpfliche, was diese Art von Electricitäts-Erweckung hat, habe ich würcklich aus der inflammablen Lufft erklärt, die Adam schon mit diesem Instrument erzeugte, wie ich gewiß weiß. Dabey hatte ich eine gelehrte Ausschweifung gemacht und bewiesen, daß der Hintere eigentlich nichts anders sey als Volta's Cufftpistole, und daß man schon im Paradieß damit geschossen habe; auch daß die gefallenen Engel wahrscheinlich blos damit geschossen haben, wie ich aus einer Stelle im Milton gant unwider sprechlich darthue; Denn daß der Teufel sich mit Gestanck entfernt, ist eben diese Parthische Vertheidigungsart mit Inflammabler Lufft zu schießen, die er noch aus jenen Zeiten beybehalten hat.

Herr Lavater hat mich zweymal besucht, und hat mir würcklich (offenhertzig gesprochen) ungemein gefallen. Auget (kan man bey ihm sagen) præsentia famam. Ich hatte einen hitzigen, enthusiastischen Disputirer erwartet, Er ist aber nichts weniger; jezt wenigstens; Ich halte ihn würcklich für einen vortrefflichen Kopf, den schwache Gesellschafft etwas verrückt hat.

Hätte Lavater hier gelebt, wo man allenfalls calculirt, wo Schwärmer blos schätzen, so würde er gewiß so vielen wahren Ruhm erhalten haben, als er jeho Geschrey für sich hat. Ich wiederhole es noch einmal: ich kan Jhnen nicht genug beschreiben, wie gut dieser Mann ist. Er meint alles ehrlich, und wenn er betrügt, so ist er ein betrogner Betrüger. Wie sehr er auf Gründe horcht, davon muß ich Ew. Wohlgebohren ein Beyspiel erzählen, allein mit der gehorsamsten Bitte nicht viel davon ins Publicum kommen zu lassen, weil, wie Ew. Wohlgebohren wissen, man offt den schändlichsten Gebrauch davon macht.

Kaum hatte sich Herr Lavater nieder gesezt (Leß war mit dabey), so kamen wir von ohngefehr auf Mendelssohn, Leßing, Jacobi und Spinokismus zu sprechen. Da ich nun (offenherzig) den Spinoza seit der Zeit, da ich ihn verstund, für einen ganz ausserordentlichen Kopf hielt, so nahm ich mir, zwischen diesen beyden Theologen, vor, mich seiner anzunehmen. Ich sagte also, daß ich glaubte, tieferes Studium der Natur, noch Jahrtausende fortgesezt, werde endlich auf Spinozismus führen, welches dieser große Mann vorausgesehen. So wie unsere Kenntniß der Körper-Welt zu nehme, so verengerten sich die Gränzen des Geisterreichs. Gespenster, Dryaden, Najaden, Jupiter mit dem Bart über den Wolden pp seyen nun fort. Das einzige Gespenst, was wir noch erkennten, sey das, was in unserm Körper spücke und Würckungen verrichte, die wir eben durch ein Gespenst erklärten, so wie der Bauer das Poltern in seiner Kammer; weil der hier, so wie wir dort die Ursachen nicht erkennten. Träge Materie sey ein bloses menschliches Geschöpf und etwa blos ein abstrackter Begriff; wir eigneten nemlich den Kräfften eine träge Basin zu und nennten sie Materie, da wir doch offenbar von Materie nichts kennten, als eben diese Kräffte. Die träge Basis sey blos Hirngespinst. Daher rühre das infame Zwey in der Welt. Leib und Seele, Gott und Welt. Das sey aber nicht nöthig. Wer habe denn Gott erschaffen? Der feine Organismus im Thierischen und Pflanzen Körper rechtfertige nur hier Bewegung dependent von der Materie anzunehmen. Mit einem Wort alles was sey, das sey Eins, und weiter nichts! Ev xai nav Unum et omne. Alles dieses sagte ich ihm. Wissen Sie wohl was Lavater sagte der mir unglaublich aufmerksam zugehört: Das glaube er auch. Nur machte er einige Einwürfe, auf die er selbst nicht viel rechnete und die alle aus dem christlichen System flüchtig hergeholt waren. Ich kan nicht läugnen, ich wurde über des Mannes wahre Philo. sophie und Unpartheylichkeit so bewegt, daß ich ihm sagte: ich wäre, bey allem meinem Widersprechen gegen seine Behauptungen, immer ein Bewunderer seiner großen Talente gewesen, allein einen solchen unpartheyischen Dencker, als ich jezt in ihm fände, hätte ich, aufrichtig zu reden, nicht in ihm er

wartet. Es war würcklich ausserordentlich. Nachdem er weg war, fand ich einen größern Zusammenhang zwischen diesen Umständen, als ich anfangs erwartet hätte: Er hielt bis jezt Jesum Christum für wahren. Gott, daraus fließt sein Wunderglaube; findet er den falsch, so ist das andre Extremum Spinozismus; und ich glaube, er ist auf dem Punckt jenen falsch zu finden.

Auf seinen Magnetismus habe ich ihn nicht bringen können, es gab Ein Wort das andere und so verfloß die Zeit. Beym zweyten Besuch, den er mir blos gab, wie er sagte, weil er Göttingen nicht verlassen könte, ohne mich noch einmal zu sehen, und wobey er sich nicht einmal seßen wolte, war es gar nicht möglich. Er hat mir seinen Sohn empfohlen, der sich auch auf den Winter für die Physic aufgeschrieben hat. Ich empfehle mich Ew. Wohlgebohren ganzen Familie gehorsamst, der ich die Ehre habe mit vollkommenster Hochachtung zu verharren

Deroselben

gehorsamster Diener

Göttingen den 3ten Julii 1786.

G. C. Lichtenberg.

493. Un Ramberg.

Wohlgebohrner Herr,

Hochzuverehrender Herr Commerz-Rath,

Ehe ich Ew. Wohlgebohren auf Ihren vortrefflichen Brief antworte, muß ich Ihnen erst meine innigste Freude über Ihre Erhebung zu der neuen Charge bezeugen. Ich nehme gewiß den herzlichsten Antheil daran, und der Umstand, daß man bey der Wahl auf Sie gedacht hat, giebt mir von den Directoren einen sehr hohen Begrif, und daß Sie sich der Sache unterziehen, macht mir das ganze Institut ehrwürdig. Ich füge nun nur noch die Brief Schlußformel des seeligen Cicero hinzu cura ut valeas, so wird alles gut gehen.

Sie haben wohl recht, der Besuch des Herrn Herschel verhielt sich für mein Gefühl zu dem von Herrn Lavater wie der majestätische Aufgang des vollen Mondes an einem Sommerabend zu dem Tanzen eines Jrrwisches in einer Herbstnacht, oder wie Natur und Grillenfängerey. Die Gesellschafft des Mannes hat mir unendliches Vergnügen gemacht. Was er nicht noch thun wird, wenn er sein großes Teleskop, wovon der Hauptspiegel 1035 Pfund wiegt, fertig bekömt. Er wird das für den Himmel werden, was Löuwenhoeck für die Erde war, und die Cometen werden wie die Inseckten nicht mehr gezählt werden können.

Nun etwas zur Vertheidigung Lavaters. Sie müssen aber ja nicht glauben, daß mich die Jesuitische Influenza befallen, sondern ich sage nur was Recht ist. Nikolai ist gewiß mit Nachrichten betrogen worden, vielleicht gar (welches mir Leid thun solte) von muthwilligen Leuten. Lavater schwört, er habe von dem bewußten Catechismuß nur ein einziges Eremplar empfangen, nie ein anderes gesehen, und es nur Catholicken empfohlen, die ihn um Rath gefragt. Er hat Schlößern gebeten diese seine Versicherung in sein Journal einzurücken, und sie wird erscheinen. Ich glaube gewiß, Lavater ist ein ehrlicher Mann, der aber seinen Kopf für die Welt hält, und jeden Gedancken der ihm aufsteigt für einen neuen Planeten. Wären nur immer Leute um ihn gewesen, die ihm freundschafftlich gezeigt hätten, daß es Nebel wären, (denn er hört würcklich einem zu), so hätte etwas großes aus ihm werden können. Nun ist es zu spät.

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Von den Munchhusianis ist in England, wie ich sehe, schon die zte Auflage erschienen. Wäre es nicht möglich sie von Herrn Park auf ein Paar Tage zu erhalten?

Mein Gott wer mag das Leben des Ignatius Loyola im Hannöverschen Magazin geschrieben haben? Ich habe lange nichts gelesen, was so zur Rechten Zeit kömt und so schön geschrieben ist. Es ist völlig Voltäre. Der beissende Witz, so unerwartet gewendet, und immer wahr, etwas was man im Deutschen selten findet. Voltäre schildert einmal den Lurus, wie er plötz= lich unter dem vorigen Könige von Preussen in Berlin gestiegen war: „Viele, sagt er, trugen schon Manschetten Vorermel und manche hatten so gar ganke Hemden". Dieses Leben hat hier allgemeinen Beyfall. Ich wünschte sehr den Verfasser zu kennen. Und sagen Sie mir aufrichtig, sind Sie es nicht gar selbst?

Nun noch eine kleine aber traurige Geschichte, von welcher ich noch viel zu voll bin, um stille davon zu schweigen, und viel zu delicat in Rücksicht auf Briefstellerey um nicht Gebrauch davon zur Entschuldigung mancher Sprünge in meinem gegenwärtigen Brief zu machen. In der Nacht vom 4ten auf den 5ten August wurde ich um halb Uhr durch das Geschrey von Feuer! erweckt. Als ich die Augen aufthat war meine Schlafkammer so helle, als wenn die Sonne schiene, und ehe ich noch die Ermel meines Schlafrocks finden konte, stieg die Farbe ins Rosenrothe. Es war grade gegen mir über. Ich faßte mich aber gleich, lief nach meinem Bisgen Geld, und sah alsdann erst nach, da fand ich denn den Giebel eines Haußes in vollen Flammen, und ich spürte die Wärme, indessen war wenig Wind, und das Wenige, das war, war mir günstig, ich verbot also alles Retten von meinen Sachen, und es lief glücklich ab; eine Sprütze mit einem Windkessel würckte so vortrefflich, daß ich unter Freudenthränen gelacht habe, es war eine selt

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