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Müller zu Stade der Verfasser der Recension seyn? ob es gleich in Germania. maritima manchen guten Kopf geben mag, der die übrigen gezeigten Kennt nisse besitzen könte, wie wohl ich auch hier etwas zweifle, so hat das portugiesische darin etwas characteristisches für diesen Mann. — Bey dieser Gelegenheit kan ich Ew. Wohlgebohren einen kleinen mich betreffenden Umstand nicht verheelen, nemlich daß bereits vorigen Sommer Herr Kant nach Jena geschrieben, und sich mich zum Recensenten seiner metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschafft erbeten hat. Herr Professor Schütz schrieb deswegen an mich, und rückte die ganze Stelle aus Kants Brief ein, die sehr schmeichelhafft war. Ich lehnte es aber ab, theils weil ich, wenn ich recensiren will, schon weiß zu welchem Blatt mich Pflicht und Gesinnung verbinden, theils aber auch weil hierselbst in Rücksicht auf Kantische Philosophie einmal Parthey genommen worden ist von Herrn Collegen, denen ich nicht gerne widrig begegnen mögte. Kant mag seyn wie er will, so weiß er gewiß mehr, als, glaube ich, alle unsere heutigen Metaphysiker zusammen genommen. Ich nehme das Wort wissen hier so wie es dem Glauben entgegen gesezt wird. Ich habe schon vor 23 Jahren einige seiner Schrifften mit Vergnügen gelesen Was mich bey dem ganzen Lärmen freut, ist, daß einige selbst seiner hiesigen Widerleger beym Auskramen ihres Waarenlagers zu erkennen geben, daß sie sich selbst nicht immer recht verstanden haben. Ich lese was ich hierüber zu sehen bekomme jezt hauptsächlich aus diesem Gesichtspundt. Der gute Feder hat doch gewiß einige sehr große Blößen gegeben, und was Meiners gesagt hat, ist fürwahr nicht der Rede werth. Mich freut der Tumult ausserordentlich, weil die Schaarwächter des metaphysischen Zions wenigstens einsehen lernen werden, daß ihre Wercke so fest nicht sind, als sie sie zu seyn glaubten. Dieses Reiben und stoßen ist sehr gut. Ein Fortschritt im Ganzen ist gewiß die Folge davon; und ich wette, er wird dieses mal groß seyn, ob in größeres Licht oder größere Dunckelheit, getraue ich mir nicht zu entscheiden.

Ich habe jezt in meiner Physic gegen 90, wo nicht gar darüber. In der reinen Mathematic 8, aber vortreffliche Leute. Diese Stunde macht mir großes Vergnügen. Man muß Experimentalphysic, wie ich, 21 mal gelesen haben, um das Vergnügen zu fühlen, an einem frischen Morgen, ohne Klindworth, ohne Bangigkeit, ob die Versuche auch gelingen werden, ohne Sorge, ob nicht hier und da etwas zerbrochen, gestohlen oder sonst durch Vorwitzige unbrauchbar gemacht werden würde, blos mit dem Compendio in der Hand in den Hörsaal zu gehen; es ist ein wahres Curtrincken. Ich werde auch für dieses Collegium künfftig eine bestimmte Stunde, nemlich von 7-8 des Morgens, gleich in den Leß-Catalogum setzen. Den Winter lieset sie Kästner, und ich lese ein zweytes Collegium, da wird es wohl unterbleiben müssen.

Ich bitte wegen dieses weitläufftigen Briefs gehorsamst um Vergebung, und habe die Ehre Hochachtungsvoll zu verharren

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Ach, allerbester Mann, wenn Sie wüsten, wie mirs bisher gegangen ist, Sie strichen mich gewiß als einen insolventen Menschen aus Ihrem Schuldbuch aus; denn ich habe in Wahrheit den vergangenen Winter so sehr rheumatisirt, odontalgisirt, tussirt, ja sogar einmal podagrisirt und was ich gar nicht einmal ohne zu zittern schreiben mag, vermuthlich hämoptysirt, daß meine Briefschulden sehr weit über mein Vermögen hinausgehen. Also, bester Freund, nehmen Sie doch nicht für ungut, wenn ich mit Ihnen für Ihr schönes baares Darlehn heute auf 2 Procent Interesse accordire, und damit den Anfang jezt mache mit der Armuth, die ich unter Salt, trocknem Brodt, abgerissenen Hosenknöpfen, halben Hemdknöpfen, Zunderstückchen und Bindfaden aus meinen Taschen zusammen lese. Kommen bessere Zeiten, so will ich an Abtragung des Capitals wenigstens dencken, ich arbeite wenigstens jezt ernstlich an besseren Zeiten, und habe vor etwa 12 Tagen würcklich den Anfang mit Anlegung einer Kegelbahn gemacht in einem Garten, der fast so weit von meiner Wohnung liegt, als ehemals der Galgen von der Pioh-Gasse, oder dem Armensünderstübchen. Auch eine Flinte habe ich mir angeschafft, diesen Sommer über meine Zuckererbsen selbst entzwey zu schiesen und zu verderben; voriges Jahr thaten es die Sperlinge. —

O lieber Freund, was für Antheil ich an Ihrem Glück und Unglück nehme, kan ich Ihnen mit Worten nicht ausdrücken. Ihr erster Brief ent hielt starcke Dosen von beyden. Sie sehen doch, wie der Himmel den bittern Kelch mit einem süsen und kräfftigen Nachtrund zu versezen weiß. Wen der Himmel lieb hat, das wissen Sie, dem giebt er böse —, aber auch Tochtermänner wie Hufeland. Daß Ihre Frau Tochter einen solchen vor. trefflichen Mann gefesselt hat, giebt mir einen sehr hohen Begriff von Ihrer Frau Tochter. Ich dancke Ihnen und Ihrem Herrn Sohn für die schöne Landschafft, ich werde gewiß den besten Gebrauch für die Zukunfft davon machen. Wegen des Freytisches müssen Sie nothwendig an Herrn HofRath Heyne schreiben. Schliesen Sie den Brief an mich ein, so will ich ihn mit einem Billet begleiten, und sonst noch dabey würcksam seyn. Heyne hat nicht allein das Directorium über die Freytische, sondern ist auch der sehr geliebte

und verehrte Tochtermann des Mannes, der der fons beneficiorum bey der ganzen Universität und eigentlich unser Curator ist, ob er gleich nicht so genannt wird, der HofRath Brandes zu Hannover. Wollen Sie an diesen Mann selbst schreiben, oder mich schreiben lassen? Daß Ihr Herr Sohn Neigung zur Physic hat, ist sehr herrlich, hat er Genie dazu, so kan er einmal hier bleiben. Herzlich gern wolte ich ihm meine Ausgabe von Errlebens Naturlehre schencken, und wenn er hieher kömt, soll er sie sogleich bekommen. Ich glaube aber nicht, daß dieses ein Buch ist, das reißt, sondern für diese Jahre sind Wolffs nützliche Versuche das beste, was man einem in die Hände geben kan, auch vernünfftige natürliche Magien, wie Wieglebs z. E. Diese reitzen einen guten Kopf, und schlagen durch Schwierigkeiten nicht nieder.

Sie können gar nicht glauben, was ich über Ihren Siebahrt gelacht habe. Es ist doch würcklich wahr, was ich hierbey nicht zum erstenmal finde, daß Einfälle so schlecht werden können, daß sie wieder gut werden von der andern Seite; sie bekommen nemlich einen grosen negativen Werth, so wie gute Milch durch gerinnen Schmierkäse, und dann stinckender Käse wird, der die Tafeln der Grosen parfümiren darf. Die eigentlichen infamen Einfälle sind das milchlaue unreine Wasser, das weder brennt noch fühlt.

Von Ihren barometrischen Messungen müssen wir ein andermal reden. Ich glaube, Sie machten sich am besten selbst eines. Luz von Barometern (er ist auch ein Prediger) wird Sie gant au fait sezen. Dem fehlerhafften kan man etwas dadurch vorbeugen, daß man die beyden Barometer, die man gebrauchen will, zusammen bringt und vergleicht. Zuweilen liegt auch der Unterschied in der Skale. Geben Sie uns ja eine Topographie, Sie sind der wahre Mann dazu. Kein vernünfftiger Beurtheiler wird es einem Verfasser zur Last legen, zumal in dieser Art von Schrifften, etwas nicht erfüllt zu haben, was man etwa hätte erwarten können, wenn der Herr Autor nur offenhertzig die Hindernisse anzeigt.

Empfehlen Sie mich Ihrem ganzen Hauße, zumal meinem lieben kleinen Pathen, recht herzlich, verzeyhen Sie meinen Unmuth, und rechnen Sie mehr von mir auf thätigen Beystand, wo er in meinem Vermögen ist, als auf Briefe. Eigentlich wolte ich sagen (denn alles mißlingt mir heute), schliesen Sie aus meiner Nachlässigkeit ja nicht auf Nachlässigkeit in wahren Diensten, die in meinem Vermögen stehen. . . .

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die Leckerbissen, liebster Freund, nur zu einem Bogen, wenn nicht alles fertig Lichtenbergs Briefe. II.

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ist; so haben Sie wieder Zeit bis zum Dienstag. Ich bitte recht sehr, bester Freund. Hierbey komt ein Stück des Merkur, darin steht S. 409. eine Anrede des Schauspielers Smith an die Versammlung bey seinem Abschied, kurt, aber höchst vortrefflich, und zum Beweis, daß auch Perioden schön seyn können, wenn sie gleich nicht mit po-ly-syl-la-bi-schen Schwänzen einhersteigen*). Wenn Sheridans Rede durchaus so ist, wie das was hier steht, so bin ich nicht sonderlich begierig darauf.

Mit Dieterich war ich neulich nicht glücklich, er hatte mit Advocaten Kälbern gepflügt. Dr Pohl hat aber gewiß viele Schuld. Was hatte der Ursache Dieterichen zu fragen, ob er Geld an Ihren Herrn Vater zu bezahlen hätte, das verstund sich ja von selbst. Sein Verfahren verräth Mißtrauen, da Dieterich doch blos Contracktmäßig verfuhr. Daß er Ihren Herrn Vater reclamirt, läugnet er schlechterdings, und hat Ihrem Herrn Vater, falls er ihn dessen überführt, alle Satisfacktion versprochen. Suchen Sie doch ja alles zum besten zu führen, liebster Freund; es ist ja ohnehin eine Kunst, die Sie vorzüglich verstehen.

Dieterich hat neulich (NB. freywillig) angefragt, ob ich das Magazin fortsezen wolte, er sey bereit dazu je eher je lieber, könne aber nur 1 Louisd'or Honorarium bezahlen. Was sagen Sie dazu? Es ist doch schön eine Ge. legenheit zu haben, zuweilen etwas zu sagen, woraus sich nicht sogleich ein Buch machen läßt. Wollen Sie mit dabey seyn, oder soll ich es allein fortsezen? Sie sollen dabey mit Dieterich nichts zu thun haben. Ja, liebster Freund, wenn Sie mir z. E. versprechen, zum nächsten Stück 5, 6 pp Bogen zu liefern, so pränumerire ich Ihnen aus meiner Tasche, Sie können hernach Ihr Versprechen mit eignen Geisteswercken oder mit Ihres Herrn Vaters, Herrn Sömmerrings, Mercks pp erfüllen, das ist alles gleich viel. Mündlich etwas mehr von der Sache, hauptsächlich auch noch von einem andern Bewegungsgrunde dazu....

538. Un Friedrich August Lichtenberg.

Göttingen, den 27. Juni 1788.

... Es hat mich ungemein gefreut, einmal wieder von Dir und Deiner Familie zu hören, an die ich täglich dencke. Daß ich so selten schreibe, wirst Du mir verzeyhen. Ich lese des Tags 3 Stunden, aber lauter solche, die nicht sowohl Vorbereitung im gewöhnlichen Verstand (wenigstens diese nicht allein), sondern offt mühsame und verdrießliche Zubereitung erfordern. Dieses nimt mich, zumal bey dieser heißen Witterung, starck mit, so daß ich in den Zwischenzeiten zu wenig mehrerm tauge, als zur Lektüre, der ich in

*) Das herrliche: when I am off am Ende fordert Hertz und Hände zum Beyfall auf.

jeder Stellung des Körpers nachhängen kan. Ich bin daher schon längst gewillt gewesen, meinen epistolarischen Bankrot im Franckfurter Ristretto meinen Correspondenten bekant zu machen und ihnen 1 Procent zu offeriren.

Daß Herr Geheimde Tribunal Rath Höpfner sich noch meiner erinnert, hat mir sehr viel Freude gemacht, und ich bitte mich diesem rechtschaffenen und thätigen Manne bestens zu empfehlen.

Von der Riesen Harfe hatte ich vor bereits geraumer Zeit etwas gelesen, wo ich nicht sehr irre, in einer Zeitung oder in dem Esprit des Journaux. Ich achtete aber nicht viel darauf. Indessen wurde ich vor etwa sieben Wochen durch einen jungen Herrn Haas selbst aufmerksam darauf gemacht. Er ist Buchdrucker in Basel und derselbe, der da die Baskervillische und Bodonische Art das Papier zu glätten, auch erfunden und sehr gute Proben davon gegeben hat. Dieser artige junge Mann besuchte mich hier bey seiner Durchreise nach Petersburg, aber leider nur auf sehr kurze Zeit. Von Diesem, der vermuthlich der Bruder des Offiziers ist, von welchem in Deiner Relation geredet wird, erfuhr ich denn auch das was die Relation enthält, aber nichts weiter. Indessen war es mir genug, zu wissen, daß die Sache gegründet sey.

Der Nahme Barometer ist nicht ganz schicklich, denn mit dem Druck der Lufftsäule hat wohl das Phänomen keinen Zusammenhang. Sicherlich ist es entweder eine Bewegung der Lufft, oder eine Würckung der Wärme und Kälte, entweder auf die Dräte selbst, oder auf die Körper, an denen sie be festigt sind, und in Rücksicht auf leztere kan auch die Feuchtigkeit Theil haben. Die Würckung der Wärme und Kälte muß nothwendig auf Dräte von 320 Fuß Länge sehr beträchtlich seyn, so daß ich glaube, daß sie nicht einen Augenblick gnau einerley Länge behalten, geschieht nun dieses nach gewissen Intervallis, dergleichen man auch schon bey dem Eisen bemerckt, 3. E. bey dem knacken der Ofenplatten beym einheitzen, und wiederum beym erkalten derselben (ich sage: in gehörigen Intervallis, denn daß nicht jede Geschwindigkeit, womit die Ausdehnung oder das zusammenziehn geschieht, den Ton in derselben Saite hervorbringen kan, ist aus der Theorie der Schwingungen begreiflich), so müssen durch dieses prallen nothwendig die Töne entstehen. Daß es Messing nicht thut, (wenn anders der kostbare Ver such würcklich und richtig angestellt worden ist,) könte theils daher rühren, daß es sich cæteris paribus zu starck, oder auch daß es sich zu stätig und ohne jenes sprungweise knacken ausdehnt. Doch scheinen mir diese Erfahrungen ein wenig verdächtig, weil offenbar die Herren mit ihrer Mittagslinie den Magnetismus im Sinne haben. Mit der Mittagslinie parallel soll vermuthlich heisen: In der Ebene des Meridians, denn wenn die Dräte einen Winckel von 30 Graden mit dem Horizont machen, so können sie nicht mit der Mittagslinie parallel seyn. Auch ist folgendes zu bedencken:

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