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theilhaft sie auch seyn mochten, immer standhaft zurückwies.

Volney, der Verfasser der Reisen durch Syrien und Egypten, ist seit einigen Tagen hier. Er geht nach Korsika, mit dem Auftrage, zweckmässige Plane zur Urbarmachung unangebauter Gegenden, deren es auf dieser Insel noch so viele giebt, zu entwerfen und auszuführen. Ich sah ihn einigemal. Er hat eine einnehmende und feine Gesichtsbildung, und scheint nicht viel über dreifsig zu seyn. In seinem Betragen herrscht die, den meisten Pariser Gelehrten eigene Urbanität. Unter dem Titel: Die Ruinen, hat eben ein neues Werk von ihm die Presse verlassen. Es enthält politische und philosophische Betrachtungen, die er, in den Trümmern von Palmyra, über Staatsverfassungen und Revolutionen anstellt. Ich habe noch nicht weit über das Anfangskapitel hinaus gelesen, und kann also über das Ganze nicht mehr sagen, als dafs die Einfassung des Gemäldes Geschmack und Originalität verräth. Gestern als ich mit ihm in zahl

reicher Gesellschaft bei Herrn F. Jedermann freute sich auf die interessanten Erzählungen des berühmten Mannes, der die Pyramiden, den Nil und die Ruinen von Palmyra gesehen hatte; aber Volney sprach, während der ganzen Mahlzeit nur über die konstituirende Nationalversammlung, deren Mitglied er war, und über die Nothwendigkeit, kulturfähige, bisher vernachläfsigte Gegenden anzubauen, weil, nach der höchsten Wahrscheinlichkeit, die europäischen Kolonien der andern Welttheile, in wenigen Jahren, nach dem Beispiele Nordamerikas, von ihren Mutterländern abfallen und besondere Staaten bilden würden. Mir fiel hierbei zuerst Brasilien ein, dieser Riesenzweig eines zwergartigen Stammes, von dem es unbegreiflich ist, dass er nicht längst durch seine eigene Wucht isolirt wurde.

VIERZEHNTER BRIEF.

Avignon, 18. März. 1792.

Seit der Abreise von Lyon hielt ich mich an keinem Orte lange genug auf, um dir schreiben zu können, mein Bonstetten. Von nun an soll jede Stunde der Erholung, während meiner ganzen Reise in Südfrankreich, dir ausschliessend geweiht seyn.

Von der Wasserfahrt von Lyon nach Avignon habe ich nichts merkwürdiges zu erzählen. Die Gesellschaft im Postschiffe war zahlreich, und wie gewöhnlich sehr gemischt. Ich machte die Bekanntschaft zweier Herren, deren Aeufseres mich einnahım. Der eine war ein Herr von Launay, vormals Offizier in Ostindien, der nach Avignon reiste, um einen Sohn, der daselbst unter dem Regimente Lamark dient, nach vierzehnjähriger Trennung wiederzusehen; und der andere ein

von

Graf Tilli, der der Belagerung von Gi-
braltar beigewohnt und sich nachher lange in
Korsika aufgehalten hatte.
Dieser zeigte

Kentnisse und feinen Geschmack. Wir lasen miteinander im Horaz und in Humes Geschichte Englands, von der ich den ersten Band bei mir hatte. Ich freute mich seines warmen und richtigen Gefühls, und erstaunte oft über das Neue und Scharfsinnige seiner Be merkungen. So flohn die Ufer vorüber, ohne dass wir es gewahr wurden. Gegenden zu schildern ist eine undankbare Mühe, weil die Phantasie des Lesers gewöhnlich doch nur ein falsches Gemälde unterschiebt. Ohne diese Ueberzeugung hätte ich es vielleicht versucht, dir einige pittoreske Ansichten bei Viviers zu beschreiben, wo wilde Felsberge mit reichangebauten Thälern wechseln, und die Trümmer mancher ehrwürdigen Ritterburg sich auf schroffen Basaltlagen erheben.

Herr von Launay, der bei mehrern Ge legenheiten ein gefühlvolles und leicht zu rührendes Herz verrieth, dachte nur seinen Sohn,

und wünschte dem Schiffe die Flügel des Sturmwinds. Das Bild des vierjährigen Knaben, der ihn beim Abschiede anlächelte, lebte noch in seiner Seele; aber der achtzehnjährige Jüngling erschien ihm verschleiert.

Gestern gegen Mittag landeten wir vor Avignon, nachdem wir zwei Nächte unterweges, die erste in einem Dorfe dessen Namen mir entfallen ist, und die andere in St. Andiol, einem Städtchen im Ardeche-Departement, zugebracht hatten. Eine Menge zerlumpter Kerle fielen sogleich über unsere Sachen her, um sie ins Wirthshaus zu tragen. Meines leichten Felleisens, das ich an Einem Finger hätte transportiren können, bemächtigten sich zwei baumstarke Träger, ergriffen jeder einen Riemen, und stiegen langsam, als ob sie unter ihrer Last erliegen müssten, das Ufer hinan. Bei den Sachen des Grafen Tilli ging die Vertheilung so weit, dafs ein Uniformsäbel von seinem Gehenk getrent wurde, und je des Stück einen besondern Träger bekam.

Als wir ans Land traten, sahen wir drei
Offiziere

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