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IV. Allgemeiner Teil.

f) Kerngröße und Chromosomenzahl.

Y. Delage.

Die Angaben von

Im Vorstehenden konnte gezeigt werden, daß die Kerne der Seeigellarven, soweit wir die Entwickelung zu verfolgen im Stande sind, in ihrer Größe der Chromosomenzahl ihrer Ahnzellen proportional sind. Nachdem für Ascaris megalocephala mit voller Sicherheit der Nachweis geführt worden ist1), daß sich abnorme Chromosomenzahl des Eies während der Entwickelung unverändert erhält, ist von vornherein kaum eine andere Annahme möglich, als daß die dauernde Vergrößerung oder Verkleinerung der Larvenkerne bei den Seeigeln darauf beruht, daß sich auch hier die erhöhte oder verminderte Zahl der Chromosomen von einer Zellgeneration zur nächsten ohne Aenderung forterbt. Daß dies für die ersten Furchungsstadien zutrifft, ist überdies an merogonischen Objekten durch MORGAN (34), für andere künstlich abgeänderte Chromosomenzahlen durch N. M. STEVENS (45) nachgewiesen worden; und ich selbst habe, worüber ich an anderer Stelle berichten werde, für die erste Entwickelung dispermer Keime ein Gleiches feststellen können. Es müßte also eine Regulation der Chromosomenzahl zur Normalzahl, wenn sie vorkäme, auf spätere Stadien verlegt sein. Zu welchen Konsequenzen diese Annahme führen würde, ist leicht zu sehen. Stellen wir uns vor, daß die auf 72 erhöhte Chromosomenzahl des diplokaryotischen Keimes, ebenso wie die auf 18 erniedrigte eines hemikaryotischen, nach einiger Zeit zur Normalzahl 36 zurückkehre, so müßte damit im ersten Fall ein Wachstum der Chromosomen auf das Doppelte, im zweiten eine Verkleinerung auf die Hälfte der Normalgröße verbunden sein, wir müßten also z. B. in den Kernen der Fig. 19b viermal so große Chromosomen antreffen wie in denen der Figg. 15 und 16. Denn wir haben gefunden, daß die Gesamtchromatinmenge eines jeden Larvenkernes dauernd der ursprünglichen Chromosomenzahl proportional ist. Anstatt der einfachen Erklärung dieser Tatsache aus einem durch alle sonstigen Erfahrungen fast zur Gewißheit erhobenen Fortbestehen des einmal hergestellten abnormen Zustandes, müßten wir also eine Kom

1) Vergl. BOVERI (6, 8, 12), HERLA (30), ZOJA (55), ZUR STRASSEN (47).

bination zweier nirgends beobachteter Vorgänge annehmen: einer Aenderung der Chromosomenzahl zwischen zwei Kernteilungen und einer korrespondierenden entgegengesetzt gerichteten Aenderung der Chromosomengröße.

Und doch soll dieses doppelt Unwahrscheinliche bei den Echiniden verwirklicht sein. DELAGE (19, 20) hat aus seinen Versuchen über „Merogonie" und künstliche Parthenogenese das Resultat abgeleitet, daß die bei den genannten Versuchen um die Hälfte zu kleine Chromosomenzahl des Eies in den Larven zur Normalzahl zurückgekehrt gefunden werde. Und er begnügt sich nicht mit dieser Konstatierung, zu deren Erklärung noch verschiedene Möglichkeiten bestünden, sondern stellt den, selbst im Fall der Richtigkeit seiner Beobachtungen unbegründeten Satz auf, daß die Chromosomenzahl eine Specieseigenschaft sei, welche bei jeder künstlichen Veränderung sich immer wieder restituiere.

Wenden wir uns zu den dieser Behauptung zu Grunde liegenden Tatsachen, so habe ich schon früher (15) darauf aufmerksam gemacht, daß DELAGE bei seiner Aussage über die Chromatinverhältnisse künstlich-parthenogenetischer Strongylocentrotuslarven einer Täuschung anheimgefallen ist, indem er irrtümlicherweise die normale Chromosomenzahl des befruchteten Eies auf 18 anstatt 36 annahm. So bleiben uns also nur noch seine Merogonieversuche zu betrachten übrig. DELAGE hat mitgeteilt, daß er ein bestimmtes Ei unter dem Mikroskop zerschnitten, das kernhaltige und kernlose Stück befruchtet und beide isoliert zu Larven auf

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gezogen habe. In diesen Objekten wie viele solche Paare er besaß und wie weit sie sich entwickelt haben, ist nicht gesagt hat DELAGE die Chromosomen gezählt und identische Zahlen gefunden.

Was nun meine eigenen Erfahrungen in diesem Punkte betrifft, so ist es mir an meinen Präparaten des Blastulastadiums und späterer Stadien nur ausnahmsweise möglich gewesen, die Chromosomen auch nur mit annähernder Genauigkeit zu zählen. Sowohl an den mit Sublimat-Essigsäure wie den mit Pikrin-Essigsäure abgetöteten Objekten finde ich die Chromosomen in der Regel so dicht zusammengedrängt, daß höchstens für einige davon. Anfang und Ende sicher anzugeben ist. Eine wirklich exakte Zählung vermochte ich nur an der einzigen Teilungsfigur auszuführen, die in Fig. 11 wiedergegeben ist. Sie gehört einer Ektodermzelle einer kleinkernigen, also hemikaryotischen Fragmentgastrula von Strongylocentrotus an (Versuch vom 5. Dezember

Boveri, Zellen-Studien V.

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1901). Die Chromosomenzahl ließ sich hier auf 17 bestimmen, d. i. die Zahl, die bei dieser Species dem einzelnen Hemikaryon des Eies zukommt (16-18). Eine Regulation zur Normalzahl hat hier also nicht stattgefunden. So vereinzelt nun dieser Fall auch ist, so genügt er doch im Verein mit den anderen Wahrnehmungen, um den Beweis zu erbringen, daß wir es in dieser mangelnden Regulierung nicht mit einem Ausnahmsfall zu tun haben, sondern daß sie das typische Verhalten aller derjenigen Objekte repräsentiert, die ihre Entwickelung mit einer abnormen Chromosomenzahl begonnen haben. Zunächst ist zu erwähnen, daß ich in einer Anzahl von Teilungsfiguren arrhenokaryotischer Keime die Chromosomenzahl wenigstens in so genauer Annäherung habe feststellen können, um behaupten zu dürfen, daß diese Zahl ungefähr die des einzelnen Vorkernes und nicht die Normalzahl ist. Steht aber dies fest, so können wir von hier aus auch auf andere Fälle Schlüsse ziehen.

In Fig. 7, 8 und 9 (Taf. I) sind bei gleicher Vergrößerung Teilungsfiguren aus einer Monastergastrula, aus einer normalen Gastrula und aus einer kleinkernigen, also hemikaryotischen Fragmentgastrula, sämtlich von Strongylocentrotus, abgebildet, also von 3 Objekten, für die die Chromosomenzahlen der Ausgangszellen im Verhältnis von 4:2:1 stehen. Obgleich nun von einer Zählung der Chromosomen in diesen Teilungsfiguren nicht die Rede sein kann, läßt sich das relative Zahlenverhältnis doch mit ziemlich großer Annäherung bestimmen. Man kann, besonders klar bei Vergleichung der Aequatorialplatten, die charakteristischerweise in den 3 Larven ungefähr gleich dick sind, feststellen, daß die Chromatinmenge der Fig. 8 etwa doppelt so groß, die der Fig. 7 mindestens viermal so groß ist als die der Fig. 91). Man kann zweitens an einzelnen der mehr isoliert liegenden Chromosomen Länge und Dicke bestimmen und bemerkt, daß diese Maße für alle 3 Larven ungefähr übereinstimmen. Daraus folgt aber mit aller Sicherheit, daß die Mitosen der amphikaryotischen Larve etwa doppelt, die der diplokaryotischen etwa viermal so viele Chromosomen enthalten müssen als die der hemikaryotischen Larve. Bilder, wie Fig. 10a und b, erstere von einer amphikaryotischen, letztere von einer hemi

1) Berücksichtigt man, daß die Chromosomen durch Zwischenräume voneinander getrennt sind, so sieht man leicht ein, daß eine Aequatorialplatte mit 4 x Chromosomen etwas mehr als viermal so groß sein muß als die mit x Chromosomen.

karyotischen Fragmentgastrula, machen dies besonders augenfällig. Aus diesen Feststellungen dürfen wir aber nach allen sonstigen Erfahrungen mit Bestimmtheit schließen, daß sich in den Teilungsfiguren der Larven noch genau die nämlichen Chromosomenzahlen finden wie in den Ausgangszellen.

Fragt man nun, was dann DELAGE als Grundlage für seine Behauptung vor sich gehabt haben kann, so wird dies wohl für immer unaufgeklärt bleiben. Vor allem ist nicht zu verstehen, wie einem so geübten Beobachter, nachdem er doch den Kernen seine spezielle Aufmerksamkeit gewidmet hat, der höchst auffallende Unterschied in der Kerngröße zwischen amphikaryotischen und hemikaryotischen Larven hat entgehen können. War derselbe an seinen Larven nicht vorhanden? Dann kann er gar keine typischen ,,merogonischen" Objekte vor sich gehabt haben. Ich habe schon früher (13) auf eine bestimmte Abnormität aufmerksam gemacht, durch welche eine hemikaryotische Larve die Chromosomenzahl einer amphikaryotischen erreichen kann. Eine zweite, für den Fall von DELAGE jedenfalls näher liegende Möglichkeit habe ich seither kennen gelernt; sie liegt in der „Monaster"-Bildung, wie sie als Folge des Schüttelns kurz nach der Befruchtung im speziellen Teil (Abschnitt b) eingehend beschrieben worden ist. Wie dort dargelegt, führt der Monaster zu einer Verdoppelung der in der Zelle ursprünglich vorhandenen Chromosomonzahl, und er würde also, wenn er in einem hemikaryotischen Eifragment aufträte, hier die Chromosomenzahl eines amphikaryotischen Keimes bewirken.

Daß Monasterbildung nicht nur als Folge des Schüttelns auftreten kann, geht aus gewissen von TEICHMANN (49) beschriebenen Fällen hervor, und ich selbst habe Aehnliches beobachtet. Wie leicht diese Abnormität zu falschen Schlüssen führen kann, mag noch an einem bestimmten Beispiel näher erläutert werden, das in Fig. G (p. 36) abgebildet ist. Dieser aus 5 Zellen bestehende Keim stammt aus einem dispermen Ei von Strongylocentrotus, das einen Triaster zur Ausbildung gebracht und sich simultan in 3 Zellen geteilt hatte 1). Während nun 2 davon sich in der für diese Objekte typischen Weise abermals geteilt hatten, hat die dritte einen Monaster gebildet, der, wie alle Monaster von sehr langem Bestand, noch auf einem Stadium nachweisbar ist, wo die 4 anderen Zellen schon wieder zur Teilung bereit sind. In diesem Moment

1) Näheres über diese Abart dispermer Furchung siehe in 15.

wurde der Keim fixiert. Die Monasterzelle zeigt die Chromosomen in der für diese Figuren typischen Weise in Form einer Kugelfläche angeordnet, und über das Schicksal, das sie weiterhin erfahren hätte, kann nach dem, was wir von den Eiern mit

Fig. G.

Monaster wissen, kein Zweifel bestehen. Die Chromosomen hätten sich gespalten und alle Tochterchromosomen wären wieder in einem einzigen Kern vereinigt worden. Hätte dann die Zelle in der nächsten karyokinetischen Periode einen Amphiaster entwickelt, wie es die Regel ist, so würde sie von da an in der gleichen Weise, wie die anderen, an der Embryonalentwickelung teilnehmen, aber mit

dem Doppelten ihrer ursprünglichen Kernmenge. Und wenn man auf einem späteren Stadium die Chromosomen zählen würde, ohne jenes Intermezzo beobachtet zu haben, würde man zu Resultaten kommen, die unserem Zahlengesetz zu widersprechen scheinen.

Wenn man nun bedenkt, welchen ungünstigen Bedingungen ein nach dem Verfahren von DELAGE auf dem Objektträger durch Zerschneiden gewonnenes und in einem hängenden Tropfen gezüchtetes Fragment unterliegt, im Vergleich zu den aus einer großen Menge von Schüttelfragmenten ausgesuchten, in einer Fülle von Wasser lebenden Stücken, so ließe sich wohl verstehen, daß gerade bei der Versuchsanordnung von DELAGE eine derartige Abnormität vorgekommen sein könnte und zu einer Täuschung geführt hätte.

Ganz allgemein aber lehren Fälle wie der oben beschriebene, daß vereinzelte scheinbare Ausnahmen von den zu postulierenden Chromatinmengenverhältnissen das von uns nachgewiesene Gesetz nicht umstoßen können. Denken wir uns z. B., daß in dem partiellthelykaryotischen Keim der Fig. 22 auf dem Zweizellenstudium in jener Blastomere, die nur das Eikernderivat enthält, ein Monaster aufgetreten wäre, während die andere sich regulär weitergeteilt

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