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war, deren er sich noch erinnerte, in dieser Voraussetzung, mit folgender Anrede bei ihm einführte:,,Ich habe mit eben so vielem Nutzen ,, als Vergnügen Ihre alte Geschichte von Rol ,,lin gelesen".

Du kennst Bonnets warme Vaterlandsliebe, und wie das wechselnde Steigen und Sinken der Republik Genf, welche seit seiner Geburt allein neunmal durch innerliche Unruhen erschüttert wurde, ihn bald mit der tiefsten Wehmuth bald mit der lebhaftesten Freude erfüllt; es bewegte mich daher innig, als er neulich, bei Wiedererblickung seiner Vaterstadt, die er seit vielen Jahren nicht gesehen hatte, und wohin ihn wichtige Geschäfte riefen, in die Worte des sterbenden Paolo Sarpi ausbrach: Esto perpetua!

Bonnet hört mich sehr gern von Deutschland, am liebsten aber vom grofsen Friedrich erzählen, den er verehrt und von dessen häuslichem Leben er durch seinen Freund Merian ziemlich viel weifs. Er pflegt ihn entweder mit den Cäsar, dem er hauptsächlich darin am nächsten kommt, dafs er nie Zeit ver

lor, oder, noch passender, besonders in Absicht der Höhe, zu welcher ein an sich mittelmäfsiger Staat durch ihn sich aufschwang, mit dem Epaminondas zu vergleichen.

Wir haben Herrn Volney, in den Abendstunden bei Madame Bonnet, mit immer wachsendem Interesse auf seiner Reise durch Syrien und Egypten begleitet, und ihn vor einigen Tagen mit Bedauren am Ziele seines Laufs verlassen.

Wir glaubten hier nicht, wie bey Savarys Briefen der Fall war, ein rosenfarbnes Feenmährchen aus den Tausend und Einer Nacht zu lesen, sondern die männliche Erzählung eines mit Scharfsinn, Beobachtungsgeist und allen nöthigen Vorkenntnissen ausgerüsteten Reisenden, dem Wahrheit und getreue Darstellung heilig sind.

Jetzt haben wir die Korrespondenz des Kōnigs von Preussen mit Voltaire angefangen. Kaum hatten wir einige Briefe gelesen, als wir wie aus Einem Munde ausriefen: Wie tief steht Voltaire unter Friedrich! Dies bestätigte

sich immer mehr, je weiter wir vorrückten. Welche niedrige Schmeicheley, welcher kleinliche Gernwitz, welche seichte Raisonnements in Vol taires, hingegen welches erhabene Selbstgefühl, welcher Adel des Ausdrucks, welche Blitze des Genies in Friedrichs Briefen!

Ich bin spätstens in acht Tagen in Nion. Hoffentlich bist du dann schon wieder zu Hause. Gedenke mein am Fusse des Süchet und in der Grotte von Montcherand.

rem gere.

Vale et bene

f

ZWEYTER

ZWEY TER BRIEF.

Bex, 7. Jul. 1788.

Ganz unvermuthet fand ich hier deinen Reisegefährten durch Italien, Herrn S***. G***. mit seiner Familie, der mich sehr freundschaftlich einlud, ihn Morgen nach dem Anzindas, einer der höchsten Alpentriften des Kantons Bern zu begleiten. Unter dem Vorwande der Ermüdung zog ich mich bald in mein Zimmer zurück, um noch ein paar einsame Stunden zur Erzählung meiner Reise durch das ChamounyThal zu gewinnen. Es kommt mir hierbei sehr zu Statten, dafs es für dich, dem Vertrauten der Alpen, nur flüchtiger Umrisse bedarf; denn mehr kann ich heute nicht versprechen. Möchtest auch Du endlich jenes Allerheiligste betre ten, in dessen Vorhofe Du wandelst; da hat die Natur, in einem engen Bezirke, Wunder zusammengedrängt, wovon jedes für sich allein, die mühvollste Wanderung durch Steppen und Sandfelder belohnen würde.

B

Ich verliefs Genthod am 3. Jul, um in Genf zu übernachten. Hier fand ich einen Gefährten an Herrn F***. aus London. Wir mietheten einen Wagen bis Sallenche und traten am folgenden Morgen unsre Reise an. Wir kamen durch Chesne, dem Grenzdorfe der Republik Genf; und nun wurden bei jedem Schritte die Ansichten gröfser, mannichfaltiger und anziehender. Die Formen der Berge verwandelten sich, wie durch einen Schlag der Zauberruthe; so dafs ich anfänglich weder den Mole noch den Sale ve wiedererkannte. Die egyptische Pyramide, deren prachtvolle Abendbeleuchtung uns so oft von der Terrasse von Genthod entzückte, wird zum. weit hingedehnten durch mehrere Thäler unterbrochenen Bergrücken; und die Felsenmauer, welche sich, wie eine unübersteigliche Schutzwehr, hinter Genf erhebt, ver schmälert sich zum kolossalischen Denksteine ei、 nes nordischen Heldengrabes. Hinter dem Dorfe Kontamine läuft der Weg auf dem hohen Ufer der Arve, an steilen Felsenreihen, durch eine Landschaft hin, wo Anmuth und Erhaben

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