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In Remoulins nahm ich einen Führer, um die Wasserleitung über den Gardon (le pont du Gard) zu sehen, welche nicht weit von diesem Dorfe entfernt ist. So hoch meine Erwartung auch durch die Schilderung, welche uns Rousseau, in seinen Bekentnissen, von diesem herrlichen Ueberbleibsel der römischen Gröfse hinterlassen hat, gespannt worden war, so übertraf dennoch die Wirklichkeit bei weitem das Bild meiner Phantasie.

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Es ist unmöglich sich etwas kühneres, edleres und majestätischeres zu denken, als den Stil dieser Wasserleitung, die mehr ein Werk der Götter, als der Menschen zu seyn scheint. Man erliegt beinahe unter der Erhabenheit dieser Erscheinung, die sich auf einmal in einer Gegend, so wild, verlassen und dürftig, dass der Anblick einer armseligen Kapelle darin frappiren würde, in ihrer ganzen Riesengröfse, als der stärkste sinnliche Ausdruck der Unzerstörbarkeit, darstellt. Rousseau sagt: Diese Wasserleitung war, seitdem ich auf Erden bin, der einzige Gegenstand, den ich nicht unter

meiner Erwartung fand. Ich verlor mich in den ungeheuern Gewölben wie ein Insekt, und glaubte bei jedem wiederhallenden Fusstritte die Stimme der alten Gebieter des Erdkreises zu hören.

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Es kam darauf an, das Wasser, welches vom heutigen Uezes, sieben Stunden weit nach Nismes geleitet ward, über die Tiefe zn führen, durch welche der Gardon in dieser Gegend seinen Lauf nimmt, und also die Gipfel zweier Berge durch einen Kanal in Verbindung zu bringen, der über anderthalb hun

dert Fufs über den Flufs erhoben werden musste. Man war daher genöthigt drei Geschosse über einander zu stellen, wovon das unterste aus sechs, das zweite aus eilf, und das dritte, welches den Kanal trägt, aus fünf und dreissig Arkaden besteht. Die gröfste Länge des Ganzen, d. l. da, wo sich die Berge am weitesten von einander entfernen, wird auf goo. Fuls angegeben.

Mit einbrechender Nacht erreichten wir Nismes und stiegen im Hotel von Luxemburg ab. Ich erwachte hente sehr früh, und mein erster Gang war nach dem Amphitheater, dem herrlichsten römischen Denkmale aufserhalb Italien. Dies Gebäude würde einen unbeschreiblichen Effekt machen, wenn es auf ei ner freien Anhöhe oder nur in einer freien Ebene stände, und nicht, wie jetzt, durch eine Menge elender Häuser entstellt würde, die nicht nur von aufsen daran geflickt sind, sondern auch die Arena dicht überdecken; so dafs es der Einbildungskraft beinahe unmöglich ist, das Ganze auf einmal zu umfassen und die rei

nen und edlen Formen desselben aus diesem Chaos hervorzuheben. Jetzt fängt man endlich an, nach einem längst entworfenen Plane die Baracken der Arena niederzureissen und die ringsher viele Fufs hoch aufgehäuften Schuttlagen wegzugraben.

Unter allen römischen Amphitheatern, hat sich, nächst dem veronesischen, keins vollständiger erhalten als das Amphitheater von Nismes; welches um so aufserordentlicher scheinen mufs, da es nicht nur der Zeit allein, sondern auch der Zerstörungswuth der Barbaren des Mittelalters Trotz zu bieten hatte. Ihren gutgemeinten Verunstaltungen entging es jedoch eben so wenig, als das Pantheon in Rom. Die Gothen stellten zwei Thürme auf die Attika der Vorderseite, welche mir vorkommen wie eine Allongenperrücke auf dem Haupte des Farnesischen Herkules. Die Erbauungsepoche dieses Amphitheaters kann man nicht mit Gewifsheit angeben; wahrscheinlich aber fällt sie in die Regierung des ersten Antonins.

Vortheilhafter gestellt, als das Amphitheater,

ist ein anderes architektonisches Kunstwerk, das die höchste Zierlichkeit mit der höchsten Eurythmie vereinigt: Dies ist ein Tempel im korinthischen Stile der den trivialen Namen des viereckigen Hauses (Maison carrée) führt.

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Das Peristyl hat zehn freistehende kanelirte Säulen; die übrigen zwanzig sind zur Hälfte in den Seitenmauern verborgen. Das Bildwerk am Fries und die Kapitäler sind von so bezaubernder Schönheit, dafs ich es für schwer halte, sich in

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